Köln, 2013 Foto: H.S.
13.05.2014
Die neue Regelung des Rundfunkbeitrags ist laut einer Entscheidung des Verfassungsgerichtshofs von Rheinland-Pfalz, der in Koblenz Recht spricht, verfassungskonform.
Über die bisherige Geschichte der Rundfunkzwangsabgabe lesen Sie mehr in dem Beitrag "Zwangsabgabe eskaliert - Prozess in London" unter: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=5140 oder unter dem untenstehenden link.
Pressemitteilung des Verfassungsgerichthofs Rheinland-Pfalz zur Neuregelung der Rundfunkfinanzierung
I.
Der Landtag Rheinland-Pfalz hat mit Gesetz vom 23. November 2011 (GVBl. S. 385) dem 15. Rundfunkänderungsstaatsvertrag zugestimmt. Dieser beinhaltet insbesondere eine Neuregelung der Rundfunkfinanzierung ab dem 1. Januar 2013. Danach müssen Unternehmen Rundfunkbeiträge zahlen, deren Höhe von der Zahl der Betriebsstätten, der dort beschäftigten Mitarbeiter sowie der gewerblich genutzten Kraftfahrzeuge abhängt. Neben Auskunftspflichten der Beitragsschuldner sowie Datenerhebungsrechten der Landesrundfunkanstalten ist ein einmaliger Datenabgleich mit den Meldebehörden angeordnet.
Die Beschwerdeführerin, ein gewerbliches Unternehmen mit mehreren Niederlassungen in und außerhalb Rheinland-Pfalz, sieht sich durch die nunmehrige Ausgestaltung der Beitragspflicht, die ihr auferlegten Anzeige-, Auskunfts- und Nachweispflichten, die vorgesehene Datenverarbeitung sowie die angeordnete Fortgeltung von Lastschriften und Einzugsermächtigungen in ihrer durch die Landesverfassung gewährleisteten Eigentums-, Gewerbe-, Informations- und allgemeinen Handlungsfreiheit sowie in ihrem Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt; zudem verstoße die Neuregelung gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz.
II.
Der Verfassungsgerichtshof wies die Verfassungsbeschwerde in Teilen als unzulässig und im Übrigen als unbegründet zurück.
1.
Die Beschwerdeführerin könne sich nicht unmittelbar vor dem Verfassungsgerichtshof gegen Einzelheiten der Beitrags- und der Datenerhebung wenden. Diese müssten vielmehr zunächst durch die Verwaltungsgerichte geklärt werden, weshalb die Verfassungsbeschwerde insoweit unzulässig sei. Zudem sei ein Verstoß gegen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie gegen die Berufs-, Gewerbe-, Eigentums- und Informationsfreiheit von vornherein offenkundig ausgeschlossen; deren Schutzbereiche würden durch die Neuregelung der Rundfunkfinanzierung nicht berührt.
2.
Zulässig sei die Verfassungsbeschwerde jedoch, soweit die Beschwerdeführerin die Gesetzgebungskompetenz des Landes bestreite und einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot rüge. Diesbezüglich sei sie allerdings unbegründet.
a) Das Land sei für die Neuregelung der Rundfunkfinanzierung zuständig gewesen. Bei dem Rundfunkbeitrag handele es sich nicht um eine Steuer, für deren Regelung das Land keine Gesetzgebungskompetenz habe, sondern um einen – in der Zuständigkeit der Länder liegenden – Beitrag im abgabenrechtlichen Sinn. Maßgebliches Abgrenzungskriterium hierfür sei nicht die Bezeichnung der Abgabe. Vielmehr komme es darauf an, ob sie dem Ausgleich besonderer staatlich gewährter Vorteile diene (Beitrag) oder hiervon unabhängig zur Finanzierung allgemeiner staatlicher Aufgaben auferlegt werde (Steuer). Der Rundfunkbeitrag sei vom Gesetzgeber so ausgestaltet worden, dass er als Gegenleistung für die grundsätzliche Möglichkeit des Rundfunkempfangs erhoben werde. Diese Konnexität von Abgabenlast und staatlicher Leistung folge zudem daraus, dass sowohl die Höhe als auch die Verwendung der Rundfunkabgabe von Verfassungs wegen durch den Finanzbedarf der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten nicht nur bestimmt, sondern zugleich auch begrenzt seien. Durch eine beitragsbasierte Rundfunkfinanzierung werde weder die bundesstaatliche Finanzverfassung gefährdet noch würden deren Verteilungsregeln umgangen. Der erforderliche Schutz der Beitragspflichtigen werde dadurch gewahrt, dass die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten – KEF – bei ihrem Beitragsvorschlag nicht nur den Bedarf der Anstalten, sondern auch die Belastung der Bürger berücksichtigen müsse. Der Einordnung als nichtsteuerliche Abgabe widerspreche schließlich nicht die Zahl der Beitragspflichtigen. Bezugsrahmen für die Feststellung eines „besonderen“ Vorteils sei nicht die Stellung des Abgabepflichtigen im Vergleich zur restlichen Bevölkerung. Maßgeblich sei vielmehr die Abgrenzung der zu finanzierenden Aufgabe gegenüber den Gemeinlasten, d. h. den allgemeinen staatlichen Aufgaben.
