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Pflegebedürftigkeit: Begriff neu definiert

03.02.2009 - von Hanne Schweitzer

Nach zwei Jahren und vier Monaten hat ein vom Bundesgesundheitsministerium beauftragter Beirat* seinen Bericht zur Neudefinition des Begriffs der Pflegebedürftigkeit vorgelegt. Seit Einführung der Pflegeversicherung wurde dieser Begriff als zu eng und zu verrichtungsbezogen (was für ein Wort!)kritisiert.

Ziel der Beiratsarbeit war laut Gesundheitsministerin Ulla Schmidt: "Die oft kritisierte Minutenpflege muss der Vergangenheit angehören."

In Abstimmung mit dem Bundesministerium für Gesundheit und dem Beirat führten die Spitzenverbände der Pflegekassen deshalb ein umfangreiches Modellprojekt durch.

Die neue Definition des Begriffs "Pflegebedürftigkeit" geht nun nicht mehr von der erforderlichen Pflegezeit aus, sondern, wie in Kalifornien schon seit vielen Jahren etabliert, vom Grad der Selbstständigkeit, mit der ein pflegebedürftiger Mensch das tägliche Leben meistert. Bewertet werden die Lebensbereiche: Mobilität, Körperpflege, An- und Ausziehen, Essen und Trinken, Gedächtnis und Wahrnehmung, Medikamenteneinnahme, Wundversorgung, Gestaltung des Alltagslebens und soziale Kontakte.

Die Befunde aus diesen Bereichen werden summiert und fünf statt bisher drei Pflegestufen zugeordnet. Diese heißen: 1. "geringe", 2. "erhebliche", 3. "schwere" und 4. "schwerste Pflegebedürftigkeit", Stufe fünf heißt: "besondere Bedarfskonstellation".

Die Gesundheitsministerin geht leider nicht davon aus, dass sie die Vorschläge noch in dieser Legislaturperiode in einem Gesetzentwurf einbringen könne. Warum sie nicht davon ausgeht, hat Ulla Schmidt nicht mitgeteilt.

Katrin Markus von der BIVA (Bundesinteressenvertretung der Nutzerinnen und Nutzer von Wohn- und Betreuungsangeboten
im Alter und bei Behinderung e.V.) hilft uns auf die Sprünge: „Die Umsetzung darf nicht an der Finanzierbarkeit der Kosten scheitern. Die hilfebedürftigen älteren Menschen in den Einrichtungen wie in der häuslichen Pflege sind schon oft bis an die Grenze des finanziell Möglichen belastet und gleiten immer mehr in die Sozialhilfe ab. Wenn Milliardenprogramme für die Finanz- und Automobilwirtschaft aufgelegt werden, Geld also verfügbar ist, wenn der politische Wille da ist, können die Pflegebedürftigen und diejenigen, die sich um sie kümmern, mit Recht erwarten, dass dies auch zur Linderung ihrer Nöte zur Verfügung gestellt wird. Pflege ist bekanntlich ein Zukunftsmarkt, in den zu investieren lohnt.“

Sollte die Gesundheitsministerin das vergessen haben? Und was ist mit CDU-Pflegeexperte Willi Zylajew? Die Neubestimmung des Pflegebedürftigkeitsbegriffs darf nichts kosten, die neu definierten Leistungen müssten sich im Rahmen des Finanzbudgets der Pflegeversicherung bewegen, meinte er.

*
Im Beirat, der am 13. November 2006 erstmalig zusammenkam, waren vertreten: Gesetzliche Krankenkassen, private Krankenkassen, Sozialverbände, Gewerkschaften, Pflegewissenschaftler, Selbsthilfegruppen.

Vorsitzender des Beirats zur Überarbeitung des Begriffs der Pflegebedürftigkeit war Wilhelm Schmidt, er ist ebenfalls Vorsitzender des Deutschen Vereins für öffentliche und private Fürsorge e.V.

Link: http://www.altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=2913
Quelle: diverse

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