Yinka Shonibare MBE: Scramble for AFRICA Foto: Hanne Schweitzer
11.05.2011 - von Hanne Schweitzer
Als Kanzlerin Merkel im April 2011 rund 200 ehrenamtlich arbeitenden BürgerInnen in Berlin - stellvertretend für Millionen andere – für ihre freiwillige und unbezahlte Arbeit dankt, weist sie in ihrer Rede besonders darauf hin, dass sich die Ehrenamtlichen, weil ihr Tun zu wenig wahrgenommen wird, mehr Gehör verschaffen sollen. Also dann:
Im Jahr 2002 beschließt der Sozialausschuß des Kölner Rats den Aufbau von Senioren-Netzwerken in zwölf ausgesuchten Stadteilen. Diese sollen drei Jahre lang von bezahlten Arbeitskräften (Koordinatoren) mit je einer halben Stelle begleitet werden. Auch im Kölner Stadtbezirk Altstadt-Süd wird ein solches Netzwerk gegründet.
Der Rentner, Herr S., wird von den Kölner Grünen zur Teilnahme an der Gründungsversammlung delegiert. Er wird in den Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit gewählt, der einzige übrigens, der die Aufbauphase des Senioren-Netzwerks übersteht. Hier werden alle Entscheidungen über die konkrete, praktische Arbeit des Netzwerks getroffen, und wer an einer Mitarbeit interessiert ist, für den ist das die Anlaufstelle.
Herr S. nimmt die Herausforderung gerne an, die Aufgabe ist ihm wichtig. Im Kreis der Leute, die freiwillig ein Senioren-Netzwerk aufbauen wollen, ist er ein kompetenter und gern gesehener Mitarbeiter. Weil ein Bürgerfrühstück im Bürgerhaus Stollwerk nicht den erhofften Zulauf hat, wird Herr S. gebeten, an diesen monatlichen Frühstücken teilzunehmen. Nach Unstimmigkeiten mit dem Wirt des Bürgerhauses, beschließt das Netzwerk, das Frühstück in ein Haus des DRK zu verlegen. Fortan wird das Frühstück dort einmal im Monat von Herrn S. selbstständig geplant, vorbereitet und realisiert. Herr S., der dazu auch die Referenten auswählt und einlädt, hat dadurch sehr viel mehr Arbeit.
Doch der Aufwand macht sich bezahlt. Das Angebot gewinnt an Attraktivität, neue SeniorInnen nehmen teil. Aus einem Zuschussgeschäft wird ein Aktivposten, Monat für Monat kommen ca. 25 zahlende Gäste.
Im Juli 2007 wird das Senioren-Netzwerk Altstadt-Süd unter der Betreuung des Paritätischen Wohlfahrtsverbands in die „Selbstständigkeit“ entlassen. Die ehrenamtlichen Netzwerkerinnen und Netzwerker übernehmen die Regie.
Neben dem Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit bildet sich eine neue Gruppe, der „Sprecherrat“. Der ist nun für die Organisation und Finanzierung des Netzwerks zuständig. Auch im „Sprecherrat“ ist Herr S. aktiv dabei.
Aber es rächt sich bitter, dass keine verbindlichen organisatorischen bzw. vereinsrechtlichen Strukturen existieren. Denn wer den „Sprecherrat“ einberuft, wer über die Tagesordnung entscheidet, wann der Sprecherrat beschlussfähig ist, worüber er rechtsverbindlich entscheiden kann, welche Befugnisse er oder einzelne seiner Mitglieder haben, wer ihn kontrolliert oder legitimiert, das ist nirgends festgelegt.
Mobbing statt Zusammenarbeit hält Einzug. Der Arbeitskreis Öffentlichkeitsarbeit tagt nicht mehr. Fünf langjährige, ehrenamtliche MitarbeiterInnen verlassen das Netzwerk, äußerst frustriert und enttäuscht. Hinweise von Herrn S., dass im Senioren-Netzwerk Altstadt-Süd zu wenige Ehrenamtliche mitmachen und die wenigen, die noch dort sind, an ihre Grenzen gelangt sind, finden keine Resonanz.
