Ahaus, Josefsviertel, August 2014 Foto: D.B.
08.04.2016 - von Hanne Schweitzer
Der Rat der Stadt Ahaus hat sich am Donnerstag dem 07.04.2016 einstimmig (!) dafür ausgesprochen, von der Teilnahme an der Regionale 2016 mit dem Projekt Josefsviertel zurückgetreten, außerdem wurde der Aufstellungsbeschluss für den Bebauungsplan des Josefsviertels aufgehoben.
Dieser enorme Erfolg ist dem hartnäckigen Widersetzen der Interessengemeinschaft Josefsviertel zu verdanken. Die Pläne sahen vor, unter dem Deckmantel des demografischen Wandels über das Privateigentum der Josefsviertler zu verfügen. Daran haben mitgewirkt: Strukturprogramme, Gremien, GmbHs, e.V.s und Ausschüsse, das NRW-Bauministerium und Professoren, Projektdossierschreiber, Architekten, Stadtplaner, Ratsmitglieder, Wettbewerbsausrichter auf regionaler und internationaler Ebene, Juroren und Teilnehmer an Kolloquien. Es versteht sich von selbst, dass keiner und keine der Beteiligten auf Erden dafür zur Rechenschaft gezogen werden wird, was die Abwehr ihrer Planspiele die BürgerInnen an Zeit, Nerven, Angst, Wut und Auseinandersetzungen gekostet hat.
Meine Recherche und Langzeitbeobachtung begann im August 2014, nachdem ich die beiden Josefsviertler, Herrn Bornemann und Herrn Lefering in Ahaus besucht hatte:
1. Der demografische Wandel ist in Ahaus angekommen.
Wie überall, so werden auch Menschen älter, die in der Nähe der einzigen deutschen Uranfabrik leben. (4.500 Tonnen werden dort pro Jahr angereichert.)**. Zwar hat die demografische Veränderung in Ahaus, wie überall, schon Ende des vorvergangenen Jahrhunderts begonnen, seitdem sie aber unter dem Namen „demografischer Wandel“ daherkommt und als Konjunkturstimulanz betrachtet wird, weckt sie Verlangen. Plötzlich interessiert sich die Architekten- und Bauherrenbranche für Ahaus im Münsterland. Dort liegt, zwischen Innenstadt und Bahnhof, ein Stadtviertel aus den 50iger Jahren, das einer, der dort schon seit vielen Jahren zu Hause ist, „ein Viertel mit hervorragendem Charakter“ nennt.
Das Josefsviertel, das er meint, hat kein städtebauliches Problem. Es ist geprägt durch gute Nachbarschaft und gepflegte Ein- und Zweifamilienhäuser mit relativ großen Gärten und Vorgärten. Unter den Satteldächern der überwiegend freistehenden und verklinkerten Häuser leben solide und liquide Besitzer. Sie investieren in die Pflege der Nachbarschaft, aber auch in die Instandhaltung und Sanierung ihres Eigentums: Dächer werden isoliert und neu gedeckt, Fenster und Eingangstüren ausgetauscht und Anbauten realisiert. Etliche Josefsviertler haben sich sogar mit 50 Prozent an den Kosten der Instandsetzung der Anliegerstraßen beteiligt.
Da wussten sie allerdings noch nicht, dass ihr Viertel wegen seiner zentralen Lage und der großzügigen Grundstückzuschnitte zum Objekt kommunaler und stadtplanerischer Begierde werden würde. Und die Josefsviertler hatten nicht die leiseste Ahnung, mit welcher Ignoranz und Hochnäsigkeit ihnen die Verwaltung ihrer eigenen Stadt begegnen würde. Zu Bewohnern eines Problemviertels wurden sie degradiert, wo die Verwahrlosung vorprogrammiert sei und Leerstand drohe. Dabei haben die Grundstückseigentümer die Nachfolge längst geregelt.
2. Der Ahauser Stadtentwicklungsausschuss faßt einen Beschluss
Im Februar 2013 beschließt der Ausschuss für Stadtentwicklung in Ahaus einstimmig, das Filetstück in zentraler Lage, mit altem Baumbestand, guter Anbindung an Schulen, Lebensmittelmärkte und soziale Infrastruktureinrichtungen „demografiefest“ weiterzuentwickeln und „zukunftsfähig“ zu machen. Ahaus beteiligt sich deshalb an zwei Architektur- und Ideenwettbewerben namens „Regionale 2016“ und „EUROPAN12“.
Dem Ahauser Stadtplaner Fleige ist es dank der erfolgreichen Abstimmung gelungen, seine Lieblingsthemen aus dem Jahr 2010 erfolgreich zu platzieren. Dazu gehören die Umnutzung von Brachflächen, die Schließung von Baulücken, die Nachverdichtung (!) auf großen Grundstücken und die Nutzungsintensivierung (!) bestehender Häuser durch Aufstockung. Dies alles passt ausgezeichnet zu den beiden Wettbewerben, an denen auch der Stadtrat am 27.Februar 2013 beschließt, teilzunehmen.
3. Vorarbeiten für den Wettbewerb „Regionale 2016“
Damit Ahaus zum Run auf die Fördergelder in die Startlöcher gehen kann, haben sich VertreterInnen von Kommunen, Verbänden und Wirtschaftsunternehmen aus dem westlichen Münsterland schon zuvor auf etlichen Sitzungen getroffen, um ein LEITBILD für die „Region westliches Münsterland“ zu entwickeln. Ein Leitbild ist die unabdingbare Voraussetzung für die Zulassung zur „Regionale 2016“. Nachdem das Leitbild in Düsseldorf genehmigt wurde, wird in Ahaus der Bauausschuss tätig. Im Dezember 2010, die „Regionale 2016“ hat um Projektideen gebeten, plädiert er einstimmig für ein Handlungskonzept, um „ältere Wohngebiete“ attraktiver zu machen, bereits erschlossene Gebiete intensiver zu nutzen und den Flächenverbrauch außerhalb des Stadtkerns zu reduzieren. Der Bauausschuss regt deshalb eine „umfassende Beratung“ in den älteren Wohngebieten an, ebenso „baurechtliche Anpassungen“.
