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Altersdiskriminierung von Studenten: Krankenversicherung

23.01.2012 - von K.S. + Hanne Schweitzer

Studenten bekommen nur bis zum 30. Lebensjahr einen vergünstigten Tarif. Zu Recht besteht Versicherungspflicht, jedoch im Angesicht der Diskussion über Fachkräftemangel und Chancengleichheit ist es mir absolut unverständlich, auf welcher Grundlage diese Regelung basiert.

Wer mit 67 Jahren noch arbeiten soll,sollte doch auch bitte noch mit 30 Jahren den Gedanken hegen und realisieren können, zu studieren.

Zu meinem persönlichen Fall. Ich habe den klassischen Weg hinter mich gebracht: Abitur, Zivildienst, Ausbildung, Sammeln von Berufserfahrung. Jedoch merkte ich ziemlich schnell in einem Sackgassenberuf zu stecken, ohne Aussicht auf Besserung. Deshalb entschied ich mich zu einem Studium.

Möglichkeiten zur Eigenfinanzierung bestanden nicht (ausgenommen LV und Bausparvertrag). Somit habe ich BaföG beantragt und auch gewährt bekommen. Ich kam in den ersten zwei Semestern gut über die Runden und engagierte mich als Jahrgangssprecher, Mitglied in der Gemeinsamen Kommission und fand eine Anstellung als studentische Hilfskraft. Kurz gesagt, das Studium hatte einen erfolgreichen Verlauf.

Nun ist es so, dass ich im März 30 werde und auf einmal mehr als das Doppelte an Beiträgen für die Krankenversicherung zahlen muss (ca. 170 €). Da stellt sich mir die Frage, wieso? Ich liege in der Regelstudienzeit und mache etwas für meine persönliche Qualifikation, um auch irgendwann mehr Beiträge zahlen zu können.

Da meine Ersparnisse nicht ausreichen, mein BaföG gekürzt wurde und die Grenze für den Zuverdienst nicht in dem Rahmen steigt, sehe ich bisher nur einen Ausweg, die Beendigung des Studiums.
Kann dies im Sinne einer Regierung sein?
Auf welcher Grundlage kann eine solche Regelung basieren? Welchen Zweck verfolgt eine solche Regelung?


Sehr geehrter Herr S.,
danke für Ihre Mail. Wie Sie auf der Webseite altersdiskriminierung.de unter "Uni & Co." sehen können, sind Sie nicht der Erste und nicht der Einzige mit einer Beschwerde über die unbegreiflichen und willkürlich festgelegten Altersgrenzen im Hochschulbereich. Die Altersgrenzen betreffen nicht nur die studentische Krankenversicherung, sondern ebenso den Bafög-Bezug, die Vergabe von Stipendien, die Genehmigung von Auslandsaufenthalten, die Arbeit im akademischen Mittelbau, die Berufung zum Professor, zur Professorin.

Sie fragen, ob dies im Sinn der Regierung ist. Ja, es ist im Sinn der Regierung. Wäre es anders, gäbe es diese Altersgrenzen nicht.

Sie fragen nach der Grundlage dieser Regelung. Dazu müssen Sie wissen: 2006 trat das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Kraft. Es verbietet die Diskriminierung wegen des Lebensalters im Berufsleben. Altersdiskriminierung an Schulen, Hochschulen und Universitäten verbietet es dagegen nicht.

Das liegt an Folgendem: Bei der Umsetzung der entsprechenden EU-Richtlinie in bundesdeutsches Recht sind nur die Mindestanforderungen aus der Richtlinie ins Gesetz hineingeschrieben wurden. Anders gesagt: Politik hätte Altersdiskriminierung im Bereich von Bildung und Weiterbildung an Schulen, Hochschulen und Universitäten 2006 verbieten können, - sie wollte es aber nicht. Daran hat sich bis heute (22.1.2012) NICHTS geändert!!!


Sie fragen, welchen Zweck eine solche Regelung hat. Ein Staat, dessen Abgeordnete, Minister etc. unsinnige Altersgrenzen etablieren und aufrecht halten, ist schlecht beraten. Er denkt nicht zukunftsorientiert, er handelt nicht bürgerorientiert und er ist nicht flexibel. Schon seit geraumer Zeit kann man hierzulande mit bloßem Auge sehen, wie desinteressiert dieser Staat und seine gut bezahlten Staatsdiener an der Förderung von Kultur und Bildung sind. Der bauliche Zustand von Universitäten und Schulen, das Zahlenverhältnis zwischen Lernenden und Lehrenden - katastrophal. In anderen, sehr viel ärmeren Ländern sind Gebäude des Lernens Schmuckstücke, die Lerngruppen sind klein. Kaum etwas ist peinlicher, als ausländischen Besuchern deutsche Universitäten oder Schulen zeigen zu müssen.

Dass die Krankenkassenbeiträge für über 30Jährige StudentInnen teurer sind, hat der Gesetzgeber so bestimmt. Die Versicherungsbedingungen für StudentenInnen sind im Sozialgesezbuch V, Paragraf 5. Absatz 1, Nummer 9 geregelt.
ABER: In § 2 des AGG wird aber unter 5., 6., und 7. bestimmt: Benachteiligungen wegen des Alters sind unzulässig in Bezug auf:
5. den Sozialschutz, einschließlich der sozialen Sicherheit und der Gesundheitsdienste,
6. die sozialen Vergünstigungen,
7. die Bildung.
ABER: Die große Koalition aus CDU und SPD, die das AGG 2006 endgültig verabschiedet hat, hat den Schutz vor ALtersdiskriminierung beschränkt auf Beschäftigte, Massengeschäfte und privatrechtliche Versicherungen.
Außerdem bestimmt SGB 1 § 33c: "Bei der Inanspruchnahme sozialer Rechte darf niemand aus Gründer der Rasse, wegen der ethnischen Herkunft oder einer Behinderung benachteiligt werden." Wegen des Alters schon! Eine Novellierung des AGG ist dringend erforderlich.
H.S.

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Link: Mit 25 zu alt für Begabtenförderung!
Quelle: Mail an die Redaktion