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Heuschrecken im Pflegebereich

Köln, Art Cologne, 2015 Foto: H.S.

04.09.2015 - von Reinhard Leopold, Bremen

Seit Mittwoch 21.07.2015, ist offiziell bekannt (vgl. Weser-Kurier), dass der Inhaber der Residenzgruppe, Rolf Specht, seine Anteile an zwei Betreibergesellschaften der Residenzgruppe an die französische ORPEA-Gruppe verkauft hat.

Davon sind insgesamt 34 Einrichtungen mit rund 2.500 Pflegeplätzen in Bremen und anderen Bundesländern betroffen. Die international agierende ORPEA-Gruppe unterhält bereits 64.000
Heimplätze und gehört damit zu den größten Pflegekonzernen Europas.

Rolf Specht hatte schon einmal im Juni 2013 versucht, 20 seiner damals 30 Heime an die Silver Care Holding in München zu veräußern. Aus nicht weiter bekanntgewordenen Gründen platzte
damals allerdings der Deal.Im April letzten Jahres wurde dann die
Münchner Silver Care Holding selbst zum Übernahmekandidaten und von der ORPEAGruppe übernommen.

Das trieb den Aktienkurs in die Höhe: Laut Finanznachrichten.de liegt die Kursveränderung innerhalb eines Jahres bei knapp 40 Prozent im Plus. Ob die pflegebedürftigen Menschen und ihre Angehörigen von der aktuellen Entwicklung ebenfalls begeistert sein können, darf stark bezweifelt werden.

Die jetzige Übernahme durch den französischen Pflege-Konzern wirft einige Fragen auf. Rendite und Gewinnmaximierung stehen im
krassen Widerspruch zu Qualität und Menschenwürde in der Pflege. Pflege war und ist personal- und damit kostenintensiv. Was also ist nach solchen Übernahmen durch große Konzerne zu erwarten? Wie werden die neuen Inhaber der Residenz-Gruppe die finanziellen Erwartungen der Aktionäre zu befriedigen versuchen?

Um die Erwartungen und Ziele des Aktienunternehmens zu erfüllen, werden vermutlich harte Einschnitte im Personalbereich und andere
Einsparungen unausweichlich und eine Verschlechterung der Versorgungsqualität somit kaum zu vermeiden sein. Bei Gewinn-Maximierung bleiben der Mensch und seine Würde eben auf der Strecke.

Anmerkung der Redaktion: Die Bremer Seniorenvertretung stimmt der Skepsis gegenüber der Übernahme von Pflegeheimen durch Großkonzerne grundsätzlich zu und befürchtet schon aufgrund vieler Erfahrungen mit kleineren Pflegesystemen, dass bei Großkonzernen die Menschlichkeit gegenüber der Ökonomie chancenlos
ist. Der Eigentumswechsel hat zwar heimrechtlich zunächst keine Auswirkungen, aber es bleibt abzuwarten, ob und wie sich im Betrieb etwas ändert, z.B. Leitungen abgelöst, Verträge zum Nachteil der Heimbewohner abgeschlossen oder die Maßgaben zur Zahl und zum Auftrag der Pflegekräfte nicht eingehalten werden. Wir befürchten auch, dass die Politik im Pflegebereich gegenüber dem Lobbyismus von Großkonzernen erheblich an Macht und Entscheidungsfähigkeit im Sinne der betroffenen Menschen verliert.
Die Bremer Seniorenvertretung wird die zukünftige Entwicklung sehr aufmerksam verfolgen und die Öffentlichkeit entsprechend informieren.

Link: Pflegekonzern Marseille will ins virtuelle Geschäft
Quelle: Durchblick 188, September 2015