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Daimler: Hungerlohn ist fiese Realität

Bad Frankenhausen, 2010 Foto H.S.

13.06.2013 - von Hans-Jürgen Butschler, Michael ClaussBetriebsräte

Gewundert hat es uns natürlich nicht, dass die Unternehmensleitung alle von uns und den Medien erhobenen Vorwürfe weit von sich weist. Die hilflos wirkenden Schutzbehauptungen lauten beispielsweise: Werkvertrags-Mitarbeiter werden nicht von Daimler-Kollegen eingelernt.
Es gibt keine Einbindung in den Arbeitsprozess der Daimler-Belegschaft. Es erfolgen keine direkten Anweisungen durch Daimler-Kollegen.

Dabei versuchen die Verantwortlichen krampfhaft, dem Vorwurf der illegalen Arbeitnehmerüberlassung zu begegnen. Dem entgegen stehen allerdings die zahlreichen Berichte von Kollegen, dass direkte Kommunikation, direkte An- oder Einweisung, ja sogar gegenseitige Unterstützung bei der Arbeitsausführung vorkommt. In einigen Werkverträgen, die wir eingesehen haben, ist die kostenlose Überlassung von Betriebsmitteln durch Daimler aufgeführt. Diese ist unserer juristischen Beratung nach auch illegal.

Aber das alles trifft überhaupt nicht des Pudels Kern. Ob legal oder illegal - eines ist und bleibt halt einfach die empörende Wahrheit: Daimler vergibt Werkverträge um Lohnkosten zu sparen.

Personalvorstand Wilfried Porth erklärt das gegenüber den Stuttgarter Nachrichten folgendermaßen: „Daimler kann sich im internationalen Wettbewerb nicht leisten, in der gesamten Wertschöpfungskette Metalltarife zu zahlen.“ Deshalb werden also bei Daimler über Werkverträge „Hungerlöhne“ eingeführt. Die DIWA -Preymesser-Leiharbeiter in der Achsmontage verdienen 8,19 Euro brutto in der Stunde. Macht für einen Alleinstehenden ca. € 900,- im Monat.

Wie soll man davon leben? In Stuttgart geht da locker die Hälfte für Miete drauf. Auto oder Fahrkarte, Telefon, Strom, Wasser, Versicherung, Lebensmittel, … das reicht doch hinten und vorne nicht.

Keine Daimler-Jobs in Gefahr?
Was für eine dumme Behauptung der Werkleitung. Natürlich werden mit jeder dieser Werkvertragsvergaben genauso wie bei Leiharbeit Daimler-Jobs zu Daimler-Arbeitsbedingungen vernichtet. Und die Billigjobber wird Daimler in Krisen oder bei weiteren Auslandsverlagerungen ganz leicht los - einfach abmelden.

Widerstand ist angesagt !
Die großteils taktentkoppelten Tätigkeiten brauchen wir dringend für die Mitarbeiter, die sich in der Fabrik kaputtgeschuftet haben. Überall wo diese per Werkvertrag und Hungerlohn fremd vergeben werden, müssen wir wieder auf der vollen Steinkühlerpause bestehen. Schließlich waren diese Umfeldaufgaben im Rahmen der Gruppenarbeit die Begründung für Reduzierung der Pausen. Und Mehrarbeitsanträgen sollten wir Betriebsräte dort auch nicht mehr zustimmen. Nur wenn Produktionszahlen in Gefahr sind, haben wir eine echte Chance Hungerlöhne abzuwenden!

Und wenn Herr Porth sagt, dass Daimler sich die Metalltarife nicht leisten kann, sagen wir: Wir können und wollen uns so einen Vorstand nicht mehr leisten!

DAIMLER OBEN UND UNTEN:
Zetsche, Vorstandsboss, Jahresgehalt 8,2 Millionen €
Euro 30.000,- in einem Tag
Euro 700.000,- in ca. einem Monat
Altersvorsorge 39,6 Millionen Euro

DIWA, Leiharbeiter, Monatsgehalt 1.250 €
Euro 30.000,- in zwei Jahren
Euro 700.000,- in einem Arbeitsleben
Voraussetzung für Grundrente wären 40 Jahre á € 2.000,-
monatlich gewesen.

Diktatur einer gesichtslosen Wirtschaft
Der SWR Bericht über „Hungerlöhne am Fließband“ hat deutlich gezeigt unter welchen Bedingungen Menschen heutzutage ihren Lebensunterhalt verdienen müssen. Der Mensch wird nur noch als Ware betrachtet und gnadenlos ausgebeutet. Auf Beschwerden über Arbeitsbedingungen
reagieren die Verantwortlichen nicht und wenn der eine nicht mehr kann, wird sich sicher ein anderer Mensch für den Job finden. Beschäftigte der Firma Preymesser haben mir berichtet, dass Kollegen nach oftmals nur 14 Tagen Arbeit einfach nicht mehr erschienen sind, weil sie nicht mehr konnten. Die, die durchhalten, sind dann auf Einkommensunterstützung durch den Staat, sprich: die Gesellschaft, sprich: den Steuerzahler angewiesen. Exakt so wie es in der Reportage
dargestellt wurde.

Die Zustände in der Firma Daimler sind nur ein Abbild der betrieblichen Zustände in diesem Land. Auch wenn ein Sachverhalt juristisch nicht anfechtbar ist, so ist er moralisch noch lange nicht in Ordnung. Wir leben anscheinend tatsächlich in einer Diktatur der gesichtslosen Wirtschaft.

Die Aktionäre, die niemals den Betrieb betreten, bestimmen durch ihre übersteigerten Gewinnerwartungen den Arbeitsalltag von Millionen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern. Diese Gier – und nicht die globalen Wettbewerbsbedingungen - sind die Ursachen für diese Missstände. Denn gerade die „global players“ der Automobil-, Maschinenbau- und Automatisierungsbranche machen fette Gewinne im Gegensatz z.B. zum Dienstleistungsbereich, der sich im Inland behaupten muss.

Ich kann dem SWR und dem Reporter Jürgen Rose nur gratulieren, dieses gesellschaftliche Problem, das durch Menschen mit Gesichtern geschaffen wurde, in dieser Form zu skandalisieren. Betriebsräte
und Gewerkschaften müssten auf breiter Front applaudieren, denn ein solcher Journalismus kann ihnen nur bei ihrer Arbeit helfen.

Übrigens, am 29.05.2013 war ich am „Tatort“ in der Kostenstelle 1791 in der diese Reportage gemacht wurde. Als ich das Gespräch mit anwesenden Kollegen suchte, erschien Meister Joachim Gaida und hat diesen Kollegen Redeverbot erteilt. Entweder wissen PMO-Führungskräfte
nicht, dass Betriebsräte jederzeit das Recht haben, sich mit Kollegen
auszutauschen. Oder es gibt doch etwas zu verbergen, was ich
nach diesem Auftritt für wahrscheinlicher halte.

Link: Daimler: Staffellauf der Zumutungen
Quelle: Alternative Nr. 120

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