06.01.2011
"Entwicklung des ehrenamtlichen Engagements und die Nationale Engagementstrategie", lautete der Titel einer Anfrage der Fraktion die Linke an die wespenfarbige Bundesregierung. Diese antwortete am 1.10.2010.
1.Frage: Welche Position bezieht die Bundesregierung zu der verschiedentlich geäußerten Kritik, dass ehrenamtliche Arbeit verstärkt Aufgaben, die bisher in den Bereich staatlicher Fürsorge fielen, übernimmt?
3.Frage: In welchem Ausmaß wird nach Erkenntnissen der Bundesregierung ehrenamtliche Arbeit auch in Bereichen geleistet, welche ebenso gut mit regulär bezahlter Arbeit abgedeckt werden könnten?
4.Frage Wie will die Bundesregierung verhindern, dass ein solcher Einsatz von ehrenamtlicher Arbeit reguläre Beschäftigung verdrängt oder deren Schaffung behindert?
5.Frage Wie rechtfertigt die Bundesregierung die Förderung von Ehrenamtlichen, solange nicht Vollbeschäftigung erreicht ist? Und wie will sie sicherstellen, dass ehrenamtliche Arbeit lediglich in diesem Sinne eingesetzt wird?
Antwort der Bundesregierung: Die Fragen 1, 3, 4 und 5 werden aufgrund des Sachzusammenhangs gemeinsam beantwortet:
Bürgerschaftliches Engagement ist eine tragende Säule jedes freiheitlichen, demokratischen, sozialen und lebendigen Gemeinwesens. In Deutschland ist über ein Drittel der Bevölkerung in Vereinen, Verbänden und Initiativen engagiert. Diese freiwillige Mithilfe engagierter Bürgerinnen und Bürger sorgt für Zusammenhalt und Gemeinschaft und wirkt in einem Maße solidaritätsstiftend, wie es der Staat allein nie bewirken könnte. Damit ist bürgerschaftliches Engagement ein Motor für die Entwicklung sozial innovativer Lösungen und stärkt die Entwicklungsfähigkeit unserer Gesellschaft insgesamt.
36 Prozent der Bevölkerung ab 14 Jahren sind über ihre privaten und beruflichen Verpflichtungen hinaus in Gruppen, Vereinen oder Verbänden sowie Organisationen und öffentlichen Einrichtungen bürgerschaftlich engagiert. Ein weiteres Drittel der Bevölkerung wäre bereit, sich bürgerschaftlich zu engagieren.
Allein der Umfang des bürgerschaftlichen Engagements in Deutschland macht deutlich, dass der erkennbare Wunsch in großen Teilen der Bevölkerung besteht, entsprechende Tätigkeiten wahrnehmen zu können. Hierbei will die Bundesregierung Unterstützung leisten.
Der Bundesregierung liegen keine Erkenntnisse zu der Frage des Ersatzes von regulären Beschäftigungsverhältnissen durch bürgerschaftliches Engagement vor.
Sie sieht keine Veranlassung für die Sorge, der Bestand regulärer Beschäftigungsverhältnisse könnte durch bürgerschaftliches Engagement bedroht sein.
2.Frage Wie viele Stunden (insgesamt und pro Ehrenamtlichem) wurden in den einzelnen Jahren seit 1990 jährlich an ehrenamtlicher Arbeit geleistet? Wie verteilt sich diese Arbeit auf die Bereiche Pflege, Kinderbetreuung sowie Kinder- und Jugendarbeit (ggf. auch weitere relevante Bereiche angeben)?
Antwort der Bundesregierung:
Der Bundesregierung liegen keine Daten vor, die eine belastbare Beantwortung der umfassend formulierten Frage ermöglichen. Folgende Informationen, die zu dem fraglichen Themenbereich gehören, stehen nach Erhebungen des aktuellen Freiwilligensurveys zur Verfügung. Ca. 23 Mio. Menschen waren im Jahr 2009 in Deutschland ehrenamtlich engagiert. Im Durchschnitt waren die Engagierten 16 Stunden pro Monat freiwillig tätig.
Die meisten Engagierten gibt es im Bereich „Sport und Bewegung“, nämlich ca. 10 Prozent aller Engagierten. In den Bereichen „Kindergarten und Schule“ sowie „Religion und Kirche“ waren 2009 jeweils knapp 7 Prozent engagiert.
Weitere mittelgroße Bereiche sind der „Soziale Bereich“, „Kultur, Kunst, Musik“ und „Freizeit und Geselligkeit“ mit jeweils ca. 5 Prozent in 2009.
6.Frage Plant die Bundesregierung neben Sozial- und Wohlfahrtsverbände auch private Kapitalgesellschaften als Trägerinstitutionen für die Ehrenamtlichen anzuerkennen?
Antwort der Bundesregierung:
Das sog. Gemeinnützigkeitsrecht betrifft – mit Ausnahme der Betriebe gewerblicher Art von juristischen Personen des öffentlichen Rechts – schon derzeit Körperschaften, Personenvereinigungen und Vermögensmassen des privaten
Rechts, zu denen auch Kapitalgesellschaften zählen (vgl. § 1 des Körperschaftsteuergesetzes – KStG). Daher gibt es schon nach geltendem Recht beispielsweise gemeinnützige Aktiengesellschaften oder Gesellschaften mit beschränkter Haftung, für die eine ehrenamtliche Tätigkeit möglich ist.
