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Gesundheitsfonds verschärft Wirtschaftskrise

03.01.2009

Mit einem Aufkommen von ca. 167 Milliar den Eur o und bei einer Anzahl von 4,4 Millionen Beschäftigten in der Gesundheitswirtschaft stellt der Gesundheitsfonds einen der bedeutendsten Fiskal- undRealwirtschaftsfaktoren in Deutschland dar . Zum Ver leich: Das Umsatzsteuer aufkommen für das laufende Jahr liegt bei ca. 176 Milliar den Euro, die Gesamtzahl aller Dienstleistungsbeschäftigten bei ca. 26 Millionen. Der besondere Vorteil dieses GesundheitsWirtschaftsfonds: Er ist öffentlich r guliert, sozialausgleichend und über wiegend regionalwirtschaftlich wirksam. Der gefährliche Nachteil des Gesundheitsfonds ist allerdings seine Zentralisierung. Diese Zentralisierung wird in weiten Regionen Deutschlands die gegenwärtige Finanz- und Realwirtschaftskrise zusätzlich verschär fen. Hier auf machen Prof. Albrecht Goeschel und Dr . Rudolf
Martens mit ihrer Unter suchung „Gesundheitsfonds macht Regionen arm“ aufme ksam.

Sie analysieren die regionalökonomischen Wirkungen des Gesundheitsfonds. Diese bestehen in zwei gegenläufig konstruierten Finanzströmen: Der Beitr agsabschöpfungsstrom wird im kommenden Jahr mit einem Einheitsbeitrag von 15,5 Prozent die Arbeitnehmer und die Arbeitgeber
in den verschiedenen Regionen abschöpfen – ohne jede Rücksicht auf die dortige Wertschöpfungs- und Beschäftigungslage. Dieser Beitragsabschöpfungsstrom wird in einem „Sondervermögen Gesundheitsfonds“ zentral vereinnahmt. Die Regionen können den Beitragsabschöpfungsstrom nicht beeinflussen. Auch der Leistungsrückflussstrom zu den Gesundheitsanbietern und in die Patientenhaushalte
kann von den Regionen nicht beeinflusst werden: Die Artenvielfalt und die Zusammensetzung der Gesundheitsleistungen des Gesundheitsfonds werden durch einen zentralen Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA) gesteuert, der Umfang der Gesundheitsleistungen ist an die zentral festgestellte Entwicklung der Grundlohnsumme gebunden, d.h. „budgetiert“, die räumliche Verteilung der den Krankenkassen aus dem Gesundheitsfonds zufließenden Mittel hängt davon ab, ob diese Kassen nur für Teile von Bundesländern, ganze Bundesländer, mehrere Bundesländer oder für ganz Deutschland zuständig sind. Hinzu kommen noch unterschiedliche Entgeltvereinbarungen zwischen den Krankenkassen und den Leistungserbringern auf Länderebene.

Während bei der ebenfalls einheitlichen Umsatzsteuer deren gebietliche Rückverteilung verfassungskonform auf Bund, Länder und Gemeinden vorab festgelegt wird, gibt es eine derartige verfassungskonforme Festlegung der gebietsbezogenen Rückverteilung beim zentralen Beitragsfonds nicht. Was am Ende von den aus den Regionen abgeschöpften Beitragabgaben an Leistungsausgaben in die Regionen wieder zurückfließt hängt daher davon ab, wie viele Arztpraxen, Krankenhausbetriebe und sonstige Leistungsanbieter der Gesundheitsversorgung
in einer Region tatsächlich vorhanden sind. An dieser Stelle zeigt die zentralistische Konstruktion des Gesundheitsfonds, d.h. dessen zentrale und einheitliche Beitragsabschöpfung sowie die zentralisierte Leistungszuteilung mit Bundesausschuss, Budgetdeckel und Krankenkassenkonzentration ihre krisenverschärfende Wirkung: Gemessen an der Wertschöpfung und an den Arbeitsentgelten gibt es weite Regionen in Deutschland, die besonders schwach sind. Dies gilt etwa für die neuen Bundesländer, die zusätzlich von der gegenwärtigen Wirtschaftskrise mit voller Wucht getroffen werden. Gleichwohl werden diese Regionen mit dem Einheitsbeitragssatz von 15,5 Prozent ebenso abgeschöpft wie die immer noch wirtschaftsstarke Region MünchenOberbayern beispielsweise. Vor allem aber vereinnahmt die Region MünchenOberbayern weit überproportional Finanzmittel aus dem Gesundheitsfonds, weil sie über eine besonders hohe Dichte an Kassenärzten
als Leistungsabrechner verfügt. Dies gilt ähnlich auch für andere wirtschaftlich und ärztlich privilegie te Regionen. Demgegenüber macht die
niedrige Kassenarztdichte die krisenbetroffenen neuen Bundesländer im Rahmen des Gesundheitsfonds zusätzlich zu Verlierern.

Bemerkenswert ist dabei, dass diese Verschärfung der Wirtschaftsschwäche durch den Gesundheitsfonds auch innerhalb von wirtschaftsstarken Ländern gilt. Beispiel Bayern: Der wirtschaftsschwache Raum Nordostbayern wird wegen seiner weit unterdurchschnittlichen Ärzteausstattung nur unterproportional Finanzmittel aus dem Gesundheitsfonds erhalten im Vergleich zu dem dicht mit Ärzten besetzten Raum MünchenOberbayern.

Die Autoren der von der Paritätischen Forschungsstelle Berlin veröffentlichten Studie „Gesundheitsfonds macht Regionen arm“ haben ihre Thesen auf der Grundlage von Kartographien der Regionalunterschiede von Wertschöpfung, Arbeitsentgelten, Kassenarzt und Krankenhausbettenausstattung der Regionenaufgebaut.

Quelle: Studiengruppe für Sozialaforschung e.V.