Es dauert nicht lange und auch Herr S. wird von der Mobbingkeule getroffen. Doch anders als die ehrenamtlichen MitarbeiterInnen zuvor, die sich - tief getroffen, aber ohne Gegenwehr - aus der ehrenamtlichen Arbeit zurückgezogen haben, denkt Herr S. gar nicht daran, die persönlichen Anfeindungen und willkürlichen Entscheidungen stillschweigend hinzunehmen.
Deshalb wendet er sich im Februar 2011 an Herrn W., den bezahlten Mitarbeiter der gemeinnützigen GmbH `PariSozial´. Diese betreibt die `Servicestelle selbstorganisierte SeniorenNetzwerke Köln´. Zu ihren Aufgaben gehört es u.a., als verbandsübergreifender Dienstleister Ansprechpartner für alle Fragen und Anliegen der Ehrenamtlichen in den Netzwerken zu sein, flexibel auf ihre Bedürfnisse und Ansprüche einzugehen, sowie Beratung bei Krisen und Konflikten durch Supervision oder Moderation anzubieten. Doch Herr W. reagiert nicht auf die Fragen, die ihm von Herrn S. schriftlich zu den personellen Querelen im "Sprecherrat" des Netzwerks Altstadt-Süd gestellt werden.
Stattdessen erhält Herr S. - ausgerechnet in der Zeit seiner Urlaubsabwesenheit, über welche die Mitglieder des „Sprecherrats“ bestens informiert waren, im März 2011 einen Brief.
Nach neunjähriger (!) ehrenamtlicher Arbeit teilt ihm der "Sprecherrat" des Senioren-Netzwerks Altstadt-Süd, dem er ja selbst angehört, lapidar mit, dass einstimmig beschlossen worden sei, ab sofort jede weitere Zusammenarbeit mit ihm einzustellen. Der Brief endet mit den Worten: „Wir bedanken uns für ihre (sic) langjährige Mitarbeit.“
Herr S. ist verletzt und empört. Er möchte nicht, dass so mit ihm umgegangen wird. Er wendet sich deshalb an den Paritätischen Wohlfahrtsverband, an das DRK. Niemand steht ihm bei. Er vereinbart einen Termin mit der Kölner Seniorenvertretung für den Bezirk Innenstadt.
Nach einem aufbauenden persönlichen Gespräch bekommt er wenige Tage später jedoch von dort einen ernüchternden Brief zugeschickt: „Wir sind gehalten, die Netzwerke zu unterstützen und zu begleiten. In personelle Strukturen können wir nicht hineinreden. … Sie haben das Netzwerk mit aufgebaut und maßgeblich über die Jahre das Frühstück organisiert, geleitet und getragen. … Ehrenamtliche Arbeit kann auch schwierig sein!“
Wohl wahr. Aber welche Möglichkeiten haben Ehrenamtliche, sich vor Mobbing zu schützen, vor unberechtigten Vorwürfen, Kränkungen und fehlenden Strukturen? Wie schützen Ehrenamtliche ihre Ehre? Wer schützt ihre Ehre?
Die Europäische Union und der bundesdeutsche Gesetzgeber haben den Tatbestand einer Diskriminierung in der EU-Richtlinie 78 bzw. im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) u.a. unter dem Begriff „Belästigungen“ definiert als:
"Unerwünschte Verhaltensweisen, die bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt und ein von Anfeindungen, Erniedrigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird".
Leider gilt diese Definition nach deutschem Recht NUR für das Arbeitsleben und nicht für die Millionen unentgeltlich arbeitenden Ehrenamtlichen!
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05.04.2011: Merkel: Bürgerschaftliches Engagement notwendig
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