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Direktversicherung: Brief an Kanzlerin Merkel

Funchal 2012: Foto: H.S.

22.08.2012 - von Edeltraud Debusmann

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin, mehr als sechs Millionen betroffene Bürger mit einer Direktversicherung,darunter auch ich, danken für Ihr klares Bekenntnis zum Thema „Verträge sind einzuhalten“, das Sie mit Überzeugung und Nachdruck im ZDF-Sommerinterview am 15.7.2012 mit Frau Bettina Schausten einem Millionenpublikum gegenüber geäußert hatten.

Es war eine Wohltat, aus berufenem Munde zu hören, dass dieses, in einer Demokratie selbstverständliche Grundrecht von höchster Regierungsseite nicht nur bestätigt, sondern erneut bekräftigt wurde (Anlage 1). Aber auch Herr Dr. Wolfgang Schäuble verteidigt, neben vielen weiteren hochrangigen Persönlichkeiten, diesen elementaren Grundsatz bei jeder sich bietenden Gelegenheit (Anlage 2).

Leider wurde dieser Grundsatz des Vertragsschutzes jedoch bei der Verabschiedung des am 01.01.2004 wirksam gewordenen Gesundheitsmodernisierungsgesetzes (GMG) total übersehen. Auch der nachträgliche Antrag der FDP-Fraktion vom 11.02.2004 „Zusätzliche Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei Versorgungsbezügen durch das GKV-Modernisierungsgesetz rückgängig machen” (BT-Drucksache 15/2472, http://dipbt.bundestag.de/dip21/btd/15/024/1502472.pdf), änderte nichts daran, dass der Hinweis auf den Vertrags- und Vertrauensbruch nicht zählte, obwohl heutige Mitglieder Ihres Kabinetts auch schon damals Wert legten auf die Feststellung … „Vertrauensschutz ist eine Frage der politischen Kultur“. Der Vorstoß wurde bedauerlicher Weise am 02.12.2004 verworfen (BT-Drucksache 15/4451).

Prof. Dr. Otto Wulff schreibt in seiner Eigenschaft als Bundesvorsitzender der Senioren-Union der CDU Deutschlands einem um Hilfe bittenden GMG-geschädigten Direktversicherten:

„Wir werden und dürfen in der Senioren-Union nicht zulassen, dass der Vertrauensschutz der Rentner gefährdet oder irgendwie in Zweifel gezogen wird. In unserer Vereinigung werden wir alles dafür tun, dass Verstöße gegen den Vertrauensschutz geahndet werden und Gesetze, die den Vertrauensschutz negativ beeinflussen, auch wieder abgeschafft werden.“

Es ist bewundernswert, dass ein bedeutsames CDU-Mitglied in den Fußstapfen von Dr. Rainer Barzel wandelt und das hohe Allgemeingut „pacta sunt servanda“ sowie „Vertrauensschutz“ auch heute noch voll unterstützt.

Was ist der Hintergrund und was soll erreicht werden?
Mit Inkrafttreten des GMG zum 01.01.2004 wurden schlagartig und ohne Übergangsfristen alle Auszahlsummen auf Direktversicherungen beitragspflichtig zur Kranken- und Pflegeversicherung. Auch Altverträge, bei deren Vertragsabschluss diese Ertragsschmälerung um 16 bis 20 % nicht vorgesehen und auch nicht vorhersehbar war, waren/sind davon betroffen.

Die betroffenen Versicherten sehen dies als grobe Verletzung des Vertragsrechts durch den Gesetzgeber und riesigen Vertrauensverlust in die Glaubwürdigkeit der Politik. Sie fordern deshalb die Zurücknahme der Beitragspflicht für Altverträge, die vor dem 01.01.2004 abgeschlossen wurden. Das BVerfG hat in dem Verfahren 1 BvR 2137/06 unter Rz 47 geäußert, dass dem Gesetzgeber bei der Bemessung einer Übergangsregelung „… ein erheblicher Spielraum …” zur Verfügung steht. Diesen bitten wir zu nutzen.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
ein wichtiger Grundsatz Ihrer Regierung heißt: „Politik muss verlässlich sein!“ Das heißt, Reden und Handeln müssen im Einklang stehen, damit Ihre Politik glaubwürdig ist. Mit Bezug auf Ihre Feststellung „Und das muss geändert werden …!” bitten die Betroffenen Sie deshalb, alles zu tun, um eine baldige Korrektur des GMG mit der klaren Zielsetzung, den gesetzlichen Eingriff in Altverträge wieder rückgängig zu machen, durchzusetzen.

Damit Ihren Worten „Verträge sind einzuhalten“ auch für uns Betroffene Taten folgen. Es kann und darf nicht sein, dass Sie und viele andere maßgebliche Politiker in Europa Vertragstreue und Vertrauensschutz einfordern, dieses elementare Recht den eigenen Bürgern aber verweigern!