Mit Widerstand gegen diese Pläne wurde schon damals gerechnet. Nicht ohne Grund fällt im Ausschuss der Satz: „Das Bewusstsein in der Bevölkerung muss sich ändern“!
4. Die "Regionale 2016" ruft
Im Februar 2012 hatte die „Regionale 2016“ „alle Städte + Gemeinden, Wohnungsunternehmen, Siedlervereine und alle sonstigen Akteure auf dem Wohnungsmarkt im westlichen Münsterland" dazu aufgefordert, "alte Siedlungen genau unter die Lupe zu nehmen.“ Das Motto dafür lautet: „Innenleben - Neue Qualitäten entwickeln!" Gefragt sind „innovative Konzepte, Strategien“ oder „konkrete Projekte“, damit Siedlungen, aus den 50-70iger Jahren „strukturell, baulich und gestalterisch für die Zukunft fit“ werden. Die Verwaltung von Ahaus ist auf den Wettbewerbsaufruf gut vorbereitet. Sie plant, das Josefsviertel aus den 50iger Jahren unter die Lupe zu nehmen.
Durch die Hilfe „sanfter Gestaltungskonzepte“ bei gleichzeitiger Bewahrung der „besonderen städtebaulichen Qualitäten“ soll das Viertel an „die sich verändernden gesellschaftlichen Rahmenbedingungen“ angepasst und „gemeinsam (!) mit den Bürgerinnen und Bürgern“ „zukunftsfähig“ gemacht werden. Fortan soll es „den Wohnbedürfnissen älterer wie auch jüngerer Anwohner gerecht werden.“ (Als ob hier in den vergangenen 65 Jahren nicht stets mehrere Generationen zusammengelebt hätten (!)
Für die Eigentümer und Anwohner ist ein „Beratungsangebot“ geplant. Ein sogenannter „Kümmerer“ soll im Josefsviertel arbeiten, und „in einer mehrjährigen Modellphase“ als „neutraler Ansprechpartner“ fungieren und die Hausbesitzer und Mieter zur Beteiligung aktivieren. Um die Chancen auf eine gute Beurteilung des Projekts zu erhöhen, und den Fördergeldern ein bisschen näher zu kommen, heuert die Stadt Ahaus das Büro der „Architekten & Stadtplaner Post + Welters“ aus Dortmund an. Das Ergebnis dieser Bemühungen wird an den Wettbewerbsauslober, die „Regionale 2016 Agentur GmbH“, gesandt.
Im September 2012 fand in Ahaus die vierte Veranstaltung der „Regionale 2016“ statt. Es treffen sich Gesandte des Regionale-Wettbewerbs mit „Akteuren aus der Region“. Ihnen wird die Projektidee für den Wettbewerb vorgestellt: Erprobung einer „quartiersbezogenen ganzheitlichen Wohnberatung“ im Josefsviertel. Um die Idee zu „vertiefen“ und „weiter zu entwickeln“, setzen sich die Herrschaften in Arbeitsgruppen zusammen. DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS. WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN!
5. Was ist die „Regionale 2016“?
Der Name „Regionale“ steht für ein Strukturprogramm des Landes NRW. Es existiert in dieser Form seit dem Jahr 1997. Finanziell gefördert werden durch den Wettbewerb gleichen Namens Projekte aus den Bereichen Städtebau, Umwelt, Wirtschaft, Kultur, Bildung und Wissen. Also alles.
Einen festen Posten gibt es dafür im Haushaltsplan nicht. Das Geld für den Wettbewerb kommt aus den Förderprogrammen des Landes und von Wirtschaftsunternehmen der Region. EU-Geld fließt auch. Allerdings nur, wenn entweder das Land, die Kommunen oder andere Projektträger in der Lage sind, einen Eigenanteil zu finanzieren. Bei der „Regionale 2016“ mit dem Leitthema „ZukunftsLAND“ dürfen nur Projekte aus der Region des westlichen Münsterlands eingereicht werden.
Damit das alles funktioniert, wurde bereits im Juni 2009 von 35 Kommunen die „Regionale 2016 Agentur GmbH“ gegründet. Die GmbH wird zu 70 Prozent vom Land NRW finanziert. 20 Prozent übernimmt die Sparkasse Westmünsterland. Zehn Prozent zahlen die Städte und Gemeinden des westlichen Münsterlands.
Die Agentur-GmbH hat (laut Foto auf ihrer Webseite) 10 MitarbeiterInnen. Die GmbH fungiert als „zentrale Steuerungseinheit“ des langwierigen Regionale-Procedere. Zu ihren Aufgaben gehört es auch, sich um „die Transparenz von Verfahren und Entscheidungen“ nicht nur zu kümmern, sondern diese zu „gewährleisten“ (!). Zur Transparenz soll u.a. ein „System aus verschiedenen Gremien und Gruppierungen“ beitragen.
Formalrechtlich an erster Stelle stehen die Organe der Agentur. Das sind: ein Aufsichtsrat mit 13 Mitgliedern und die Gesellschafterversammlung mit mindestens 35 Mitgliedern. Über beiden schwebt „das wichtigste Entscheidungsgremium“ jeder Regionale, der sogenannte Lenkungsausschuss. Er besteht aus 25 Mitgliedern, die von den „Ministerien des Landes NRW“, von den „Kreisen, Städten und Gemeinden“, und von „Verbänden und Vereinen“ aus dem westlichen Münsterland entsandt werden. Die Arbeit der Agentur-GmbH wird außerdem durch einen Beirat unterstützt. Der nennt sich „Innovationsrat“ und ihm gehören fünf Professoren und zwei Professorinnen an. Ihr Auftrag lautet, die Agentur-GmbH, den Lenkungsausschuss und die Projektträger zu beraten. Unverbindlich.
