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Kindererziehungszeiten in den Wahlprogrammen d. Parteien

Yika Shonibare MBE, Berlin,Friedrichswerdersche Kirche 2010Foto: H.S.

05.06.2013 - von Hanne Schweitzer

Wahlprogramme sind Absichtserklärungen. Sie sind unverbindlich und niemand weiß, ob sie später, wenn die Partei in der Regierung oder der Opposition sitzt, noch gültig sind.

Was steht in den Wahlprogrammen der Parteien über eine Erhöhung der Kindererziehungszeiten in der Rente für alle Mütter, die vor 1992 Kinder geboren und erzogen haben? „Die Gleichheit aller Menschen vor dem Gesetz und der Schutz vor Diskriminierung sind ein allgemeines Menschenrecht“, heißt es im Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaft. Für ältere Mütter gilt dieses Gleichheitsgebot nicht. Sie werden bei der Anrechnung der Kindererziehungszeiten in der gesetzlichen Rentenversicherung erheblich benachteiligt.

Wer Kinder erzogen hat, die vor dem 1. Januar 1992 geboren wurden, erhält pro Kind einen Entgeltpunkt in der Rente als Anwartschaft gutgeschrieben. Im Westen sind das 28,07 Euro, im Osten 24,92 Euro pro Kind und Monat. Für Kinder, die nach 1992 geboren wurden, gibt es dagegen für jedes Kind drei Entgeltpunkte. Das sind 84,21 Euro pro Kind im Westen bzw. 74,76 Euro pro Kind und Monat im Osten. [/b]

Ältere Mütter sind also deutlich schlechter gestellt als die jüngeren. Viele müssen ihre Rente aus der Grundsicherung aufstocken. Das belastet die Sozialkassen der Städte, Landkreise und Gemeinden. Eigentlich müssten also auch die Kommunen an der Gleichbehandlung der älteren Mütter interessiert sein. Aber der Deutsche Städtetag interessiert sich nicht für das Thema und die Mehrheit der Parteien auch nicht.

Nach dem Studium von sechs Wahlprogrammen hier das Ergebnis:
Drei Parteien sagen in ihren Wahlprogrammen KEIN EINZIGES WORT über eine Erhöhung der Rentenpunkte für Kindererziehung vor 1992. Drei Parteien erwähnen eine Erhöhung der Kindererziehungszeiten. Nur eine Partei sagt, WANN das geschehen soll. KEINE Partei will die Mütterrenten der älteren Frauen um DREI Punkte erhöhen. KEINE Partei sagt, ob auch Mütter, die bereits in Rente sind, von einer Erhöhung profitieren würden. Nur die CDU/CSU sagt, WIE eine eventuelle Erhöhung finanziert werden soll und ab wann.

  • • Im Wahlprogramm der SPD steht kein Wort über eine Erhöhung der Rentenpunkte für Frauen, die vor 1992 Kinder erzogen haben. Im Rgeirungsprogramm 2013-2017 der SPD steht: "Wir wollen in angemessenem Umfang Berücksichtigungszeiten auch auf Eltern ausdehnen, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, und so gezielt Rentenansprüche für Eltern verbessern, die wegen fehlender Betreuungsinfrastruktur nicht Vollzeit arbeiten konnten."
  • • Im Wahlprogramm der Piratenpartei kommt das Wort Kindererziehungszeiten nicht vor.

