24.11.2012
Der Bundesrat hat die Achte Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) gestoppt. Die Länder haben den Vermittlungsausschuss angerufen, weil sie sich gegen die Absicht wenden, die gesetzlichen Krankenkassen dem Wettbewerbsrecht zu unterstellen. Ziel ist es, zu verhindern, dass Missbrauchskontrollen von öffentlich-rechtlichen Gebühren und Beiträgen stattfinden. Ausserdem soll die mit einer kommunalen Gebietsreform verbundene Zusammenlegung von öffentlichen Einrichtungen und Betrieben nicht der Fusionskontrolle unterliegen.
Was war zuvor passiert?
Der Bundesminister für Wirtschaft und Technologie, Rösler und sein Parteikollege von der FDP, Gesundheitsminister Bahr, wollen die gesetzlichen Krankenkassen zu privatisierten Unternehmen umbauen, die miteinander konkurrieren.
Das sieht der aktuelle Entwurf zum "Achten Gesetz zur Änderung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen" (GBW) vor. Damit soll das Wettbewerbsrecht auf alle wettbewerblichen Tätigkeiten der Krankenkassen erweitert werden.
Dazu muss man wissen: Gesetzliche Krankenkassen sind bisher keine wirtschaftlichen Unternehmen, sondern trotz massiver Aushöhlung im Kern noch immer solidarische Organisationen. Gewinnerzielung und sogar die Bildung unbegrenzter Rücklagen sind ihnen gesetzlich verboten. Krankenkassen können kassenartenübergreifend zusammenarbeiten und auch die unterschiedliche Versichertenstruktur (Alter, Geschlecht, Krankheitshäufigkeit und -schwere) per Risikostrukturausgleich ausgleichen.
Konsequenz der Roeslerschen Forderung wäre: Krankenkassen werden wie Unternehmen behandelt. Für die gilt bekanntlich ein Kartellverbot. Folge: Der Europäische Gerichthof könnte sich, ganz zu Recht z.B. in einem Urteil auf die Seite der Pharmaindustrie schlagen, die schon mehrfach behauptet hat, das die Krankenkassen Kartelle seien. Dann wären z.B. keine Rabattverträge mit der Pharmaindustrie mehr möglich und auch der einheitliche Leistungskatalog der gesetzlichen Kassen stünde zur Debatte. H.S.
Dazu hat der DGB im Juni 2012 folgende Stellungnahme herausgegeben:
Erste Lesung des 8. GWB-ÄndG Am 27. Juni wird der Bundestagsausschuss für Wirtschaft und Technologie dazu eine öffentliche Anhörung durchführen. Obwohl im Entwurf Änderungen mit weitreichenden Konsequenzen für die gesetzlichen Krankenkassen enthalten sind, ist kein Anhörungsblock dazu vorgesehen. Vertreter der Beitragszahlerinnen und Beitragszahler sind eben so wenig geladen wie Vertreter der Krankenkassen.
Dieses Vorgehen ist nicht akzeptabel und wird der Bedeutung der geplanten Regelungen für die gesetzliche Krankenversicherung nicht gerecht.
II. Bewertung
Im 8. GWB-ÄndG-Entwurf sind Änderungen des SGB V enthalten, die eine ausgeweitete Anwendung kartellrechtlicher Regelungen auf die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) zum Gegenstand haben. Zudem soll das Bundeskartellamt (BKartA) verwaltungstechnisch zuständig werden, bei kartellrechtlichen Streitigkeiten die Zivilgerichte. Über rechtstechnische Verweise auf das GWB soll das allgemeine Kartellverbot (§ 1 GWB) auf das Verhältnis der Krankenkassen und ihrer Verbände untereinander sowie zu den Versicherten „entsprechend“ übertragen werden. Des Weiteren soll das kartellrechtliche Verwaltungsverfahren inklusive der Interventions- und Sanktionsmöglichkeiten des BKartA bzw. Dritter (z. B. Bußgeldverfahren, Gewinnabschöpfung, Schadensersatz- und Unterlassungsansprüche) „entsprechend“ zur Geltung gebracht werden. Auch soll bezüglich der Zusammenschlusskontrolle das Bundeskartellamt für freiwillige Kassenvereinigungen „entsprechend“ zuständig werden.
Der DGB lehnt die Regelungen insgesamt ab.
Krankenkassen sind keine freien Marktteilnehmerinnen. Das GWB zielt auf Unternehmen und Unternehmensvereinigungen mit den konstitutiven Merkmalen erwerbswirtschaftliches Prinzip, Prinzip des Privateigentums und des Autonomieprinzips. Dazu gehören Streben nach Gewinnmaximierung und Selbstbestimmung des Wirtschaftsplans. Diese Unternehmen sind frei in ihrem wirtschaftlichen Handeln.
Über diese wirtschaftlichen Freiheiten verfügen die gesetzlichen Krankenkassen als Einrichtungen der mittelbaren Staatsverwaltung nicht. Weder können sie über ihre Einnahmen oder ihre „Kundinnen und Kunden“ (d. h. Mitglieder und deren Angehörige) noch über den Großteil ihrer Ausgaben eigenständig bestimmen. Zudem ist ihnen Gewinnerzielung und sogar die Bildung unbegrenzter Rücklagen verboten.
Schon die Bildung von Rücklagen in gesetzlich erlaubter Höhe führt zu öffentlichen Debatten, diese abzuschmelzen. Die gesetzlichen Krankenkassen sind den Aufgaben und Zielen des Sozialgesetzbuchs gem. § 1 Abs. 1 SGB I verpflichtet: „Das Recht des Sozialgesetzbuchs soll zur Verwirklichung sozialer Gerechtigkeit und sozialer Sicherheit Sozialleistungen (…) gestalten. Es soll dazu beitragen,
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