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Volontärin frisst FAZ-Niveau auf

Los Angeles, 1977 Foto: H.S.

05.09.2013 - von Hanne Schweitzer

Kennen Sie den sogenannten Rentenzuschuss der Bundes? Persönlich wird er Ihnen noch nicht begegnet sein, aber gehört haben Sie bestimmt schon davon. Wie einige MitarbeiterInnen der Frankfurter Allgemeinen. In ihrer online-Ausgabe veröffentlichte die Zeitung am 4.9. auf der Wirtschaftsseite einen Artikel mit der Überschrift: "Die Rente frisst den Bundeshaushalt auf". Als Autorin des Textes zeichnete eine Redaktionsvolontärin verantwortlich, deren Tauglichkeit für die Bearbeitung der Themen "Rente" und "Rentenzuschuss" durch ihr Studium der Philosophie, Politik- und Wirtschaftswissenschaften sowie Internationale Beziehungen an der Universität Oxford von ihren Ausbildern wohl als gegeben vorausgesetzt wurde.

Der Artikel begann so:
"Deutschland nimmt so viel Geld ein wie nie. Doch der Regierung reicht das nicht. Glaubt man der Politik, fehlt es für wichtige Aufgaben an allen Ecken und Enden. Wo geht das viele Geld hin? In die Taschen der Rentner.

Um die dreiste Behauptung zu belegen, fragt sie erneut: "Wofür gibt der Staat das meiste Geld aus?" Diesmal antwortet sie differenzierter: Die öffentliche Debatte kennt viele Ausgabenposten: Arbeitslose (Hartz IV!), Familienpolitik (Betreuungsgeld!), vermeintlich unwirtschaftliche Unternehmen (Subventionen!). Doch ein Blick auf die Zahlen zeigt: Beinahe 30 Prozent der Ausgaben des Bundes landen alljährlich auf den Konten der Rentner. Mehr als die Hälfte der zusätzlichen Ausgaben seit dem Jahr 1992 entfallen auf den Rentenzuschuss des Bundes."

Aber so richtig zufrieden ist sie mit der Antwort noch immer nicht. Ein paar Zeilen weiter will sie wissen: "Wofür geht das ganze Geld drauf?" Tja wofür? Wer bekommt den dicksten Batzen? Diesmal sind es jedenfalls nicht die Rentner:"Den größten Anteil an den Ausgabensteigerungen der letzten 20 Jahre hat der Rentenzuschuss des Bundes, der sich seit der Wiedervereinigung um 50 Milliarden Euro erhöhte." Und warum der erhöht wurde, erfahren wir nun auch. "Mit dem Rentenzuschuss schließt die Bundesregierung die Lücke zwischen dem Geld, das die Rentenversicherung mit den Beiträgen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern einnimmt, und den Beträgen, die tatsächlich an die Rentner ausgezahlt werden." Der Bundeszuschuss als Lückenbüsser, das ist leider FALSCH.

Der Artikel verschwindet und ein neuer erscheint
Am selben Tag, um 12 Uhr 32 war der Artikel verschwunden, ebenfalls das Foto mit dem zur Illustration des Themas Rente üblichen Motiv Parkbank und Rentner. Die Bildunterschrift hatte gelautet: "Auch ihnen hilft der Bundeszuschuss: Rentner auf einer Parkbank".

Der neu eingestellte Text erscheint im selben Ressort, mit dem selben Thema und dem gleichem Autorennamen. Dazu das Foto einer Geldbörse auf der vier Münzen liegen. Darunter die Bildunterschrift: "Um das Rentenniveau zu halten, zahlt der Bund hohe Zuschüsse". Sachlickeit statt Emotion.

Die Headline des Artikels heißt nun: [i]"Wie die Rente den Bundeshaushalt eroberte"
. Erster Satz: "Die Rente frisst den Bundeshaushalt auf. Warum sie das tut, wird nun so erklärt: "Der Rentenkasse wurde sozialpolitisch viel zugemutet: Etwa die nicht gezahlten Beiträge aus Erziehungszeiten zu kompensieren oder Vertriebene im Alter angemessen zu versorgen."

Hat niemand der jungen Frau während ihres Studiums oder Volontariats gesagt, dass es einen Begriff für diese sozialpolitischen Zumutungen gibt? Dass man sie, auch wenn es weder eine rechtsverbindliche Definition gibt noch exakte Zahlen, weil keine gesetzliche Verpflichtung der Deutschen Rentenversicherung-Bund zu ihrer jährlichen Berechnung besteht, VERSICHERUNGSFREMDE LEISTUNGEN nennt, dass seit 1957 versicherungsfremde Leistungen aus den Rentenkassen bezahlt werden, und der Verband Deutscher Rentenversicherungsträger sie definiert hat als ALLE LEISTUNGEN DER GESETZLCHEN RENTENVERSICHERUNG, die nicht in vollem Umfang durch Beiträge gedeckt sind? Folge: Nur Rentenversicherte, aber weder Beamte noch Selbstständige, Gutverdiener oder Politiker bezahl(t)en mit ihren Beiträgen Aufgaben der Allgemeinheit, zu denen u.a. gehör(t)en: Kriegsfolgelasten ab 1957, Anrechnungszeiten, Wiedergutmachungsleistungen an israelische und polnische Bürger, Transferleistungen in die neuen Bundesländer.

Weil nun aber im zweiten Text darüber geklagt wird, dass die "zusätzlichen Aufgaben" vom Staat "weder durch Kürzungen in anderen Bereichen noch durch zusätzliche Einnahmen, etwa höhere Rentenbeiträge" kompensiert werden, sei die Frage gestattet: Weiß in der Wirtschaftsredaktion der FAZ niemand, dass noch in keinem einzigen Jahr seit Bestehen der umlagefinanzierten Rentenversicherung die VERSICHERUNGSFREMDEN LEISTUNGEN durch sogenannte Bundeszuschüsse komplett erstattet wurden? Oder darf dass bloß keiner schreiben?

Link: versicherungsfremde-leistungen-nach-vdr/drv 1957-bis-2011-teufel-tabelle
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung

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05.09.2013: Minijob bedeutet Grundsicherung im Alter
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