Herrlichkeit Erpel, 2014 Foto H.S.
23.01.2016 - von Hanne Schweitzer
Alan Greenspans endloser "Tsunami". Eine Angriffswelle zur Erneuerung kapitalistischer Macht, so lautet der Untertitel des Werks. Hartmann lädt ein, ihm in die Auseinandersetzungen innerhalb der Fed (Federal Reserve Board) zu folgen. Und man folgt ihm, auch wenn es manchmal mühsam ist gern, denn er versucht nicht weniger als eine Erzählung der sogenannten Finanzkrise. Mit hunderten von Quellenangaben u.a. aus Sitzungsberichten der Fed, belegt der Autor, dass der Finanzcrash der New-Economy-Blase im Jahr 2000 und die "Kernschmelze" des globalen Finanzsystems 2008 keineswegs die Folgen einer riskanten Zinspolitik waren.
Blasen und Krisen sind die Bewegungsform des Kapitalismus um sich zu erneuern, um einen Innovationsschub zu erreichen. Den hatten die USA dringend nötig. Das Land schwächelte. Ein Paradigmenwechsel war angesagt. "Die politische Ökonomie des Kapitalismus (machte) endgültig Schluß mit der Welt simpler Modelle, der Gesetze, der linearen und allenfalls stochastischen Formeln." Greenspan und seine Kollegen erkoren die Verhaltensökonomie zum neuen Paradigma, sie war in ihren Augen die bessere und zeitgemäßere Methodik um informationstechnologische Innovationsstrategien durchzusetzen. Deshalb also wurden die Start-Ups der Internetökonomie mit billigem Geld geradezu überschüttet. Nachdem die erste Blase geplatzt war, blieb der im Silikon Valley errichtete Pfeiler einer neuen Weltmacht unbeschadet stehen. Das Informationszeitalter hatte begonnen.
Die zweite Welle des Tsunami setzte die Zertrümmerung der alten Ökonomie fort. Dazu wurden neue Produkte konzipiert, die das bescheidene Hab und Gut des unteren Fünftels der Besitzenden ins Visier nahm. Schulden wurden zu Wertpapieren verbrieft. Die "entfesselten Liquiditätsströme" der spekulativ aufgeblähten Werte der Eigenheime auf der einen Seite, und auf der anderen Seite die "Nöte der Existenzsicherung, aber auch der soziale Druck, sich auf dem ständig steigenden Niveau des Informationszeitalters halten zu müssen, trieben die Familien in den schuldengespeisten Konsum." Die neuen Unternehmen, z.B. Google und Amazon, expandierten.
Der ersten wie auch der zweiten Blasenbildung lagen strategische Überlegungen Alan Greenspans zugrunde. Er hatte die "schöpferische Zerstörung" (Joseph Schumpeter) des alten fordistischen Regimes entfesselt, um es durch ein technologisches Regime zu ersetzen. "Ein genügend mit Liqudität gefütterter Innovations- und Produktivitätsschock konnte drei Dinge leisten: Erstens die Macht der Arbeiter*innen nachhaltig erschüttern. Zweitens die Gesellschaftsstrukturen zugunsten eines erneuerten kapitalistischen Regimes zertrümmern. Und drittens die gefährdete US-amerikanische Welthegemonie erneuern."
Beiden Blasen und den darauf folgenden Crashs sind enorme soziale Zerstörungen gefolgt. Mikrochips ersetzen ArbeiterInnen, Produktionen werden ausgelagert, ehemalige Hausbesitzer leben in Zelten. Die schmähliche Konditionierung und Zurichtung menschlichen Verhaltens durch virtuelle "soziale" Netzwerke, Computerarbeit, IT-gestütztes Management, Verkehrsleitsysteme oder Überwachungstechnologien nimmt zu.
Diese Veränderungen werden begleitet von steigender Produktivität, sinkenden Löhnen und sinkender Nachfrage. Die internationalen Beziehungen sind zunehmend angespannt ... Wird die weltweite Durchsetzung der informationstechnologischen Innovationen von weiteren Kriegen begleitet werden, die zum nächsten Weltkrieg führen? (siehe dazu auch Gremliza in konkret 1/2016 "Vom Immel hoch") Welche Chance hat Widerstand?
Hartmann, Detlef
Krisen - Kämpfe - Kriege
Band 1: Alan Greenspans endloser "Tsunami"
Paperback, 240 Seiten
14,00 Euro
Verlag Assoziation A
ISBN 978-3-86241-448-2
Bestellung beim Verlag unter: Link
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