Sollten Sie auf die Urteile des Bundesverfassungsgerichtes zu dieser Thematik verweisen wollen, dann ist mit den Worten unseres Bundespräsidenten a. D. Christian Wulff, zu antworten: „Gleiches Recht für alle" und in eigener Sache am 22. Dezember 2011: „Ich sehe ein: Nicht alles was juristisch rechtens ist, ist auch richtig …

Bisherige Rechtfertigung:
Die Erhebung von Beiträgen auf Kapitalleistungen aus der betrieblichen Direktversicherung sei – so das BVerfG – den betroffenen Versicherten zumutbar, weil der Gesetzgeber berechtigt sei, jüngere Krankenversicherte von der Finanzierung des höheren Aufwands für die Rentner zu entlasten und die Rentner entsprechend ihrem Einkommen verstärkt zur Finanzierung heranzuziehen (ein Paradebeispiel hierzu siehe Anlage 3). Wenn die Versicherung stets vom Arbeitgeber als Versicherungsnehmer geführt worden ist, können die wirtschaftlichen Erträge hieraus als Versorgungsbezüge qualifiziert und zur Beitragserhebung herangezogen werden.

Antwort hierzu:
Alle bisherigen Widersprüche dazu, die Ihnen von den Gewerkschaften, Sozialverbänden, VdK, Behindertengruppen, den Betroffenen selbst, aber auch von der FDP vorliegen, werden von der Politik ignoriert – geschweige denn das Unrecht abgestellt. Die wirtschaftlichen Erträge kamen i.d.R. nicht vom Arbeitgeber, sondern waren das Ergebnis einer Gehaltsumwandlung (Lohnverzicht), also Arbeitnehmerleistung.

Kein Politiker, Richter, Unternehmer usw. muß aus seiner „Privaten Lebensversicherung“ zur Altersversorgung einen „Zusatzbeitrag“ an die Krankenkasse abführen, nur die gesetzlich versicherten Rentner werden dazu verpflichtet! Wo ist die Chancengleichheit?

Kein Rentner wehrt sich gegen Beitragszahlungen, aber diese müssen logisch und nachvollziehbar sein. Es ist nach meinem Verständnis unredlich, seitens des Gesetzgebers eine Alternative zur Kapitallebensversicherung mit lockenden Versprechungen anzubieten (Vorteil infolge pauschalierter Lohnsteuer), die sich bei Fälligkeit dann als eklatantes Kapitalvernichtungsprogramm entpuppt (es wurde nicht auf die nachträgliche Verbeitragung zur Kranken- und Pflegeversicherung hingewiesen). Im Geschäftsleben spricht man von arglistiger Täuschung. In Kenntnis dieser Tatsache hätte kein Mensch die Vertragsform „Direktversicherung“ gewählt. War das Absicht?

Wenn man als Mitglied unserer Gesellschaft sich nicht mehr verbindlich auf zwischen zwei Vertragspartnern geschlossene Verträge verlassen kann, dann wird unsere Demokratie beschädigt, und die Bürger verweigern zu Recht die Gefolgschaft, … ein wesentlicher Punkt der ständig zunehmenden Politikverdrossenheit. (Anhang 5 „Auswertung Landtagswahlen“)

Ganz aktuell das Urteil vom Bundesverfassungsgericht zum Bundeswahlgesetz mit der Urteilsbegründung „Die im Grundgesetz verankerte Chancengleichheit sei nicht gewahrt!“ Genau diese Begründung trifft auch auf die Direktversicherung zu.

Einzahlung in eine Direktversicherung – ohne Arbeitgeberanteil – mit Beiträgen aus dem Privatvermögen, hier Weihnachts- und Arbeitslosengeld (!) sowie BfA-Rente (!) werden vom Gesetzgeber für alle Direktversicherungen, die nach dem 01.01.2004 zur Auszahlung kommen, nachträglich „einer Betriebsrente vergleichbar“ (!) deklariert, und als solche dann mit einem ca. 17,5 %igen Abzug zur GKV belastet, Einzahlung vom Arbeitgeber – zusätzlich zum Gehalt – in eine auf den Namen des Mitarbeiters abgeschlossene Lebensversicherung jedoch keine betriebliche Altersversorgung ist und somit bei Fälligkeit frei bleibt von Abzügen an die GKV.

