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Direktversicherung: Beitrag plusminus ARD

26.03.2015 - von plusminus

Altersvorsorge: Wie Rentner vom Staat abkassiert werden
Rentner außer Rand und Band. Sie fühlen sich von Gesetzen betrogen, kämpfen um ihr mühsam Erspartes vor dem Reichstag in Berlin. Die Politik hat sie zu Wutbürgern gemacht, die sich nicht mehr anders zu helfen wissen, als auf die Straße zu gehen. Sie fordern lauthals: "Verträge einhalten, Bestandsschutz und Gerechtigkeit."

Doppelte Beiträge für Betriebsrentner?
Wer sind diese aufgebrachten Rentner, wie zum Beispiel Angelika Thalhofer? Wir begleiten sie nach Hause in die Nähe von Augsburg. Sie ist 68. Um ihre gesetzliche Rente aufzubessern, hat sie über ihren Betrieb privat für das Alter vorgesorgt, doch der Staat hat ihr vieles davon wieder weggenommen. »Die finanzielle Planung ist vollkommen ausgehebelt worden, ich hab mich richtig abgezockt gefühlt vom Staat. Und das ist auch, man kann es drehen und wenden wie man will, es ist eine kalte Enteignung.«

Angelika Thalhofer hält sich fit für die Rente und das wollte sie auch finanziell sein. Dafür hat sie eine betriebliche Altersvorsorge abgeschlossen. Jeden Monat hat sie auf 409 Euro Gehalt verzichtet. Der Arbeitgeber hat das bei einer Versicherung eingezahlt.

Doch bei der Auszahlung kam der Schock. 50.000 Euro sollten es sein. Auf einmal aber wollte die Krankenkasse viel Geld von ihr und zwar auch noch ungewöhnlicherweise den kompletten Beitrag, Arbeitnehmer- und Arbeitgeberanteil. Dabei hatte sie im Job bereits immer den Höchstbeitrag zur Krankenkasse gezahlt, zahlt also nun doppelt. Über 10 Jahre muss sie es abstottern, zusammengerechnet 9.000 Euro.

Damit bleibt ihr sogar weniger als sie in die Altersvorsorge einbezahlt hat, ein bitterer Verlust. Ahnen konnte sie davon nichts, denn als sie den Vertrag abschloss, wäre die Auszahlung nach damaliger Gesetzeslage frei von Krankenkassenbeiträgen gewesen. Die Politik förderte und bewarb sogar die betriebliche Altersvorsorge.

Der Politikwechsel
Plötzlich die Kehrtwende. 2004 beschloss die damalige Bundesgesundheitsministerin Ulla Schmidt per Gesetz den vollen Krankenkassenbeitrag auf Auszahlungen der betrieblichen Altersvorsorge zu erheben. Und zwar nicht nur wie normalerweise üblich für Neuverträge, sondern quasi rückwirkend auch für alle bestehenden Verträge.

Die Rentner sind entsetzt und protestieren:
»Unser Erspartes gehört uns, unser Erspartes gehört uns, und nicht euch!«
»Ich fühl mich betrogen, als wie wenn mir meine eigene Mutter mein Geld geklaut hat. Da hab ich noch nie drüber nachgedacht, dass so was möglich ist.«
»Am meisten ärgert mich, dass ich dem Rat der damaligen Regierung gefolgt bin, privat vorgesorgt habe, und auf diese kalte Art und Weise enteignet wurde.«
»Dass ich von 6.000 Euro, die ich ausbezahlt bekommen habe, von meiner Direktversicherung gerade mal noch so 250 Euro übrig habe.«

Millionen betroffen
Nach Recherchen von Plusminus sind von diesem Gesetz 8,3 Millionen Altverträge betroffen. Sie waren je nach Police ganz von Beiträgen befreit oder nur mit dem Arbeitnehmeranteil versehen. Der Staat holt sich so nachträglich rund 33 Milliarden Euro Beitragseinnahmen. Und zugleich häuften die gesetzlichen Krankenkassen und der Gesundheitsfonds inzwischen Finanzreserven von 28 Milliarden Euro an.

Kann das rechtens sein?
Prof. Dr. Richard Giesen, Lehrstuhl für Sozialrecht, Ludwig-Maximilian-Universität, München: »Der Staat brauchte das Geld, er füllt sich sicherlich die Taschen, dort wo er es am leichtesten holen kann, das war die betriebliche Altersversorgung, die sollte ja anfangs attraktiv sein, später wurde sie sogar mehr belastet als mancher Lebensversicherungsvertrag. Besonders hart hat es dann die getroffen, die in der Einzahlungsphase schon Beiträge zahlen mussten zur Krankenversicherung und dann in der Auszahlungsphase schon wieder, das war für manche bestimmt eine verfassungswidrige Härte.«

Der Widerstand
Angelika Thalhofer und die anderen Betroffenen haben versucht sich zu wehren, haben hunderte Petitionen nach Berlin geschrieben, alles ist im Sande verlaufen. Bleibt nur der Protest auf der Straße. Die Rentner hatten unzählige Politiker zum Gespräch zur Demonstration in Berlin gebeten. Ulla Schmidt - keine Zeit, auch sonst nur Absagen, das politische Berlin duckt sich weg. Bis auf Detlef Parr. Er war damals bei der Gesetzgebung dabei. Als FDP-Abgeordneter in der Opposition stimmte er dagegen.
»Für mich waren es deprimierende Nächte. Es war einfach nicht in Ordnung dass man enteignet, dass man eingreift in private Verträge. Dieser Vertrauensschutz ist gebrochen worden.« Und auf einmal: ein junger CDU-Abgeordneter, Mark Helfrich, stellt sich zu den wütenden Rentnern. Angelika Thalhofer:
»Ja wie schizophren ist denn das, wenn ich jemandem sag, spart mal, dass ihr was habt fürs Alter, und dann wenn er im Alter ist und nicht mehr sparen kann, dann kassiere ich den ab.« Mark Helfrich, CDU: »Da bin ich bei ganz vielem bei Ihnen. Botschaft ist verstanden.«

Politische Reaktion
Von den Parteioberen wurde die Botschaft wohl nicht verstanden. Wir bitten Bundesgesundheitsminister Gröhe im Bundestag zum Interview. Vergeblich. Auf Nachhaken kommt eine schriftliche Antwort. Sinngemäß teilt man uns mit, dass die wirtschaftliche Situation Einzelner keine Rolle spielt, wenn es um den Bestand in der Krankenversicherung geht.

Die Rechnung der Krankenkassen
Kein Wunder. Die Krankenkassen rechnen uns vor, was es kosten würde, das Gesetz abzumildern, nur den Arbeitnehmeranteil zu verlangen. Florian Lanz, Spitzenverband Bund der Krankenkassen, Berlin: »Im Jahr 2013 wurden über diese sogenannten Versorgungsbezüge rund 5,2 Milliarden Euro eingenommen, würde man den Beitragssatz halbieren, würde die Hälfte fehlen, das heißt 2,6 Milliarden Euro wären zu wenig, das müsste ausgeglichen werden zum Beispiel über Zusatzbeiträge, das wären im Durchschnitt für alle Krankenkassen plus 0,2 Prozent.«

Wie geht es weiter?
Die Betroffenen planen nun Demonstrationen im ganzen Bundesgebiet um ihre Forderungen durchzusetzen.
»Dass das Gesetz wieder zurück genommen wird.«
»Dass ich mein Geld, was ich selbst eingezahlt habe, ich hab mein Urlaubsgeld, mein Weihnachtsgeld aufgeopfert, dass ich das Geld auch für mein Alter hab.« Und die Alten haben dabei auch die Jüngeren im Auge, deren Verträge noch nicht ausgezahlt wurden. Denn vielleicht wissen diese noch gar nicht, dass sie darauf auch Krankenkassenbeiträge zahlen müssen und ihre betriebliche Altersvorsorge zum Verlustgeschäft werden kann.

Wer das feststellt und einmal scharf rechnet hat nur die Chance, den Vertrag beitragsfrei zu stellen, denn gekündigt werden kann er nicht. Doch wichtig: Bevor jemand vorschnell handelt, sollte man Expertenrat einholen zum Beispiel bei den Altersvorsorgespezialisten der Verbraucherzentralen.

Bericht: Reinhard Weber
Stand: 25.03.2015 23:07 Uhr
Der plusminus-Beitrag in der Mediathek: Link

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Kernbotschaft: 8,3 Millionen Geschädigte durch das umstrittene U. Schmidt-Gesetz und ca. 32 Milliarden Euro Mehreinnahmen für die Krankenkassen.

Link: Direktversicherung: Frau Schmidt + ihr Büro antworten
Quelle: plusminus ARD

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