Den Kontakt zum Volk übernehmen sogenannte „Regionalbeauftragte“. Für ihre Ernennung sind die 40 beteiligten Kreise, Städte und Gemeinden zuständig, die am Wettbewerb teilnehmen. (40 Kontaktpersonen zur Basis, die Zahl der Gremienmitglieder ist um ein Vielfaches höher.) Von den Regionalbeauftragten wird erwartet, dass sie „regelmäßig zum Informationsaustausch zusammenkommen“ und „Aktivitäten vor Ort bündeln“. Sie sollen für den „Informationsfluss“ zwischen der Kommune und der Agentur“ sorgen, und eben auch „Ansprechpartner für die Bürgerinnen und Bürger“ sein. Der Regionalbeauftragte für Ahaus ist Werner Leuker aus dem Büro des Oberbürgermeisters.
6. Ahaus schließt einen Vertrag
Im Februar 2013 unterschrieb der Beigeordnete Beckmann für die Stadt Ahaus einen Vertrag mit Frau Poeverlein. Sie arbeitet bei einem Verein mit Sitz in Berlin: „EUROPAN Deutsche Gesellschaft zur Förderung von Architektur, Wohnungs- und Städtebau e.V.“ heißt er. Der Vertrag regelt die Teilnahme der Stadt an der „Regionale 2016“ und an einem weiteren Wettbewerb namens EUROPAN12“. EUROPAN e.V. fungiert als Scharnier zwischen den beiden Wettbewerben.
Die Stadt Ahaus und EUROPAN e.V. vereinbaren:
a.
„der Überzeugung“ zu sein, „mit EUROPAN einen weiterführenden Beitrag zu neuzeitlichem Städte- und Wohnungsbau und innovativer Architektur zu leisten“,
b.
das Startgeld für die Teilnahme am Wettbewerb EUROPAN12 in drei Raten an EUROPAN12 zu überweisen.(Davon übernimmt das Land NRW bzw. seine SteuerzahlerInnen 28.000 Euro, Ahaus muss 19.000 aus der eigenen Kasse beisteuern.)
c.
dass die Stadt „konkrete Flächen mit standortspezifischen Anforderungen zur exemplarischen Bearbeitung“ zur Verfügung stellt,
d.
die Wettbewerbsbedingungen von EUROPAN zu akzeptieren. Sie unterschreiben, dass ArchitektInnen, Stadt- und LandschaftsplanerInnen, die älter als 39 Jahre sind, vom Wettbewerb ausgeschlossen werden. Am größten europäischen Architektenwettbewerb dürfen also nur unter 40Jährige teilnehmen! Nur unter 40Jährige werden im Fall eines Ankaufs „bis zur Realisierung ihrer Entwürfe und Strategien“ finanziell unterstützt. Diese Altersdiskriminierung widerspricht der europäischen Antidiskriminierungsrichtlinie 78 aus dem Jahr 2000 und dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz der Bundesrepublik Deutschland aus dem Jahr 2006.
DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS. WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN! Seit Jahren werden hinter ihrem Rücken Pläne geschmiedet. Aber erst NACH der Vertragsunterzeichnung erfahren sie aus der Zeitung, dass ihr Viertel angeblich in die Jahre gekommen sei und deshalb „demografiefest“ und „zukunftsfähig“ gemacht werden müsse.
7. In Ahaus findet ein Nachfragekolloquium statt
Ende April 2013 nahm der Lenkungsausschuss der „Regionale 2016“ die Projektskizze aus Ahaus in den sogenannten Qualifizierungsprozess auf. Das bedeutet: ein Stück weiter auf der Fördergeldleiter. Ahaus lädt zu einem „Nachfragekolloquium“ ein. Stadtplaner Fleige begrüßt neun Abgesandte von EUROPAN e.V. und „Regionale 2016“ mit Namen. Zehn weitere TeilnehmerInnen des Kolloquiums werden im Protokoll zwar erwähnt, aber nicht namentlich genannt. Sie werden subsumiert unter: „Wettbewerbsteilnehmer“. Damit sind die 10 unter 40Jährigen ArchitektInnen und StadtplanerInnen gemeint, die sich für die Wettbewerbsaufgabe „Josefsviertel“ interessieren und deshalb in Ahaus zu Gast sind.
Fleigel führt sie durch das Viertel. Er erzählt den unter 40jährigen ArchitektInnen, was er gerne erzählt. „Der älter werdenden Bewohnerschaft“ bereiten die großen Grundstücke im Josefsviertel Probleme. Die Stadt werde zum Beispiel „mit dem Wunsch der Bewohner konfrontiert, auf Bäume im öffentlichen Straßenraum wegen des abfallenden Laubs, das durch die Bewohner beseitigt werden muss, zu verzichten.“ DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS.WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN!
8. In Ahaus findet ein Informationsnachmittag statt
Im September 2013 lud Ahaus und die „Regionale 2016“ zu einem „Informations- und Diskussionsnachmittag“ über das Josefsviertel ein. „Mehr als 60 Interessierte“ – „vor allem aus den Öffentlichen Verwaltungen“ - sollen für das Thema sensibilisiert werden: „Wie aktiviert man Immobilieneigentümer?“ Experten berichten von ihren Erfahrungen aus Bottrop und Bremen, wo es auch um „Erneuerungsprozessen in Ein- und Zweifamilienhausquartieren der 1950er bis 70er Jahre“ ging. Frau Dr. Borchard vom NRW Bau-Ministerium erläutert das 2010 gestartete Beratungsnetzwerk für Einzeleigentümer, namens IdEE. DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS. WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN!
9. In Dorsten tagt eine lokale Wettbewerbsjury
Ende September 2013 fand eine weitere Gremiensitzung statt. Im ehemaligen Edeka-Laden von Dorsten hat sich die „lokale Wettbewerbsjury“ versammelt, um über 14 eingereichte Wettbewerbsbeiträge zu befinden. Uta Schneider, Professorin und Geschäftsführerin der „Regionale 2016 Agentur GmbH“, erläutert den Anwesenden noch einmal die Aufgabe, die den jungen Architekten „unter dem Dach der "Regionale 2016" für den europaweiten Ideenwettbewerb EUROPAN 12“ gestellt war: „In vielen Städten des westlichen Münsterlandes sind in den 1950er bis 1970er Jahren großflächige Ein- und Zweifamilienhausgebiete wie „Jahresringe“ um die Ortskerne herum entstanden. Auch wenn diese Gebiete heute zumeist (!) noch intakt sind und die Probleme (!) noch nicht vordergründig (!) sichtbar sind“, sei es wichtig, dass junge Architekten darüber nachdenken, wie die „attraktiven Wohngebiete“ mit „ihrer zentralen Lage und den großzügigen Grundstückszuschnitten strukturell, (!) baulich (!) und gestalterisch (!) für die Zukunft gerüstet (sic) werden können“.