b) Die Bereitstellung öffentlich-rechtlichen Rundfunks sei ein Vorteil nicht nur für die Bürgerinnen und Bürger, sondern auch für den sog. nicht privaten – gewerblichen bzw. unternehmerischen – Bereich. Öffentlich-rechtlicher Rundfunk diene der freien individuellen und öffentlichen Meinungsbildung; ihm obliege die Sicherung der Meinungsvielfalt sowie Informationsfreiheit als wesentliche Grundpfeiler demokratischer Gesellschaften. Wegen seiner Breitenwirkung, Aktualität und Suggestivkraft komme ihm hierbei eine im Vergleich zu anderen Medien herausgehobene Bedeutung zu. Von einer funktionierenden, auf einer von politischen und finanziellen Interessen unbeeinflussten Meinungs- und Informationsfreiheit aufbauenden Demokratie profitierten nicht nur die Bürgerinnen und Bürger. Vielmehr sei eine freie wirtschaftliche Betätigung allein in einem demokratischen Umfeld möglich. An der gesellschaftlichen, insbesondere der politischen Meinungsbildung wirkten Unternehmen und ihre Verbände zudem passiv wie aktiv mit. Weitere Vorteile ergäben sich daraus, dass der Rundfunk eine wichtige Informationsquelle wirtschafts- und erwerbsrelevanter Informationen sei.
c) Die Ausgestaltung der Beitragserhebung verstoße nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz. Insoweit könnten die Vielgestaltigkeit der rechtlichen und tatsächlichen Anforderungen an eine zeitgemäße Rundfunkfinanzierung, die nicht zuletzt in dem Umfang und der Dauer der Gesetzesberatungen zum Ausdruck kämen, die Erfahrungen mit dem bisherigen Rundfunkgebührenrecht wie auch das mit einer solchen Umgestaltung zwangsläufig verbundene prognostische Element nicht unbeachtet bleiben. Jede gesetzliche Regelung müsse generalisieren. Dies gelte insbesondere bei der Ordnung von Massenerscheinungen, wie sie gerade im Abgabenrecht aufträten. Der Gesetzgeber sei daher gezwungen, aber auch berechtigt, seinen Entscheidungen ein Gesamtbild zugrunde zu legen und dieses in generalisierenden, typisierenden und pauschalierenden Regelungen umzusetzen. Damit unvermeidlich verbundene Härten allein verstießen nicht schon gegen den allgemeinen Gleichheitssatz.
aa) Die unterschiedliche Ausgestaltung der Rundfunkbeitragspflichten im privaten und im nicht privaten Bereich folge aus der – im Ermessen des Gesetzgebers liegenden – Entscheidung, die Beitragspflicht nicht mehr von dem Vorhalten eines Rundfunkempfangsgeräts abhängig zu machen, sondern an die grundsätzlich unbeschränkte Möglichkeit des Rundfunkempfangs anzuknüpfen und die Beitragshöhe anhand einer typisierten, insbesondere auf die jeweils übliche bzw. mögliche Nutzungsintensität sowie den zu erwartenden Vorteil abstellenden Rundfunknutzung zu bestimmen. Insoweit verstoße es nicht gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, dass der Gesetzgeber diese Kriterien im privaten sowie im nicht privaten Bereich unterschiedlich bewertet habe. Beide Bereiche unterschieden sich so grundlegend voneinander, dass eine einheitliche Maßstabsbildung ausgeschlossen, zumindest jedoch nicht zwingend sei. So habe der Gesetzgeber bei der Entscheidung, Kraftfahrzeuge nicht auch im gewerblichen Bereich unabhängig von ihrer Zahl beitragsfrei zu lassen, berücksichtigen dürfen, dass Fahrzeuge im nicht privaten Bereich Erwerbszwecken dienten und steuerlich als Betriebsvermögen abgesetzt werden könnten. Dass Rundfunk im Auto intensiver als während sonstiger beruflicher Tätigkeiten genutzt werde, entspreche wiederum allgemeiner Lebenserfahrung; dem habe der Gesetzgeber bei der Bemessung der Beiträge Rechnung tragen können.
