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Fraueninteressen brechen keine Fraktionsgrenzen

08.03.2010 - von Lisette Milde

Von der Armut im Alter, vor allem von der Armut alter Frauen ist selten die Rede. Wer als Frau NICHT im Öffentlichen Dienst arbeitet oder in einem Parlament sitzt, verdient sehr viel weniger als Männer. Die geschlechtsspezifische Lohndiskriminierung von Frauen hat in der Bundesrepublik Deutschland in den letzten Jahren sogar noch zugenommen. Trotz diverser Gesetze sind die Einkommensunterschiede zwischen Frauen und Männern so unanständig hoch, dass man sich fragt, warum Frauen sich das klaglos gefallen lassen. 2006 lag der MINDERVERDIENST von Frauen schon bei 22,7 Prozent, 2008 wurde Frauen in der Bundesrepublik, wie die EU-Kommission rechtzeitig zum Internationalen Frauentag 2010 bekannt gab, 23,8 Prozent weniger Lohn gezahlt als Männern. Damit steht die Bundesrepublik an fünftletzter Stelle aller EU-Mitgliedsstaaten! Am geringsten sind die Unterschiede in Italien. Dort ist das Einkommen der Frauen "NUR" 4,9 Prozent niedriger als das der Männer.

EU-Kommissarin Viviane Reding reagierte zwar offiziell mit "Betroffenheit" auf die niederschmetternde Nachricht, sie hat es aber versäumt, eine Verbindung zwischen den niedrigen Arbeitseinkommen von Frauen und deren späterer Rente herzustellen. Auch die gewählten Frauen in der Bundes- und den Landesregierungen reagieren nicht. Das gilt ebenso für die Mehrzahl der Abgeordneten weiblichen Geschlechts.

Neu ist das überhaupt nicht. So berichtete die Süddeutsche Zeitung 1997, also vor 13 Jahren, über eine fraktionsübergreifende Gesprächsrunde zur Rentenpolitik. Daran nahmen 20 Bonner Politikerinnen aller Parteien teil. (Die damalige Frauenministerin Claudia Nolte war zwar eingeladen, erschien aber nicht.) Die Idee, über das Rentenrecht für Frauen zu sprechen, hatten damals Gisela Babel, FDP, und Margot von Renesse, SPD, Mutter von vier Kindern. Zentraler Diskussionspunkt war die Unzufriedenheit der gewählten Frauen darüber, dass die männlichen Rentenreformer keine rentenpolitischen Ideen zur typischen Frauen-Arbeit, der Teilzeitarbeit hatten. Ausserdem war die von Arbeitsminister Blüm, CDU, geplante Familienkasse Thema der Frauenrunde. In diese Kasse sollten jährlich 17 Milliarden DM aus Steuermitteln gezahlt werden, um künftig Kindererziehungszeiten* (als versicherungsFREMDE Leistungen) in der Rentenversicherung zu bezahlen. Renesse: "Familienkasse, das klingt gut, aber es ist Betrug." Denn Kindererziehung würde damit abhängig von der jeweiligen Haushaltslage. Bis heute sind die Kindererziehungszeiten eine versicherungsFREMDE Leistung geblieben. Sie stehen jedesmal zur Disposition, wenn die Herren mal wieder über die Kürzung des Bundeszuschusses zur Rentenversicherung diskutieren.

Einig waren sich damals alle 20 Parlamentarierinnen darüber, dass Frauen, die Kinder erzogen haben, ohne Leistungsabschläge früher in Rente gehen sollten! Damit die Teilnehmerinnen aber bloß nicht mit ihren männlichen Fraktionsführungen in Konflikt gerieten, wurde von den Parlamentarierinnen der Runde beschlossen, keine Beschlüsse zu fassen. Das macht deutlich, wie fest das patriachale System schon 1987 die weiblichen Abgeordenten im Griff hatte, die durch Wahlen mit MACHT ausgestattet worden waren. Aus Angst, nicht wieder auf die Listen und darüber dann ins Parlament zu kommen, verrieten sie die Interessen der Frauen, denen sie in der Regel ihr Mandat verdankten. Wenn die weiblichen Bundestagsabgeordneten von der Rente leben müßten, die pflichtversicherte lohnabhängige Frauen nach einem langen Arbeitsleben zu erwarten haben, oder ganz ohne Rente, wie Frauen, die keinen Beruf erlernen konnten, oder "nur" Hausfrau waren, würden sich solche Politikerinnen anders verhalten. Sie tun es aber nicht, weil sie, auch wenn sie nur vier Jahre im Parlament waren, ohne eigene Einzahlungen Pensionen in einer Höhe erhalten, wie sie einfache Lohnarbeiterinnen nie erreichen, die dafür auch noch Abzüge von ihrem geringen Lohn haben.

*Kindererziehungszeiten sind inzwischen Pflichtbeitragszeiten, für die Beiträge als gezahlt gelten oder seit dem 1.6.99 vom Bund als Zuschuss an die Rentenversicherung gezahlt werden. Für Geburten ab 1.1.92 werden der oder dem Erziehenden die ersten drei Jahre nach der Geburt des Kindes als Erziehungszeit angerechnet, für Geburten vor dem 1.1.92 ein Jahr. Damit sind jeweils die ersten 36 beziehungsweise 12 Kalendermonate nach dem Geburtsmonat als Pflichtbeitrag belegt. Für die Kindererziehungszeit wird unterstellt, dass ein durchschnittlicher Verdienst erzielt wurde.

