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EuGH: Altersgrenze Feuerwehrleute+Zahnärzte ist O.K.

12.01.2010 - von ra-online

Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften hat am 12.01.2010 entschieden: Das Höchstalter für die Einstellung bestimmter Feuerwehrleute auf 30 Jahre und das Alter für das Ende der Tätigkeit als Vertragszahnarzt auf 68 Jahre festzulegen, ist zulässig.

Die Altersgrenze für Feuerwehrleute stellt keine verbotene Diskriminierung wegen des Alters dar, wenn sie Feuerwehrleute betrifft, die unmittelbar an der Brandbekämpfung beteiligt sind; die Altersgrenze für Zahnärzte ist nur dann keine solche Diskriminierung, wenn diese Begrenzung in geeigneter und widerspruchfreier Weise einem Ziel des Gesundheitsschutzes oder der Beschäftigungspolitik dient.
Nationalen Maßnahmen zum Gesundheitsschutz steht die Richtlinie 2000/78/EG vom 27. November 2000 nicht entgegen. Sie verbietet u. a. die Diskriminierung wegen des Alters in Beschäftigung und Beruf. Sie dem nationalen Gesetzgeber, vorzusehen, dass eine Ungleichbehandlung in bestimmten Fällen, obwohl sie auf das Alter oder auf ein Merkmal gestützt ist, das im Zusammenhang mit dem Alter steht, keine Diskriminierung und daher nicht verboten ist.

Eine Ungleichbehandlung wegen eines Merkmals, das im Zusammenhang mit dem Alter steht, ist zulässig, wenn dieses Merkmal aufgrund der Art einer bestimmten beruflichen Tätigkeit oder der Bedingungen ihrer Ausübung eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung darstellt. Eine Ungleichbehandlung wegen des Alters kann auch dann zulässig sein, wenn sie erforderlich ist, um die Gesundheit zu schützen, oder auch dann, wenn sie durch ein legitimes Ziel u. a. in den Bereichen Beschäftigungspolitik, Arbeitsmarkt oder berufliche Bildung gerechtfertigt ist.

Das vom Land Hessen festgesetzte Höchstalter von 30 Jahren für die Einstellung von Feuerwehrleuten des mittleren technischen Dienstes, die insbesondere bei der Brandbekämpfung eingesetzt werden, soll die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr gewährleisten.
Das Verwaltungsgericht Frankfurt hatte dem EuGH die Frage zur Ungleichbehandlung wegen Altersdiskriminierung vorgelegt.
Colin Wolf hatte sich bei der Stadt Frankfurt am Main um eine Einstellung in den mittleren feuerwehrtechnischen Dienst beworben. Seine Bewerbung wurde wegen Überschreitung der Altersgrenze von 30 Jahren nicht berücksichtigt. Zum Zeitpunkt des Eingangs seiner Bewerbung war er 29 Jahre alt, wäre jedoch beim nächsten Einstellungstermin 31 Jahre alt gewesen. Das Verwaltungsgericht Frankfurt am Main, vor dem Herr Wolf die Stadt Frankfurt auf Schadensersatz verklagte, fragte den Gerichtshof, welchen Gestaltungsspielraum der nationale Gesetzgeber besitzt, um vorzusehen, dass Ungleichbehandlungen wegen des Alters keine durch das Gemeinschaftsrecht verbotene Diskriminierung sind.

Im Urteil in der Rechtssache Wolf stellt der Gerichtshof fest, dass die Richtlinie dieser Altersgrenze, wie sie das Land Hessen für die Einstellung von Feuerwehrleuten des mittleren technischen Dienstes festgelegt hat, nicht entgegensteht. Die durch diese Altersgrenze hervorgerufene Ungleichbehandlung wegen des Alters erfüllt laut EuGH alle in der Richtlinie vorgesehenen Voraussetzungen, um gerechtfertigt zu sein. So stellt das Bemühen, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr zu gewährleisten, einen rechtmäßigen Zweck dar. Zudem kann eine besonders ausgeprägte körperliche Eignung als eine wesentliche und entscheidende berufliche Anforderung angesehen werden, um den Beruf des Feuerwehrmanns im mittleren technischen Dienst auszuüben, dessen Angehörige u. a. an der Brandbekämpfung und der Personenrettung beteiligt sind. Das Erfordernis der vollen körperlichen Eignung zur Ausübung dieser Tätigkeit steht im Zusammenhang mit dem Alter der Angehörigen dieses Dienstes, da nach den von der deutschen Regierung vorgelegten wissenschaftlichen Daten nur sehr wenige der Beamten, die älter als 45 Jahre sind, über die hinreichende körperliche Eignung verfügen, um ihre Tätigkeit im Bereich der Brandbekämpfung auszuüben. Im Übrigen kann die Altersgrenze als eine Regelung angesehen werden, die zum einen dem Ziel, die Einsatzbereitschaft und das ordnungsgemäße Funktionieren der Berufsfeuerwehr zu gewährleisten, angemessen ist und zum anderen nicht über das hinausgeht, was zur Erreichung dieses Ziels erforderlich ist.