7.Frage Gibt es Pläne der Bundesregierung, einen Missbrauch der sogenannten Übungsleiterfreibetragsregelung durch die freien Träger, wie er durch die Panorama-Sendung vom 1. Juli 2010 aufgezeigt worden ist, in Zukunft auszuschließen?
Antwort der Bundesregierung:
Die Bundesregierung wird den in der Panorama-Sendung aufgestellten Behauptungen nachgehen.
8.Frage Mit welchen Maßnahmen unterstützt die Bundesregierung Sozial- und Wohlfahrtsverbände bei der Ausgestaltung von regulären, tariflich bezahlten Arbeitsplätzen?
Antwort der Bundesregierung:
Die Bundesregierung gewährt den Spitzenverbänden der Freien Wohlfahrtspflege gemäß den Förderrichtlinien Wohlfahrtsverbände vom 1. August 1997 unter anderem Zuwendungen zu den Personalkosten in Form von Pauschalen.
Grundlage für die Berechnung der Pauschalen sind die Personalausgaben, die Personalgemeinkosten und die Sachkosten, jeweils auf der Basis der Pauschalen, die sich aus den aktuellen Tabellen des Bundesministeriums der Finanzen über die durchschnittlichen Personalausgaben für Beschäftigte des nachgeordneten Geschäftsbereiches ergeben. Die tarifliche Eingruppierung erfolgt nach den anerkannten Vergütungsrichtlinien der Verbände. Eine Besserstellung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Freien Wohlfahrtspflege ist ausgeschlossen.
9.Frage Wie fördert die Bundesregierung das freiwillige Engagement z. B. bei ehrenamtlich Aktiven in den Gewerkschaften oder bei Arbeitgeberverbänden, engagierten Menschen in Erwerbsloseninitiativen, im Umweltschutz, in antifaschistischen und antirassistischen Initiativen oder Menschen, die sich in der Friedens- und Anti-Atom-Bewegung engagieren?
Antwort der Bundesregierung:
Insbesondere durch Modellprojekte fördert die Bundesregierung bürgerschaftliches Engagement unmittelbar. Dabei können je nach Modellprojekt bürgerschaftlich Engagierte auch aus den genannten Bereichen in eine Förderung einbezogen sein. Darüber hinaus profitieren bürgerschaftlich Engagierte von der Verbesserung der Rahmenbedingungen, die die Bundesregierung durch entsprechende Vorschriften für den Bereich des bürgerschaftlichen Engagements schafft, wenn sie die einschlägigen Voraussetzungen erfüllen.
[b]10.Frage Gibt es Überlegungen der Bundesregierung, das neue öffentlich-rechtliche Dienstverhältnis, welches für die freiwillige Verlängerung der Zivildienstleistenden vorgesehen ist, auch für ehrenamtlich Tätige zu öffnen?
Antwort der Bundesregierung:
Dieser neue, ab dem 1. Dezember 2010 angebotene Dienst kann nur von anerkannten Kriegsdienstverweigerern geleistet werden, die ihren Zivildienst freiwillig verlängern möchten.
11.Frage Gibt es in der Bundesregierung Überlegungen, Menschen die sich nicht ehrenamtlich engagieren, gegenüber ehrenamtlich Aktiven zu benachteiligen?
Antwort der Bundesregierung:
Nein.
12.Frage Welche steuerlichen Instrumente zur Förderung von ehrenamtlicher Arbeit plant die Bundesregierung einzuführen?
Antwort der Bundesregierung:
Es gibt aktuell keine weiteren entsprechenden Planungen der Bundesregierung.
[b]13. Plant die Bundesregierung das Gemeinnützigkeits- und Spendenrecht zu verändern vor dem Hintergrund, dass in der nationalen Engagementstrategie die Verbindung vonWirtschaft, Staat undWohlfahrtsverbänden propagiert wird, die private Spenden und Unternehmensbeteiligungen vorsieht? Wie sehen die Überlegungen der Bundesregierung im Konkreten aus?
Antwort der Bundesregierung:
Es gibt aktuell keine weiteren entsprechenden Planungen der Bundesregierung.
14. Wie wird das sogenannte Kooperationsverbot bei der Errichtung der geplanten Infrastruktur in der nationalen Engagementstrategie als Verbindung von Staat, Kommune, Privatwirtschaft und Wohlfahrtsverbänden für den Einsatz von Freiwilligen von der Bundesregierung eingehalten?
Antwort der Bundesregierung:
Maßnahmen, die gegen Kooperationsverbote verstoßen, sind in der Nationalen Engagementstrategie nicht vorgesehen.
Entnommen der elektronischen Vorabfassung Deutscher Bundestag – 17.Wahlperiode Drucksache 17/3133
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04.01.2011: Rentner als Mitglieder von Verbänden
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