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Sehr aufschlussreich ist, was Dr. Ralf Brauksiepe zum Thema "Benachteiligung von Frauen auf dem Arbeitsmarkt" sagt, und zwar im Auftrag der Bundesregierung. Brauksiepe ist Mitglied des Bundestags und Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Arbeit und Soziales. Im Auftrag und Namen der Bundesregierung hat er eine Kleine Anfrage der Abgeordneten Sabine Zimmermann und anderen von der Fraktion DIE LINKE beantwortet. Die 27 Seiten werden als Bundestagsdrucksache 17/696 in nicht allzuferner Zukunft veröffentlicht werden. In der Zwischenzeit schicken wir Ihnen die PDF auf Anfrage gern zu. Hier eine Kommentierung der Fraktion DIE LINKE: Link
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Frauen und Krise „Täglich berichten die Medien von den Problemen in der Autoindustrie, der Elektro- oder Stahlbranche. Dass es hunderttausende KurzarbeiterInnen gibt, dass die Arbeitslosenzahlen steigen, ist bekannt. Doch die Bevölkerungsgruppe, die - neben ImmigrantInnen - am meisten von der Krise betroffen ist, sind - Frauen. Sie waren die ersten, die ihre Jobs als
befristete oder LeiharbeiterInnen verloren, weil sie 70% der Beschäftigten des Niedriglohnsektors stellen. Die Finanzkrise in den Kommunen trifft vor allem die lohnabhängigen Frauen, wenn Kitas geschlossen oder Gebühren erhöht werden oder wenn Jugendfreizeiteinrichtungen dicht machen…“ Artikel von Christine Schneider (arbeitermacht.de) in Linke Zeitung vom 03.03.2010 Link
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Der nächste Equal Pay Day findet am 26. März 2010 statt, siehe die Aktionsseite Link
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Algerien: »Sie üben Verrat an uns«. Frauenrechtlerinnen im Maghreb kritisieren unsolidarische Europäer. Gespräch mit Wassyla Tamzali von Christine Belakhdar in junge Welt vom 05. 03.2010.
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Kurdistan: „Seit fast 100 Jahren wird der 8.März als internationaler Frauentag gefeiert und weltweit gehen an diesem Tag Frauen auf die Strasse um gegen patriachale Zwänge zu protestieren. In Kurdistan und der Türkei, wo patriachale und feudale Zwangstrukturen innerhalb der Familien und deren Gesellschaft noch sehr viel unvermittelter als in Europa wirken, hat der 8.März eine sehr viele grössere Bedeutung als in der BRD und wird kämpferischer begangen. Gerade die kurdische Frauenbewegung, die über eine eigene Guerilla und eine eigene Partei verfügt, hat in den letzten Jahren immer mehr Einfluss in den kurdischen Gebieten gewonnen und arbeitet eifrig daran patriachale Zwangssystem auf den Müllhaufen der Geschichte zu werfen. Eine kleine Zusammenfassung der bisher zum 8.März gelaufenen
Aktionen…“ Bericht von Ronahi bei indymedia vom 07.03.2010
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Afghanistan: „Zum heutigen Internationalen Frauentag fordern afghanische Frauenrechtlerinnen den Abzug der westlichen Truppen vom Hindukusch. Die Diskriminierung der Frauen sei unter der Besatzung und dem Marionettenregime Karzai nach wie vor katastrophal,urteilt die älteste und bekannteste afghanische Frauenorganisation RAWA. Ihren Befund bestätigen neue Berichte von Menschenrechtsorganisationen. Während es in der westlichen Propaganda immer noch heißt, man wolle die afghanischen Frauen vor den Taliban schützen, geht die Abschaffung einstiger Frauenrechte in Afghanistan tatsächlich auf eine westliche Intervention zurück. Um prosowjetische Kreise von der Regierung in Kabul zu verjagen, unterstützten USA und BRD seit 1979 die reaktionärsten Kräfte in Afghanistan, die bei ihrer Machtübernahme Anfang der 1990er Jahre Frauen in bis dahin beispielloser Weise diskriminierten. Zahlreiche damals zu Einfluss gekommene Warlords gehören heute wieder zu den bevorzugten
Kooperationspartnern des Westens. Man wäre "besser dran", heißt es bei RAWA, wenn der Westen rasch abzöge und "nicht Milliarden Dollar in die Taschen der reaktionärsten Elemente der Gesellschaft schaufle"...“
Link
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Frauenrechte: Stillstand so weit das Auge reicht. Bei der 4. Weltfrauenkonferenz 1995 in Peking verabschiedeten die Regierungen einen globalen Masterplan zur Umsetzung von Frauenrechten: die Aktionsplattform von Peking. Seitdem müssen sie alle fünf Jahre Umsetzungsberichte bei den UN vorlegen. 15 Jahre nach der
Peking-Konferenz findet vom 1.-12. März die dritte Bilanzsitzung der Frauenrechtskommission statt. Eine Zusammenschau von fünf Regionalberichten der Vereinten Nationen von Christa Wichterich siehe den unten stehenden Link.

Link: http://www.weltwirtschaft-und-entwicklung.org/wearchiv/042ae69d280abc201.php
Quelle: Süddeutsche ,7.2.97 Büro gegen Altersdiskriminierung, Labournet.de