Der Jury, die aus 18 Personen besteht, gehören auch kommunale Vertreter aus Ahaus, Dorsten und Nordkirchen, sowie Architekten und Stadtplaner an. 12 Jurymitglieder sind „stimmberechtigte Preisrichter“, sechs heißen „ständig anwesende Preisrichter“. Herr Fleige aus Ahaus gehört zu den ständig anwesenden Preisrichtern.
Im Sitzungsprotokoll schildert Frau Professor Schneider, die Eindrücke der Jury. "Wir haben sehr spannende Entwicklungskonzepte für die drei Gebiete in Ahaus, Nordkirchen und Dorsten gesehen. Außerdem waren auch vielversprechende Ansätze darunter, wie man die vielen einzelnen Immobilieneigentümer in den Gebieten in die Planungen einbezieht und zum Mitmachen motiviert". Die Jury fand es „ausgesprochen schwierig zu entscheiden, mit welchen Mitteln man überhaupt an die drei Gebiete“ herangehen und wie man sie strukturell und architektonisch, sowie freiraumgestalterisch „verbessern“ kann. Schwierig fand die Jury das wohl auch deshalb, weil die Gebiete „in Privatbesitz“ sind, wie das Protokoll ausdrücklich vermerkt.
10. Der Beitrag für Ahaus hat den Codenamen „HC 875“ und den Titel: KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER*
Diesen, wie die Jury tatsächlich findet, „klangvollen (!) Namen“, haben sich sechs unter 40jährige spanische ArchitektInnen ausgedacht. Ihr Projekt wird von der Jury so beschrieben: „Die strenge Siedlungsstruktur respektierend, wird eine pragmatische Nachverdichtung (!) vorgeschlagen, oft als verbindendes Element zwischen den Bestandsgebäuden. Ersatzbauten sind im Bedarfsfall ausdrücklich (!) willkommen. Die sich im Hinterland vorfindenden (sic) Gärten (!) werden aus der privaten Klammer (!!!) herausgelöst und zu attraktiven öffentlichen (!) Flächen gemeinschaftlicher (!) Nutzung.“ Zu Deutsch: Veränderung der Eigentumsverhältnisse.
Frau Professor Schneider deutet an, wie die „Herauslösung (!) der Gärten aus der privaten Klammer“ (!) bewerkstelligt werden könnte: „Nötig“ sei dazu „ein neues Austarieren (!) der Anteile von privat und öffentlich“ (!). Mit anderen Worten: Enteignung durch die Hintertür zum Wohle aller. KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER hat schließlich nicht nur einen „klangvollen Namen“, sondern auch eine „soziale Komponente“: „Wie kann das Miteinander im Quartier verbessert werden?“ Anders gesagt: wozu brauchen alte Leute Gärten, in die bequem eine kleine Stadtvilla hineinpassen könnte? Und warum gibt es außer den Anliegerstraßen keine öffentlichen Wege durch das Viertel? Das schafft schließlich Kontakte!
Auf Widerstand gegen die angedachte Enteignung der Josefsviertler unter dem Vorwand des demografischen Wandels, ist Frau Professor Schneider gefasst. Das „Austarieren (!) der Anteile von privat und öffentlich“ (!), so steht es im Protokoll, müsse „in Einklang gebracht werden, mit der Münsterländer Mentalität, die geprägt ist von einem großen Bedürfnis nach Privatheit und dem Wunsch sich abzugrenzen.“ (!) Eventuelle Bedenken der Josefsviertler gegen die Pläne von außen will man mit „überzeugenden Partizipationsprozessen“ aus der Welt schaffen. „Einbindung von Kooperationspartnern, die Einfluss nehmen können auf die Entwicklung der Quartiere“, lautet ein Vorschlag, der andere heißt: „Beratungsangebot für die Anwohner und Einwohner“.
11. Wegen des Beratungsangebots hat Ahaus vorgesorgt
Die Gelder zur Finanzierung des Jobs eines „Kümmerers“ sind bereits beantragt, sein Arbeitsauftrag ist längst beschrieben. Der „Kümmerer“ soll die Josefsviertler über ihre „Wohnzukunft“ beraten. Renovieren, ins Altenheim ziehen und verkaufen, Haustausch, Neubau, Ausbau, Abriss, den Garten verkleinern: auf jede Frage soll der „Kümmerer“ eine Antwort haben und ganz „neutral“ Finanzexperten, Architekten, Energieberater, Handwerker etc.“ vermitteln. Dafür hat er, falls sein befristeter Arbeitsplatz bewilligt wird, „mindestens drei Jahre“ Zeit, um auf allen Ebenen als Verkäufer der Idee von der baulichen Verdichtung des Josefsviertels agieren und „die persönliche Ansprache“ als „Handlungsschwerpunkt“ etablieren zu können. So ließe sich vielleicht auch die Idee einer Genossenschaftsgründung umsetzen, in die jeder Josefsviertler ganz ganz freiwillig ein Stück seines Grundstücks einbringen kann.
KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER, das Projekt mit dem diskriminierenden, bösen Titel, erhält von der Jury 11 Punkte, das ist viel, und KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER wird von der Jury gekauft. Das Preisgeld für die sechs jungen Architekten beträgt 6.000 Euro. (An die Fahrtkosten- und Spesenabrechnungen all derer, die an den Treffen, Sitzungen, Beratungen, und Colloquien von „Regionale 2016“ und EUROPAN12 teilnehmen, wagt man gar nicht zu denken!)