Zulassung als Vertragszahnarzt endet mit Vollenden des 68. Lebensjahres

In der Rechtssache Petersen sah das deutsche Sozialgesetzbuch in seiner für diese Rechtssache geltenden Fassung vor, dass die Zulassung zur Ausübung der Tätigkeit eines Vertragszahnarztes im Rahmen des deutschen Systems der gesetzlichen Krankenversicherung mit Ablauf des Kalendervierteljahres endete, in dem der Vertragszahnarzt das 68. Lebensjahr vollendete. Außerhalb dieses Vertragszahnarztsystems können Zahnärzte ihren Beruf unabhängig von ihrem Alter ausüben. In Deutschland sind 90 % der Patienten in der gesetzlichen Krankenversicherung versichert.
Das Sozialgericht Dortmund legte dem EuGH Fragen zur Vereinbarkeit der Altersgrenze mit Richtlinie 2000/78/EG.

Der Fall: Domnica Petersen war seit 1974 zur vertragszahnärztlichen Versorgung zugelassen. Im April 2007 vollendete sie ihr 68.Lebensjahr. Vor dem Sozialgericht Dortmund beanstandete sie den Bescheid des zuständigen Berufungsausschusses für Zahnärzte, wonach ihre Zulassung zur Tätigkeit als Vertragszahnärztin Ende Juni 2007 endete. Das Sozialgericht Dortmund hat dem Gerichtshof mehrere Fragen zur Vereinbarkeit dieser Altersgrenze mit der Richtlinie 2000/78 gestellt. Es führt u. a. aus, dass diese Altersgrenze nach Auffassung des Bundesverfassungsgerichts durch die Notwendigkeit gerechtfertigt sei, die Patienten zu schützen, und dass sie nach Auffassung des Bundessozialgerichts durch das Ziel gerechtfertigt sei, die Berufschancen jüngerer Vertragszahnärzte zu erhalten.

Im Urteil Petersen stellt der Europäische Gerichtshof fest, dass es ein Mitgliedstaat zulässigerweise für erforderlich halten kann, für die Ausübung eines ärztlichen Berufs wie desjenigen eines Zahnarztes eine Altersgrenze festzulegen, um die Gesundheit der Patienten zu schützen. Die Richtlinie steht jedoch einer nationalen Maßnahme, mit der für die Ausübung des Berufs des Vertragszahnarztes eine Höchstaltersgrenze, im vorliegenden Fall 68 Jahre, festgelegt wird, entgegen, wenn diese Maßnahme nur das Ziel hat, die Gesundheit der Patienten vor dem Nachlassen der Leistungsfähigkeit von Vertragszahnärzten, die dieses Alter überschritten haben, zu schützen, da diese Altersgrenze nicht für Zahnärzte außerhalb des Vertragszahnarztsystems gilt. Eine solche Maßnahme ist nämlich widersprüchlich und kann daher nicht als für den Gesundheitsschutz erforderlich angesehen werden. Dagegen steht die Richtlinie einer solchen Altersgrenze nicht entgegen, wenn diese die Verteilung der Berufschancen zwischen den Generationen innerhalb der Berufsgruppe der Vertragszahnärzte zum Ziel hat und wenn sie unter Berücksichtigung der Situation auf dem betreffenden Arbeitsmarkt zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich ist. Das Alter von 68 Jahren erscheint hinreichend weit fortgeschritten, um als Endpunkt der Zulassung als Vertragszahnarzt zu dienen.

Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, festzustellen, welches Ziel mit der Altersgrenze für Vertragszahnärzte verfolgt wird. Wenn diese Altersgrenze unter Berücksichtigung des mit ihr verfolgten Ziels gegen die Richtlinie verstößt, muss das nationale Gericht, bei dem ein Rechtsstreit zwischen einem Einzelnen und einem Verwaltungsorgan wie dem Berufungsausschuss für Zahnärzte anhängig ist, sie selbst dann unangewendet lassen, wenn sie vor dem Inkrafttreten der Richtlinie eingeführt wurde und das nationale Recht ihre Nichtanwendung nicht vorsieht.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=3078
Quelle: ra-online