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Beske bläst zum Angriff auf Gesundheitssystem

26.08.2009 - von W.S + Hanne Schweitzer

Reiche leben bekanntlich fünf Jahre länger. Diesen Vorsprung gilt es auszubauen. Darum sollen die gesetzlich Versicherten ihre Krankenversorgung künftig selbst bezahlen. Die bösen Alten belasten die Krankenkassen! Link

Auf diese einfache Formel läßt sich reduzieren, was eine Studie des Kieler Institus für Gesundheits-System-Forschung (IGSF) herausgefunden hat: Die Kosten im Gesundheitssystem werden angeblich bis 2050, also innert der nächsten 40 Jahre EXPLODIEREN.
Bumm.
Deshalb, so Fritz Beske, Direktor des Instituts, werden wir um "die Thematik Priorisierung und Rationalisierung" nicht herumkommen. Siehe Großbrintannien, wo Altersgrenzen an der Tagesordnung sind, oder siehe Gregor Gysi, um nur ein Beispiel zu nennen, der eine Bypass Operation für 70Jährige für markwirtschaftlich nicht erklärbar erklärte.

Karsten Vilmar, Präsident der Ärztekammer drückte es 1988 im NDR anders - in der Tendenz aber ähnlich aus: „Dann müssen die Patienten mit weniger Leistung zufrieden sein, und wir müssen insgesamt überlegen, ob diese Zählebigkeit anhalten kann, oder ob wir das sozialverträgliche Frühableben fördern müssen.“

Vilmar sagte wörtlich: „Dann müssen die Patienten mit weniger Leistung zufrieden sein, und wir müssen insgesamt überlegen, ob diese Zählebigkeit anhalten kann, oder ob wir das sozialverträgliche Frühableben fördern müssen.“ Auf die Nachfrage, ob die von der rot/grünen Bundesregierung geplanten Kürzungen der Arzthonorare zu einem früheren Tod von Patienten führen würden, entgegnete Vilmar: „Wird diese Reform so fortgesetzt, dann wird das die zwangsläufige Folge sein.“

Zurück zu Beske. Der propagiert nicht erst seit heute den konsequenten Abbau der ehemals solidarisch erkämpften (!) gesetzlichen Krankenversicherung. Geht es nach ihm und einer gefährlich zunehmenden Zahl sogenannter Gesundheitsexperten und -Politikern, sollen die Kassen fortan nur noch eine "Grundversorgung" der zum Teil jahrzehntelangen Beitragszahler übernehmen. Wer mehr haben will, muss das halt aus eigener Patiententasche zahlen. Wie kann man auch nur so blöd sein und glauben, das einmal erkämpfte Leistungsniveau hielte für immer und ewig.

Das Öffentlich-Rechtliche ZDF-heute-nacht bläst ins gleiche Horn, wie Beske. Die in Berlin vorgestellte Studie wurde am 26. August 2009 um 00:30 Uhr so kommentiert: "Herzinfarkte, Schlaganfälle, Diabetes, Demenz – solche Krankheiten treffen vor allem ältere Menschen und von denen gibt es immer mehr in Deutschland. – zumindest im Verhältnis zu den jungen Menschen, die seltener krank werden, dafür aber fleißig Krankenkassen - Beiträge zahlen."

Auftritt Fritz Beske, Institut für Gesundheit-System-Forschung. "Es ist eine nahezu dramatische Entwicklung denn die Alterskrankheiten nehmen in einem bisher ungeahnten Ausmaß zu und die Versorgung ist nicht gesichert."
Moderator: "Das Fritz-Beske-Institut hat jetzt erstmals
eine Hochrechnung für 22 alters-typische Krankheiten erstellt – die Tendenz: In der Tat alarmierend. So steigt bis zum Jahre 2050 allein die Zahl der jährlichen Herzinfarkte um 109 Prozent, Oberschenkelhalsbrüche nehmen um 125 Prozent zu, bei den jährlichen Neuerkrankungen an Demenz wird sogar ein Plus von 155 Prozent geschätzt."

155 Prozent! Da klingeln selbst bei völlig unbemittelten Zeitgenossen die Warnglocken. 155 Prozent, das ist mehr als die Hälfte mehr von 100 Prozent! Jesses, da ist etwas aus der Balance.

Die Ergebnisse der Studie können von der Berichterstattung geschickt genutzt werden, um die Öffentlichkeit auf Kürzungen bei den Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen vorzubereiten, besser einzuschwören, denn die Leute sollen ja wollen, was sie in Zukunft sollen.
1.
Kein Sterbenswörtchen wird darüber gesagt, wie unseriös solch langfristige Prognosen sind. (Wer hat vor 40 Jahren den Zusammenbruch von DDR und Sowjetunion in seinen Prognosen berücksichtigt?)
2.
Kein Sterbenswörtchen darüber, dass der demografische Wandel bereits Ende des 19. Jahrhunderts begonnen hat. Den Moderator interessiert nicht, dass Alterskrankheiten schon seitdem zugenommen haben, und Mediziner, Gesundheitsforschung, pharmazeutische Industrie und Konsumgüterindustrie, die Pflegeindustrie und der Tourismus erheblich davon profitieren, dass die Lebenserwartung steigt.
3.
Der Moderator verliert kein Wort darüber, dass die Krankenkassen ein besseres finanzielles Polster hätten, wenn all die Arbeitslosen der vergangenen Jahrzehnte Arbeit gehabt und in die Kassen hätten einzahlen können. Und die Arbeitgeber sich zur Hälfte an den Kosten der Gesundheitsversorung beteiligt hätten und in Zukunft würden.
4.
Der ZDF-Kommnentar suggeriert, dass junge Menschen allenfalls mal einen Schnupfen haben, ansonsten aber nicht krank werden. Er suggeriert, dass Kinder und Jugendliche eigene Krankenkassenbeiträge zahlen. Beides ist Unfug. Schon Kinder erkranken an Krebs. Und weder Jugendliche noch Kinder zahlen eigene Krankenversicherungsbeiträge. Auch 40Jährige erleiden Herzinfarkte, Teenager erkranken an Diabetis, 50 Jährige sind dement.
5.
Der Moderator unterschlägt, dass die Einzigen, die zuverlässig einen hohen Krankenkassenbeitrag zahlen, die lohnabhängigen ArbeitnehmerInnen - und wenn diese in die Jahre gekommen sind, die RentnerInnen sind, also die sogenannten vielgeschmähten Alten. Seit dem 1.1.2004 zahlen sie im Vergleich zu vorher sogar den doppelten Krankenkassenbeitrag. Sie müssen einen Krankenkassenbeitrag auf ihre Direktversicherungen abführen. Und auch von der Witwen- oder Witwerrente wird ihnen ein Krankenkassenbeitrag abgezogen. RentnerInnen, so begründete das Bundessozialgericht 2005 zynisch, sollen sich "in angemessenem Umfang an der Finanzierung der Leistungsaufwendungen für sie beteiligen."

Kein Wort davon im ZDF, kein Wort davon in anderen Kommentaren zu Beskes Studie. Die ist Wasser auf die Mühle derer, die das gesetzliche Krankenversicherungssstem endgültig zerschlagen wollen. Deshalb: RentnerInnen aller Altersklassen, vereinigt euch!

Und bitte Anne Will und Anne Will-Redaktion, Maybritt Illner und Maybritt Illner-Redaktion: Ersparen Sie uns eine Sendung zu dieser Studie. Wir werden sonst KRANK!

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2757
Quelle: Büro gegen Altersdiskriminierung

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