Die Jury beschließt den Wettbewerbsbeitrag "HC 875" zusammen mit den Projektentwürfen für die Einfamilienhaussiedlungen im Dorstener Stadtteil Wulfen-Barkenberg und im Nordkirchener Viertel Südkirchen zum Wettbewerb EUROPAN12 zu schicken. Im November 2013 werden sie von Vertretern "der europäischen Städte und Jurys“ zwecks "abschließender Beurteilung“ noch einmal analysiert und vergleichend diskutiert. Frau Poeverlein, Geschäftsführerin von EUROPAN e.V., hofft, dass Vertreter der Städte sowie der „Regionale 2016“ an diesem Forum in Paris (!) teilnehmen können und sie bittet, „den Termin schon heute vorzumerken.“ Die Siegerentwürfe werden der Öffentlichkeit nach der Preisverleihung in Berlin (!) vorgestellt. Die Reisebranche ist erfreut. DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS.WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN!
12. Was ist EUROPAN?
Zum einen gibt es den Verein EUROPAN e.V. Dahinter steckt, wie schon erwähnt, die "Deutsche Gesellschaft zur Förderung von Architektur, Wohnungs- und Städtebau". EUROPAN e.V. gehört einer Art Dachverband auf europäischer Ebene an. Er nennt sich EUROPAN Europe, wurde 1989 gegründet und unter seinem europäischen Dach tummeln sich aktuell 19 EUROPAN-Organisationen aus 19 EU-Staaten. Der Dachverband hat die Aufgabe, alle zwei Jahre einen europäischen Wohn- und Städtebauwettbewerb auszuschreiben. Die Themen der Wettbewerbe werden zuvor mit VertreterInnen von 250 (!) europäischen Städten, mit Bauherren und Architekten abgestimmt. Die Wettbewerbsjury rekrutiert sich aus dem gleichen Personenkreis.
Finanziert wird EUROPAN Europe mit Steuergeldern aus den 19 europäischen Staaten. Weshalb sich EUROPAN Europe nicht nur eine Präsidentin leisten kann und einen Beirat, zu dem jedes Land einen Vertreter entsendet. Damit es zumindest formal-demokratisch zugeht, gibt es auch noch Delegiertenversammlungen. Dazu können aus jeder EUROPAN-Organisation je vier VertreterInnen anreisen. (Macht 76. O.K., im Vergleich zur Anzahl der Teilnehmer an den wöchentlichen NATO-Treffen ist das nichts, aber trotzdem!)
13. Das Josefsviertel braucht einen Bebauungsplan
Ende Oktober 2013 beschloss der „Ahauser Fachbereich Stadtplanung“, dass endlich, zwecks „städebaulicher Weiterentwicklung des Josefsviertels“, ein Bebauungsplan beschlossen werden muss. Deshalb verabschiedet er einen „Beschlussvorschlag für die Aufstellung eines Bebauungsplans“. Damit ist die Katze aus dem Sack. Die Josefsviertler sind alarmiert.
14. Der Stadtplaner lädt die Josefsviertler zum Gedankenaustausch
Am 23. Januar 2014 lud Stadtplaner Fleige das Architekturbüro Post + Welters und die Josefsviertler zu einer Art „Gedankenaustausch“ über die städtebauliche Weiterentwicklung des Josefsviertels ein. Auf der Anwesenheitsliste, die in der Josefschule herumgeht, stehen 19 Herren und eine Frau. Sechs der Herren und die Frau wohnen nicht im Viertel. Trotzdem geht es so hoch her, dass Stefan Grothues seinen Bericht über das Treffen in der MünsterlandZeitung mit dem Satz beginnt: „Ein Sturm der Entrüstung ist am Donnerstagabend über Stadtplaner und Vertreter der Stadt Ahaus hinweggefegt“. Die Heimlichtuer bekommen was zu hören. „Wir brauchen keine Ratschläge“. „Die Stadt hat das Pferd von hinten aufgezäumt. Fragen Sie uns doch einfach, was wir wollen.“ „Ihr habt doch längst Nägel mit Köpfen gemacht.“ Fleige und Professor Welters halten dagegen: Der „Studentenwettbewerb“ (!) sei nur eine „Gedankenspielerei“ (!) gewesen! Und der geplante Bebauungsplan sei erforderlich, um „unerwünschte Projekte rechtlich zu verhindern“. Die Bürger sollen sich Gedanken über die Zukunft des Josefsviertels machen und zusammen mit „Experten über Mehrgenerationenhäuser oder energetische Sanierungen“ nachdenken. Fleiges Appell an die Anwesenden: Sprecht mit dem „Kümmerer“, er wird „ein Beratungsbüro im Viertel“ eröffnen!
15. Ein Josefsviertler hakt nach
Herr Lefering ist im Viertel aufgewachsen und seine Kinder sind hier groß geworden. Er konnte nicht zur Versammlung gehen, ist aber beunruhigt, nachdem er den Zeitungsbericht gelesen hat. Bauliche Verdichtung und einen „Kümmerer“ lehnt er ab. Er kontaktiert den Stadtplaner und bittet ihn um ein Protokoll der Versammlung. Er bekommt zwei Seiten zugeschickt, auf die er mit einer Mail so reagiert. „Anscheinend“, schreibt Lefering an Fleige, „haben Sie mir versehentlich ein internes Protokoll der Architekten und Stadtplaner Welters + Post beigelegt, da es sich rein formal nicht um ein Protokoll handeln kann“: Keine Anwesenheitsliste, keine Tagesordnung, keine Legitimation der Protokollanten, keine Genehmigung des Protokolls durch die Unterschrift des Veranstalters. „Außerdem wird von einer „Multiplikatorenveranstaltung“ gesprochen, obwohl Sie bei der Einladungsliste von einer „Informationsveranstaltung“ sprachen.“ Westliche Münsterländer können sehr pingelig sein, wenn ihnen etwas gegen den Strich geht!
16. In Heidelberg werden Architekten ausgezeichnet und ins Münnsterland "entführt"
Anfang Februar 2014[/ wurden die besten Konzepte für den “planerischen Umgang“ mit den Wohngebieten in Ahaus, Dorsten und Nordkirchen ausgezeichnet. Aber nicht vor Ort, sondern in Heidelberg am Neckar! Nach der Siegerehrung, an der Frau Professor Schneider und „Vertreter der drei Kommunen“ teilnehmen, werden 20 junge ArchitektInnen aus Heidelberg „kurzerhand mit dem Bus ins Münsterland „entführt“. Während der Reise machen sie sich „noch einmal ein Bild von der Situation vor Ort in den Wohngebieten“, die von den Kommunen als Wettbewerbsgebiet und Versuchslabor „beigesteuert“ worden waren. „Zudem stellten die Planer im Schloss Nordkirchen ihre Pläne noch einmal im Detail vor und entwickelten sie im Gespräch mit den örtlichen Planern weiter.“
Eine Besonderheit des Treffens schildert Christoph Wink in seinem blog DortmunderdesJahres: Der erste Sonntag im Februar sollte der Tag der Exkursion werden. Wurde er auch. Aber nicht so wie geplant. Von Südkirchen sollte es in den Norden Dorstens gehen, von dort dann nach Ahaus ins Josefsviertel. Doch die Reiseroute wurde kurzfristig geändert. Statt Josefsviertel in Ahaus besichtigten die Studenten in Dorsten zusätzlich noch die Flächen der ehemaligen Zeche Fürst Leopold. Das gesamte Areal dort wird stadtplanerisch überarbeitet. Die Bitte an die Regionale-2016-Macher, nicht durchs Josefsviertel zu schlendern und in Gedanken stadtplanerisch aktiv zu werden, kam – so war am Rande des Treffens zu hören – aus dem Ahauser Rathaus. Bitte angesichts der aktuellen Diskussion nicht noch weitere Studentengruppen durchs Josefsviertel laufen lassen. DIE JOSEFSVIERTLER WISSEN VON NICHTS. WER SPRICHT SCHON MIT DEN LEUTEN IN ALTEN SIEDLUNGEN!
17. Die Josefsviertler gründen eine Interessengemeinschaft
Mitte Februar 2014 lud Stadtplaner Fleige die BürgerInnen von Ahaus zu einer zweiten Veranstaltung ins Rathaus ein. Die Menschen im Viertel sind elektrisiert. Das Josefsviertel ist der wichtigste Ort in ihrem Leben. Jetzt wollen aber andere darüber entscheiden, dass und wie sich ihr Viertel zu verändern hat. Planungen von „oben“ sind nicht erwünscht. Sie haben Angst um ihr Eigentum, das sie „durch das Handeln der Stadtverwaltung als „gefährdet“ betrachten. Um zu retten, was noch zu retten ist, gründen die Josefsviertler nach dieser Veranstaltung eine Interessengemeinschaft und begeben sich auf den langen Marsch durch die Gremien.
Per Brief bitten sie den Baudezernenten Beckmann um Bestätigung der mündlichen Zusagen, die von der Ahauser Verwaltung auf den zwei Treffen mit den Josefsviertlern bisher gemacht wurden: 1. Der Charakter des Josefsviertels bleibt unverändert erhalten. 2. Der Bebauungsplan wird nach Straßenzügen unterteilt. 3. Eine Bürgerbeteiligung wird nach Straßenzügen durchgeführt. 4. Der Kümmerer wird nur bei einer Fördermittelzusage im Rahmen der Regionale 2016 eingestellt. 5. Der Kümmerer darf nur auf ausdrücklichen Wunsch des Eigentümers beraten. Die Stadt reagiert nicht. Der Kümmerer ist für sie ein „unumstrittener Fakt“ und „Baustein des Regionale-Projekts“. Die Josefsviertler sammeln Unterschriften gegen die Veränderung ihres Viertels und gegen die Einstellung eines „Kümmerers“. Beschwerdebriefe gehen an die Ahauser Fraktionsvorsitzenden, an den Regionale-Beauftragten der Stadt Ahaus und an die Geschäftsführerin der Regionale 2016 Agentur GmbH, Frau Professor Schneider. Die Josefsviertler monieren darin die Intransparenz des gesamten Verfahrens. Sie wenden sich an ihren Landtagsabgeordneten und reichen beim Landtag eine Petition ein. Lefering schreibt an die Mitglieder des Lenkungsausschusses der „Regionale 2016“. Er beklagt die irreführenden Beschreibungen des Josefsviertels, die mit der Realität nichts zu tun hätten. Er macht darauf aufmerksam, dass von einer Mitwirkungsbereitschaft der Bevölkerung keine Rede sein könne. „1.000 Menschen“, schreibt Lefering, würden „widerwillig einem Versuch unterzogen, der schon jetzt einen irreversiblen Schaden im Verhältnis von Bürgern zur Verwaltung angerichtet hat“. Es gibt, erinnert er die Mitglieder des Lenkungsausschusses der Regionale, „es gibt Formen des Zusammenlebens, die auf gegenseitigem Vertrauen basieren und nicht den Neid der Generationen schüren, um ihn profitabel zu vermarkten.“
18. Die Stadt Ahaus gibt Auskunft
Im Juli 2014 wies Daniel Czybulka, bei der Stadt Ahaus für ein sogenanntes "Leader-Projekt"* verantwortlich, in einer Pressemitteilung ausdrücklich darauf hin, dass die Grundstückeigentümer im Josefsviertel von der Stadt mit Absicht nicht zu ihren Grundstücken befragt worden wären.
(* Ein Leader-Projekt bedeutet: "Kulturlandschaft mit GPS entdecken - Track and Bike" siehe: Link
19. Die Josefsviertler schreiben an den Regionalrat
Anfang September 2014 wandten sich die Josefsviertler, nachdem sie zuvor Akteneinsicht bei der Bezirksregierung Münster genommen haben, an den „Regionalrat der Bezirksregierung Münster“. Der Regionalrat, mit seinen 32 Mitgliedern von denen 17 stimmberechtigt sind, hat Einfluss auf die Verteilung von Fördermitteln. Sie berichten dem Regionalrat von den schlechten Erfahrungen, die sie mit ihrer Verwaltung und den Wettbewerben "Regionale 2016" und EUROPAN12 gemacht haben.