bb) Zu der gesetzgeberischen Annahme einer grundsätzlich überall – wenn auch in unterschiedlicher Intensität – erfolgenden Rundfunknutzung als Maßstab für die Berechnung der Beitragshöhe lägen bislang keine Erfahrungen vor. Jedoch müssten nach statistischen Erhebungen voraussichtlich rund 70 v.H. der Betriebsstätten lediglich den ermäßigten Beitrag von einem Drittel und weitere 20 v.H. nur einen vollen Rundfunkbeitrag zahlen. Zudem dürfe eine Typisierung und Pauschalierung ausnahmsweise ohne hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte erfolgen, wenn sich aufgrund der Eigenarten der zu regelnden Lebenssachverhalte ein Regelfall nicht feststellen lasse und hiermit nur eher geringfügige Belastungen einhergingen. Diese Voraussetzungen seien vorliegend gegeben: Pro Beschäftigtem belaufe sich der Beitrag auf zwischen 5,99 € und weniger als 0,11 € im Monat und damit auf Bruchteile der Personalkosten; auch der für betrieblich genutzte Kraftfahrzeuge zu zahlende Beitrag von 5,99 € monatlich wirke sich gegenüber den sonstigen Betriebskosten nicht aus.
cc) Gleichheitsrechtlich unbedenklich sei des Weiteren die Entscheidung, der Zuteilung zu den einzelnen Beitragsgruppen nicht die Zahl der bei einem Betriebsstätteninhaber insgesamt, sondern der in den jeweiligen Betriebsstätten Beschäftigten zugrunde zu legen. Zwar könne dies zu einer unterschiedlichen Beitragsbelastung von Betriebsstätteninhabern trotz gleicher Gesamtbeschäftigtenzahl führen. Eine solche Ungleichbehandlung begegne jedoch deshalb keinen gleichheitsrechtlichen Bedenken, weil damit eine Besserstellung von Filialbetrieben gegenüber den mit ihnen vor Ort im Wettbewerb stehenden Einzelbetrieben verhindert werden solle. Eine weitere Unterscheidung der Beitragspflicht danach, ob Betriebsstätten tatsächlich in einem solchen Konkurrenzverhältnis stehen, scheide angesichts des damit verbundenen Vollzugsaufwands sowie des Fehlens trennscharfer Abgrenzungskriterien aus.
dd) Ebenfalls verfassungskonform sei es, die Abgabenlast im nicht privaten Bereich nicht linear anhand der Zahl der Beschäftigten, sondern dadurch degressiv auszugestalten, dass diese zu Gruppen zusammengefasst würden und der auf den einzelnen Mitarbeiter entfallende Beitrag mit zunehmender Zahl der Beschäftigten abnehme. Insbesondere widerspreche dies nicht dem der Neuregelung zugrunde liegenden Prinzip, die Beitragspflicht an die (potenziellen) Rundfunknutzer anzuknüpfen. Letzteres sei auch dann gewahrt, wenn sich die Zahl möglicher Rezipienten nicht in dem auf den einzelnen Mitarbeiter entfallenden Beitrag, wohl aber in der Gesamthöhe der geschuldeten Beiträge widerspiegele.
ee) Eine Rücksichtnahme auf weitere atypische Fälle sei derzeit verfassungsrechtlich nicht geboten. Der Gesetzgeber müsse jedoch die Entwicklung des Rundfunkbeitragsrechts einschließlich der hierzu wechselbezüglichen technischen Veränderungen kontinuierlich beobachten. Ihm – wie auch den Verwaltungsgerichten – obliege insbesondere die fortlaufende Prüfung, ob extreme Härtefälle eine abweichende verfassungsrechtliche Bewertung (Einführung einer Härtefallregelung auch im nicht privaten Bereich) erforderten. Solche habe die Beschwerdeführerin für sich nicht darlegen können. Zu deren Begründung könne jedenfalls nicht allein geltend gemacht werden, trotz bestehender Möglichkeit hierzu werde tatsächlich kein Rundfunk empfangen; auch eine etwaige Mehrbelastung gegenüber dem bisherigen Rundfunkgebührenrecht sei insoweit unbeachtlich.
d) Die Rundfunkbeiträge seien schließlich verhältnismäßig. Sie beliefen sich auf einen nur geringen Prozentsatz der Personal- und Betriebskosten. Auch die von der KEF prognostizierten Mehreinnahmen zögen die Verhältnismäßigkeit nicht in Zweifel. Die vollständige Neugestaltung der Rundfunkfinanzierung erfordere eine prognostische Entscheidung des Gesetzgebers, mit der Ungenauigkeiten und Abweichungen zwangsläufig verbunden seien. Eine von Anbeginn bestehende Aufkommensneutralität sei deshalb nicht Voraussetzung der Verfassungsmäßigkeit des gesetzgeberischen Handelns. Die geschätzten Mehreinnahmen beliefen sich zudem zwar auf mehr als 1,1 Mrd. €, wichen hiermit jedoch nur um 3,7 v.H. von dem von der KEF festgestellten Finanzbedarf ab. Darüber hinaus gewährleiste das Rundfunkfinanzierungsrecht, dass etwaige Mehreinnahmen bei der Berechnung des zukünftigen Finanzbedarfs berücksichtigt würden und sich letztlich nicht zu Lasten der Beitragspflichtigen auswirkten.
Urteil vom 13. Mai 2014, Aktenzeichen: VGH B 35/12
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