Was ist das für eine Chancengleichheit, wenn Einzahlungen
– des Arbeitnehmers aus Gehaltsumwandlung (hier Minderung des Nettoeinkommens über viele Jahre hinweg, d.h. Konsumverzicht) bei Auszahlung der Versicherungssumme mit fast 20 % Abzügen belastet werden; erst recht, wenn „Einmalzahlung“ und „Rentenwahlrecht ist ausgeschlossen“ vereinbart wurde (damit keine Voraussetzungen für eine betriebliche Altersversorgung!),
– vom Arbeitgeber – zusätzlich zum Gehalt – aber nicht!
siehe B 12 KR 15/09 R - K ./. DAK, Auszug Anlage 2, Seite 2
Der Standardhinweis der Parlamentarier „Entscheidend ist, wer ist Vertragsinhaber", ist der eigentliche Konstruktionsfehler im GMG. "Wer hat die Beiträge bezahlt", müsste statt dessen im GMG stehen!
Kein realistisch denkender Mensch kommt auf die Idee, dass der Gesetzgeber Zahlungen aus dem Privatvermögen, u. a. aus Arbeitslosengeld (!) und BfA-Rente (!) eines Tages als einer der Betriebsrente vergleichbare Einnahme deklariert. Drastischer kann man die Unlogik eines Gesetzes wohl nicht mehr vor Augen führen! Treu und Glauben werden ad absurdum geführt.

Ihr Statement …
„es ist wichtig, dass Recht und Gesetz … eingehalten werden. Demokratie lebt davon, dass die Verträge nicht nur in guten Zeiten gelten, wo man nicht an ihre Grenzen stößt, sondern das Verträge auch in schwierigen Zeiten gelten“ ist das klare Bekenntnis zur Gerechtigkeit.

Die Betroffenen des GMG bitten Sie daher um baldige Umsetzung.

Ihre Worte …
„Wir sagen, dass wir die Gesetze, die wir uns selbst gegeben haben, auch wirklich einhalten wollen. Die Vergangenheit hat leider gezeigt, dass sich zu viele daran nicht gehalten haben.
Und leider hat die Rot/Grüne Bundesregierung unter meinem Vorgänger dabei auch keine besonders rühmliche Rolle gespielt, wie man diese Tage wieder lesen kann“
fassen die Betroffenen des GMG als persönliches Plädoyer dafür auf, dass das unter Ihrem Vorgänger zustande gekommene GMG korrigiert werden muss.
Abzüge zur GKV/GPV waren nie ein Vertragsbestandteil.

Sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin,
den Vorgänger tadeln „leider hat die Rot/Grüne Bundesregierung unter meinem Vorgänger dabei auch keine besonders rühmliche Rolle gespielt“, sich selber aber nicht daran halten, ist unredlich!
Bitte nicht ständig von Anderen fordern …
Recht und Gesetz müssen eingehalten werden“, sondern dies auch bei Ihren Bürgern (die auch Ihre Wähler sind) umsetzen!

Mit dem Thema „Beitragspflicht auf Direktversicherungsaltverträge“ können Sie Ihre Worte „Und das muss geändert werden!“, Ihr Handeln und Ihre Glaubwürdigkeit unter Beweis stellen!

Immer mehr Betroffene suchen verzweifelt Rat im Internet, schildern ihre hilflose Situation und erkennen ihre Ohnmacht gegenüber einem Staat, der ihre Lebensplanung für den Ruhestand zum Alptraum werden lässt mit dem Ergebnis, dass die Zahl der Politikverdrossenen und Wutbürger ständig zunimmt (Anlage 4).
Die immer größer werdende Zahl der Betroffenen mit einer Direktversicherung hoffen darauf, dass Ihre vorgenannten Worte nicht nur Lippenbekenntnisse sind. Vor allem hoffen sie, dass bis zur Bundestagswahl 2013 ihrem berechtigten Anliegen Ihre Unterstützung zuteil wird.

Es geht auch um die Frage „Was sind wir Bürger den Parteien (noch) wert?” Stellvertretend für die vielen Betroffenen des GMG bitte ich Sie um entsprechende Nachricht. Das wäre dann ein guter Tag für die Demokratie!

Die Bundestagswahl 2013 ist nicht mehr fern und ich bin mir sicher, Millionen Wähler werden diese überfällige Korrektur anerkennen und neues Vertrauen in politische Entscheidungen schöpfen. Können wir mit Ihrem Engagement rechnen? Kann ich auf Antwort hoffen?

Ich danke für Ihre Zeit, für das hoffentlich bestehende Interesse und Bemühen, Ihre aus der Seele der Menschen gesprochenen Worte
„Verträge sind einzuhalten“ mit Leben zu erfüllen.

Mit freundlichen Grüßen aus der Schloßstadt Heusenstamm
Edeltraud Debusmann
(Mitglied im Arbeitskreis GMG-geschädigte DV-Versicherte)

Link: Direktversicherung: Petent schreibt an Lammert (2)
Quelle: Mail an die Redaktion