20. Reaktionen der Gremien auf die Intervention der Bürger aus dem Josefsviertel.
a)
Die Geschäftsführerin der „Regionale 2016“ und der Lenkungsausschuss setzen auf Gespräche. Damit diese in Gang kommen, werden tatsächlich zusätzliche Mittel für einen „Kommunikationsprozess“ bereitgestellt. Den Bürgern soll „klargemacht“(!) werden, dass nicht geplant gewesen sei, ihnen etwas aufzuzwingen.“ Das Unternehmen „IMORDE Projekt- & Kulturberatung GmbH, Münster/Berlin“, und die Arbeitsgemeinschaft „modulorbeat – ambitious urbanists planners, Münster“ (so heißen die wirklich), werden beauftragt, für den Projektaufruf „Innen leben – neue Qualitäten entwickeln!“ die fachliche und organisatorische Begleitung von 2014 bis 2016 zu übernehmen. Art und Umfang der Leistung sind genau festgelegt. Dazu gehören unter anderem: die Konzeption eines inhaltlich tragfähigen Prozessgerüstes (!) , die Vorbereitung, Durchführung und Nachbereitung von Veranstaltungen, die Auswertung und Aufbereitung der Erfahrungen aus dem Projektaufruf, dazu Öffentlichkeitsarbeit, Entwicklung einer "Kampagne" mit Veranstaltungen, Workshops etc. zur Aktivierung der Akteure inklusive einer Zwischenbilanzkonferenz 2014.
b)
Der Lenkungsausschuss steht weiter hinter dem Projekt KEIN LAND FÜR ALTE MÄNNER. Es sei „zukunftsweisend und innovativ und vorbildhaft für die ganze Region“. Trotzdem wird die Entscheidung über die finanzielle Förderung auf den November 2014 vertagt. Frau Professor Schneider begründet die Terminverschiebung so: „Wir nehmen die Anliegen und Sorgen der Bürger sehr ernst. Wir wollen das Projekt gemeinsam mit den Bürgern, nicht gegen sie. Darum sollen jetzt noch weitere Gespräche der Stadt mit den Anwohnern gleichberechtigt und auf Augenhöhe stattfinden, bevor das Projekt in den A-Status befördert wird.“ (A-Status bedeutet, es wird voll vom Land NRW finanziert.)
c)
Der Regionalrat der Bezirksregierung Münster steht ebenfalls hinter dem Regionale-Projekt. Auch er setzt sich für Gespräche mit den Josefsviertlern ein. Trotzdem setzt er die Förderstufe des Projekts von A auf A1 herab. (A1 bedeutet, die Fördergelder werden später oder im Jahr 2014 überhaupt nicht mehr überwiesen.)
d)
In der Stadtverwaltung von Ahaus nimmt man zur Kenntnis, dass „Widerstände“ gegen das Projekt vorhanden sind. Für Stadtplaner Fleige, der die Wettbewerbsbedingungen bestens kennt, steht aber fest, dass es das Regionale-Projekt „nur in seiner jetzigen Form oder gar nicht geben“ kann. „Zwischenstufen seien nicht möglich.“ Mit den Josefsviertlern soll das Gespräch gesucht werden, denn bisher habe „niemand aus Politik oder Verwaltung einen direkten Kontakt zu der Interessengemeinschaft“. Die CDU-Fraktion beantragt, das ganze Projekt zu prüfen. Der „Kümmerer“ bleibt aber im Fokus der Diskussionen. Vielleicht lässt sich seine Arbeit ja mit der Erstellung eines Bebauungsplans verknüpfen, der für die Entwicklung des Viertels „dringend“ sei. „So ein Bebauungsplan ist ein enormer Zeit- und Kostenfaktor“, erklärt Fleige, und „die Fördergelder werden uns ja praktisch hinterhergetragen.“ Könnte der Kümmerer vielleicht bei der Aufstellung eines Bebauungsplans mitwirken? Soll er unter dem Deckmantel des Bebauungsplans als Trojanisches Pferd im Josefsviertel installiert werden?
21. Der Ahauser Stadtrat hält an den Plänen fest
Im September 2014 betonten alle Fraktionen im Ahauser Stadtrat, wie wichtig und zukunftsweisend das Projekt sei. Fehler beim Start und bei der Kommunikation mit den Josefsviertlern gemacht zu haben, räumen sie ein. Dieter Homann von den Unabhängigen Wählern und Anwohner des Josefsviertels, fordert, "vor der Fortführung" einen deutlichen Schnitt zu machen. Alles andere würde nur erneut zu Fehleinschätzungen (!), Angst (!) und Misstrauen führen. Bürgermeister Büter beteuert, dass noch keine Entscheidungen getroffen worden seien und dass es noch genügend Zeit gäbe, um alles (!) in Ruhe zu besprechen. Außerdem sei jede Planung im Rahmen des Regionale-Projektes freiwillig und für die Eigentümer im Josefsviertel völlig unverbindlich (!!!). (Was aber bedeutet: "freiwillige Planung"?)
Das (freiwillige) Projekt könne, so Büter laut Münsterländer Zeitung, "aber nur dann erfolgreich verlaufen, wenn Politik, Verwaltung und Anwohner den ersten Schritt gemeinsam machten." Dass Politik und Verwaltung schon sehr viele Schritte OHNE die "Anwohner" gemacht haben, hat er wohl vergessen.
22. David (BürgerInnen) gegen Goliath (Strukturen)
Die Richtlinien zur Finanzierung des „Kümmerers“ machen seine Einstellung zur Zeit unmöglich. Als „besondere Zuwendungsvoraussetzung“ wird nämlich „die Mitwirkungsbereitschaft der Betroffenen (!)“ vorausgesetzt. Die ist aber (noch) nicht vorhanden. Die Josefsviertler wollen keinen Kümmerer. „Wir wollen nicht von außen überplant werden“, sagt der Josefsviertler Herr Bornemann. Und zeigt stolz auf die ersten Anti-Kümmerer-Plakate, die seit August 2014 in den Fenstern der Häuser des Josefsviertels hängen! Die Veränderung des Bewußtseins der Bevölkerung ist - jedenfalls bislang - im Josefsviertel von Ahaus noch nicht gelungen!
23. Mediation kommt nicht zustande
Auch im Jahr 2015 gab es, wie am 3.7.2014 vom Lenkungsausschuss der Regionale 2016 gefordert, KEINE gleichberechtigten und ergebnisoffenen Gespräche auf Augenhöhe zwischen den Anwohnern des Josefsviertels und der Ahauser Verwaltung. Zwar begann die von der Interessengemeinschaft und der Stadt gewünschte Mediation, wer ist aber am Mediationsprozeß beteiligt? Die Josefsviertler verlangen nach wie vor von der Stadt die schriftliche Bestätigung der Zusagen, die ihre Vertreter 18 Monate zuvor auf einer Informationsveranstaltung (siehe Punkt 17) mündlich abgegeben haben. Am 31.7.2015 teilt das Mediationsbüro der Dipl.Ing. Gabriele Kotzke aus Hamburg der Interessensgemeinschaft-Josefsviertel den Grund dafür mit: Die Verwaltung könne der Interessengemeinschaft nicht ohne einen Gremienbeschluss antworten, „und „der Gremienbeschluss würde dann wieder Festlegungen treffen müssen, die möglicherweise nicht alle Interessen in ausreichendem Maße berücksichtigen.“ Damit war die Mediation beendet, bevor Gespräche überhaupt zustande kommen konnten.
24. Vorläufige Einigung
Dann funktioniert es doch noch: "Nach einem fast 2-jährigen, teils heftigen Konflikt zwischen den Bewohnern des Josefsviertels und der Stadt, kommt es am 07.12.2015 zu einem direkten Gespräch zwischen Vertretern der Interessensgemeinschaft-Josefsviertel und des Ahauser Bauamtes. Einigkeit besteht darin, einen Neuanfang der Planungen für das Josefsviertel mit dem Ziel möglich zu machen, die besonderen Qualitäten des Wohngebietes zu erhalten und gleichzeitig eine zukünftige Entwicklung zu ermöglichen und zu steuern.
Die Gesprächsergebnisse werden in sieben Punkten zusammengefasst:
(1)
Die prämierten Wettbewerbsergebnisse des Europan 12-Wettbewerbs sind nicht mehr Leitgedanke der weiteren Planung für das Josefsviertel.
(2)
Die IG Josefsviertel ist nicht grundsätzlich gegen die Erstellung eines Bebauungsplans
(3)
Die IG Sprecher informieren die Mitglieder der Interessengemeinschaft Josefsviertel über das Gesprächsergebnis und laden ggf. Vertreter der Stadt Ahaus zur näheren Erläuterung der weiteren Planungen ein.
(4)
Die IG-Josefsviertel erarbeitet einen Vorschlag, wie eine Beteiligung der Bewohner des Josefsviertel an den weiteren Planungen im Viertel (insbesondere die Bestandsaufnahme) organisiert werden kann.
(5)
Die Stadt beauftragt ein mit der Aufgabe „Planung in Einfamilienhaus-Bestandgebieten“ vertrautes Planungsbüro mit der Erarbeitung einer Projektskizze zum weiteren Planungsablauf.
(6)
Es findet ein Austausch zwischen der IG und der Stadt Ahaus dazu statt.
(7)
Ziel der Bauverwaltung ist es, am 17.03.2016 einen Beschluss über die weiteren Ziele und Verfahrensschritte der Planung für das Josefsviertel herbeizuführen.
Die Sprecher der Interessengemeinschaft-Josefsviertel koppelten die Ergebnisse am 14.12.2015 ihren Mitgliedern rück. Die Versammlung der IG-Josefsviertel trägt das geplante Vorgehen mit, betont aber, dass es hier eine erste Annäherung gegeben habe, was nicht bedeute, dass alle Probleme bereits gelöst seien." (Gemeinsame Presseerklärung der Interesssengemeinschaft, der Stadt Ahaus und des Moderationsbüros.)
Die Regionale 2016 soll nun als Möglichkeit zu Generierung von Zuschüssen zur Erstellung eines Bebauungsplanes genutzt werden, wobei die Erhaltung des Viertels im Vordergrund steht. Die Interessengemeinschaft will weiter auf dem Kiwif bleiben und behält sich vor, die Zusammenarbeit mit der Stadt zu beenden.
Als Erfolg sieht sie es an, dass der Rat in Ahaus mehrfach den Widerstand der Bevölkerung zu spüren bekommen hat. So wurde der CDU-Kandidat für das Amt des Bürgermeisters von der parteilosen Gegenkandidatin Karola Voß weitabgeschlagen überholt.
Wie lange sie sich ihre Bürgernähe erhalten kann, bleibt abzuwarten. Walter Fleige jedenfalls leitet nach wie vor den Fachbereich Stadtplanung und Werner Leuker das Büro der Bürgermeisterin.
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* Die Namen der spanischen ArchitektInnen, deren Entwürfe angekauft wurden, sind: Juan Marcos Rodriguez Diaz, Conxa Gene Garcia, Carmen Largacha Polo, Joan Alomar Mateu, Javier Inigo Moreno Ventas, Inaki Llorens Canosa.(Leider fehlen über den "n"s die Schlängelchen, aber ich weiß nicht, wo die zu finden sind!)
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** Auf dem Gelände der Uranfabrik in Gronau lagern 20.000 Tonnen abgereicherten Uranhexafluorids unter freiem Himmel. "Experten" schätzen, dass allenfalls zwei bis drei Wochen nötig seien, um in der Anlage Atomwaffen-Material herzustellen. Betrieben wird die Urananreicherungsanlage in Gronau von der Firma Urenco. Sie hat weitere Uranfabriken in Großbritannien, Holland und den USA. Daran sind die Energiekonzerne E-on und RWE mit einem Sechstel beteiligt.
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