  • • Im Wahlprogramm der FDP kommt das Wort Kindererziehungszeiten nicht vor.
  • • Im Wahlprogramm der Grünen heißt es: „Kindererziehungszeiten stärker anrechnen”. Wann das erfolgen soll, steht nicht geschrieben, ob es auch für Mütter gelten soll, die schon in Rente sind, genauso wenig. Es fehlt eine Aussage darüber, ob die älteren Mütter ebenfalls drei Rentenpunkte erhalten sollen, wie die jüngeren Mütter. Es wird nicht gesagt, wie und durch wen die „stärkere Anrechnung“ finanziert werden soll.
  • • Im Wahlprogramm der Linken steht der Satz: “Zeiten der Kindererziehung der Erwerbslosigkeit, Kindererziehung und Pflege müssen deutlich besser abgesichert werden, damit sie nicht zu Armutsrenten führen.“
  • • Im Entwurf des Wahlprogramms von CDU/CSU steht: “Ab 2014 wollen wir für alle Mütter oder Väter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, die Erziehungsleistung mit einem zusätzlichen Rentenpunkt in der Alterssicherung berücksichtigen. Das entspricht bei zwei Kindern durchschnittlich 650 Euro mehr Rente im Jahr. Diese bessere Anerkennung ist durch die gute finanzielle Situation der Rentenversicherung und vorhandene Mittel aus dem Zuschuss des Bundes möglich." Dazu muss man wissen: Ein Punkt mehr kostet ca. 6.5 Milliarden Euro. Der Vorschlag, das Geld doch einfach aus der Rentenkasse zu nehmen, kam von der CSU. Und zu den Steuerzuschüssen muss man wissen: Die Steuerzuschüsse zur Rentenversicherung decken schon seit Jahren nicht die versicherungsfremden Leistungen, die aus der Rentenkasse gezahlt werden. Ausserdem wurden diese Steuerzuschüsse im Bundeshaushalt 2013 und im Finanzplan bis 2016 um 4,75 Milliarden Euro gekürzt! (Verabschiedung des Regierungsprogramms von CDU/CSU am 23. Juni 2013.) Am 23.6.2013 war auf der Pressekonfernz nicht mehr davon die Rede, dass die Erhöhung um einen Punkt ab 1.1.2014 kommen soll!!!


  • Zur Rechtfertigung der sachlichen Ungleichbehandlung älterer Mütter durch ein willkürlich gewähltes Stichjahr gibt es kein einziges Argument. Kindererziehung muss unabhängig davon, wann sie erfolgt ist, für jedes Kind mit drei Entgeltpunkten anerkannt werden. Nur so lassen sich die erheblichen Lücken in den Erwerbsbiografien, die vor allem den älteren Frauen im Westen durch die Erziehung von Kindern entstanden sind, mildern.

    Bundeskanzlerin Merkel über die Kindererziehungszeiten:
    Am 28. Mai nutzte die Bundeskanzlerin im Gespräch mit CDU-Mitgliedern die Gelegenheit, sich zum Thema Kindererziehungszeiten zu äußern. Sie sagte: "Wir diskutieren und werden das in unser Wahlprogramm aufnehmen, dass wir für Kinder, die vor 92 geboren sind, die Mütterrente erhöhen wollen, d.h. die Anerkennung von Erziehungsjahren in der Rente verbessern wollen. Wir wissen, dass gerade Frauen, die vor Anfang der 90iger Jahre ihre Kinder bekommen haben, oft noch sehr viele Kinder haben. Und das wird eine deutliche Rentenaufbesserung sein. Wir wollen auch im zukünftigen Rentenrecht die Kindererziehungszeiten besser berücksichtigen."

    Was von den Medien verkauft wurde, als sei für die Rentenansprüche der älteren Mütter nun alles in trockenen Tüchern, erweist sich als heiße Luft. Wie viele Rentenpunkte mehr sollen die älteren Mütter für jedes Kind erhalten? Wann soll diese Erhöhung erfolgen? Sollen auch Mütter berücksichtigt werden, die bereits in Rente sind? Wie und von wem soll die Erhöhung bezahlt werden?

    Dazu berichtete die FAZ am 4.6.2013: Die Erhöhung der Kindererziehungszeiten für Mütter, deren Kinder vor 1992 geboren wurden, soll NICHT durch eine Erhöhung des Bundeszuschusses an die Rentenversicherung finanziert werden.
    Frau Hasselfeldt, CSU, will die Mütterrenten ab 1. Januar 2014 erhöhen. Eine Erhöhung der Rentenbeiträge zur Gegenfinanzierung sei „auf absehbare Zeit“ nicht erforderlich, sagte sie. Denn „momentan“ gebe es ein „Polster in der Rentenversicherung“. Als absehbaren Zeitraum nannte sie zwei (!) Jahre.

    Das Gespräch mit Frau Merkel siehe:
    http://www.youtube.com/watch?v=-49n_XrywKo

    Stand: 5.6. 2013

    Link: Kindererziehung: Wer glaubt an drei Rentenpunkte?
    Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung