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Bundesbildungsministerium diskriminiert doch

28.10.2009 - von Hanne Schweitzer

Das Förderprogramm "Begabtenförderung berufliche Bildung" des Bundesministeriums für Bildung + Forschung ist altersdiskriminierend. Das Programm verstößt gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) und gegen die Richtlinie 2000/78/EG.

Das Förderprogramm wurde 1991 gestartet. Unter anderem werden daraus Stipendien an hochqualifizierte AbsolventInnen beruflicher Ausbildungen vergeben. Sie erhalten, verteilt auf drei Jahre, berufsfachliche, berufsübergreifende bzw. persönlichkeitsbildende Weiterbildungsmaßnahmen eine finanzielle Unterstützung von maximal 5.100,- €. Die Industrie- und Handelskammern legen, in Abstimmung mit den Richtlinien des Bundesministeriums, die Grundsätze und die Ausgestaltung des Vergabeverfahrens fest, sie entscheiden über die Bewerberauswahl sowie über die Zuweisung der Fördermittel.
Ende 2008 wurden rund 15.700 StipendiatInnen gefördert. So weit, so gut. Betrachtet man aber den "förderungsfähigen Personenkreis" für dieses Stipendium, gerät man ins Grübeln.

Die Vergabe der Stipendien "Begabtenförderung berufliche Bildung" enthält eindeutig definierte Altersgrenzen. In den Richtlinien des Ministeriums (Fassung vom 1. September 2008) heißt es dazu: "Bei Aufnahme in die Begabtenförderung berufliche Bildung darf die Stipendiatin/der Stipendiat das 25. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Durch Anrechnung von Zeiten des Mutterschutzes, von Elternzeit, des Grundwehr- oder Zivildienstes eines freiwilligen sozialen Jahres, eines freiwilligen ökologischen Jahres, oder einer Tätigkeit als Entwicklungshelferin/Entwicklungshelfer, des Besuchs beruflicher Vollzeitschulen, einer schwerwiegenden Erkrankung von mehr als drei Monaten Dauer kann die Aufnahme als Stipendiatin/Stipendiat auch nach dem 25. Lebensjahr erfolgen. Die Anrechnungsfähigkeit der Zeiten wird auf höchstens drei Jahre begrenzt."

Entsprechend ist auf der Webseite der IHK Hamburg zu lesen: "*Sie sind zum Zeitpunkt der Aufnahme in das Förderprogramm – Aufnahme jeweils im März/April – unter 25 Jahre alt. Ausfallzeiten (z. B. Dienstpflicht, Elternzeit, Mutterschaftsurlaub, freiwilliges soziales Jahr, berufliche Vollzeitschule, mehr als dreimonatige Arbeitsunfähigkeit) können bis zu einer Summe von 36 Monaten angerechnet werden."

Wie verträgt sich diese Altersvorgabe von maximal 28 Jahren mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das immerhin seit dem 2006 in Kraft ist? Darin heißt es: "Benachteiligungen aus Gründen der ´Rasse`, ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion, Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters, der sexuellen Identität sind nach Maßgabe dieses Gesetzes unzulässig in Bezug auf: 3. den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsbildung einschließlich der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung sowoie der praktischen Berufserfahrung."

Es widerspricht also dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz, das Höchstalter für ein solches Stipendium auf 28 Jahre festzulegen. Es widerspricht ebenfalls der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11.2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf. Dort kann man nachlesen, dass die Richtinie für alle Personen in öffentlichen und privaten Bereichen, einschließlich öffentlicher Stellen gilt in Bezug auf: "den Zugang zu allen Formen und allen Ebenen der Berufsberatung, der Berufsausbildung, der beruflichen Weiterbildung und der Umschulung, einschließlich der praktischen Berufserfahrung."

Offen für Interpretationen steht in der Richtinie § 6 (1) a) lediglich: "Gerechtfertigte Ungleichbehandlungen wegen des Alters können inesbsondere Folgendes einschließen: "die Festlegung besonderer Bedingungen für den Zugang zur Beschäftigung und zur beruflichen Bildung ..., um die berufliche Eingliederung von Jugendlichen, älteren Arbeitnehmern und Personen mit Fürsorgepflichten zu fördern oder ihren Schutz zu sichern."

Dient also die Vergabe eines Stipendiums an maximal 28Jährige "der beruflichen Eingliederung von Jugendlichen"? Doch wohl eher nicht. Denn als StipendiatInnen kommen bekanntlich nur "hochqualifizierte AbsolventInnen beruflicher Ausbildungen" in Frage. Die aber können nur hochqualifiziert sein, wenn sie zuvor beruflich eingegliedert waren, sonst würden sie nicht als "Absolventinnen beruflicher Ausbildungen" bezeichnet.

Bleibt also die Frage, warum "hochqualifizierte AbsolventInnen beruflicher Ausbildungen", die sich um eine Stipendum bewerben, nicht älter als 28 Jahre sein dürfen? Zum Beispiel 29, 36 oder 41 Jahre. Haben wir es hier mit einer nicht widerlegbaren Vermutung zu tun? Die da lautet: über 25 bzw. 28Jährige gelten unumstößlich als zu alt, und sie erhalten auch nicht den Hauch einer Chance, das Gegenteil zu beweisen?
HS. 19.10.2009
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Das Bundesbildungsministerium und die IHK-Hamburg habe ich am 19.10.2009 um eine Stellungnahme zum obigen Sachverhalt gebeten. Die IHK-Hamburg hatte es bis Ende des Jahres 2009 nicht nötig,auf die Anfrage zu reagieren. Das Bundesministerium antwortete am 28.10.2009 das Folgende:

Sehr geehrte Frau Schweitzer,
haben Sie vielen Dank für Ihr Schreiben an das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF), mit dem Sie sich nach der Altersgrenze in dem Programm „Begabtenförderung berufliche Bildung“ erkundigen. Ich wurde gebeten, Ihnen zu antworten.

Wie Sie wissen, ist in dem Programm „Begabtenförderung berufliche Bildung“ eine Altersgrenze bei dem 25. Lebensjahr vorgesehen. Unabhängig von der Frage, ob das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) vorliegend überhaupt Anwendung findet, liegt kein Verstoß gegen das AGG vor. Gem. § 10 S. 1 AGG ist ungeachtet des § 8 AGG eine unterschiedliche Behandlung wegen des Alters auch zulässig, wenn sie objektiv und angemessen und durch ein legitimes Ziel gerechtfertigt ist. Die von Ihnen erwähnte Richtlinie 2000/78/EG findet keine unmittelbare Anwendung auf das Programm „Begabtenförderung berufliche Bildung“.

Das AGG basiert u.a. auf dieser Richtlinie und ist damit für das nationale Recht allein maßgeblich.
Nach der Präambel der Richtlinien zum Programm „Begabtenförderung berufliche Bildung“ zielt dieses auf die persönliche und berufliche Entfaltung der Handlungskompetenz begabter und leistungsbereiter junger Menschen nach ihrer Berufsausbildung ab. Die Förderung von Benachteiligten und Ungelernten einerseits und die besonders Begabter und Leistungsfähiger andererseits sind zwei Seiten derselben Politik, die das breite Spektrum der individuellen Leistungsfähigkeit und -bereitschaft aktivieren hilft. Dies liegt im Interesse des Einzelnen wie auch von Wirtschaft und Gesellschaft. Im Hinblick darauf, dass berufliche Qualifikationen zu den entscheidenden Ressourcen für Wachstum und Beschäftigung gehören, steht die Zielsetzung der „Begabtenförderung berufliche Bildung“ im Einklang mit den Antidiskriminierungsregeln, da das AGG spezifische positive Gleichstellungsmaßnahmen zur Behebung bestehender Ungleichgewichte ausdrücklich zulässt. Darüber hinaus werden in Bezug auf die Festlegung der Altersgrenze bei dem 25. Lebensjahr mögliche Benachteiligungen durch die Berücksichtigung von Anrechnungszeiten verhindert (s. 1.3 Richtlinie Begabtenförderung berufliche Bildung). Im Übrigen sehen auch vergleichbare Förderinstrumente, wie z.B. das Bundesausbildungsförderungsgesetz (BAföG) ähnliche Altersgrenzen vor. Anders als bei der Anspruchsleistung des BAföG besteht jedoch im Rahmen des Programms „Begabtenförderung berufliche Bildung“ kein Anspruch auf den Bezug eines Weiterbildungsstipendiums.

Mit freundlichen Grüßen,
Stefan Angermüller
Bundesministerium für Bildung und Forschung Referat 122
Übergreifende Fragen der Nachwuchsförderung,Begabtenförderung
11055 Berlin
28.10.2009

Link: Mit 25 zu alt für Begabtenförderung
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung