Europäische Union - 20.05.2008 - von Bundesgrüne
Heute hat das Europäische Parlament den Lynne-Bericht über die europäische Antidiskriminierungspolitik (2007/2202(INI) beschlossen. Der Beschluss des EU-Parlaments sagt: Es ist nicht sinnvoll, Diskriminierung in einem Punkt zu verbieten und in einem anderen zuzulassen. Darum unterstützt das Parlament ausdrücklich Pläne der Kommission für eine neue Antidiskriminierungs-Richtlinie, die für ein gleiches Schutzniveau bei jeder Form der Diskriminierung sorgen soll.
Genau das versucht die schwarz-rote Bundesregierung aber in Brüssel um jeden Preis zu verhindern. Dazu erklären Volker Beck, Parlamentarischer Geschäftsführer, und Irmingard Schewe-Gerigk, Parlamentarische Geschäftsführerin der Bundesgrünen:
Wir fordern die Bundesregierung auf, nicht länger den Kaczynski der europäischen Antidiskriminierungspolitik zu spielen. Eine Fortentwicklung des europaweiten Schutzes vor Benachteiligung droht derzeit am Veto der deutschen Bundesregierung zu scheitern. CDU/CSU und Kanzleramt haben in den vergangenen Monaten die EU-Kommission mit Verweis auf ihre gewünschte Wiederwahl in unerhörter Weise unter Druck gesetzt.
Dieser Blockadepolitik hat das Europäische Parlament jetzt eine Abfuhr erteilt. Mit seiner Entschließung hat es deutlich gemacht: Die europäischen Grundrechte sind wichtiger als ideologische Vorbehalte. Es wird Zeit, dass die Bundesregierung endlich anerkennt, dass Geschlechtergerechtigkeit und Anerkennung von Verschiedenheit die Erfolgsrezepte einer zukunftsorientierter Wirtschaftspolitik sind.
Im Europarecht ist der rechtliche Schutz vor Diskriminierung aufgrund von Alter, Behinderung, Religion/Weltanschauung und sexueller Orientierung bisher auf den Bereich Beschäftigung beschränkt. Bei Diskriminierung wegen "Rasse" oder ethnischer Herkunft reicht der europarechtliche Schutz dagegen weiter und umfasst auch die Bereiche Gesundheit, Bildung und den Zugang zu Gütern und Dienstleistungen.
Diskriminierung beim Schutz vor Diskriminierung ergibt keinen Sinn – weder in Deutschland noch in Europa. Darum fordern die Bundesgrünen mit einem Antrag im Bundestag, dass die Bundesregierung auch in Brüssel den Ansatz "Gleiches Recht für alle" verfolgt (Drs. 16/8198).
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Zur heutigen Abstimmung des Fortschrittsberichts zur Chancengleichheit und Nichtdiskriminierung im Europäischen Parlament erklärt die gleichstellungspolitische Sprecherin und Mitglied des Europaparlaments für die SPE:
"Es ist ein gutes Zeichen, dass der Bericht deutlich angenommen wurde. Antidiskriminierungspolitik umfasst alle Kriterien aus Artikel 13 und muss auch Mehrfachdiskriminierungen endlich zur Kenntnis nehmen. Antidiskriminierungspolitik ist nur dann glaubwürdig, wenn sie nicht selbst diskriminiert". Der Bericht wurde mit einer Mehrheit von 362 Stimmen quer durch alle Fraktionen angenommen, gegen 262 Stimmen mehrheitlich von EVP und den deutschen Liberalen. "Gerade die deutschen Konservativen sind bei ihrer Ablehnung geblieben und stellen somit klar, dass sie die Werte und Grundsätze der Union nur in Sonntagsreden vertreten wollen. Sie wollen keine echte Gleichbehandlung, die Diskriminierung von Schwulen und Lesben zum Beispiel soll weiterhin legitimiert werden".
Die Ablehnung dieser Politik von Seiten der Wirtschaft kann nicht länger geduldet werden. Moderne Unternehmen setzen in ihrem eigenen Interesse schon lange auf Antidiskriminierungspolitik, weil Diskriminierung Geld kostet. Diese Erkenntnis allerdings hat sich bis zu den Unternehmensverbänden noch nicht durch gesprochen", so Lissy Gröner, Vizepräsidentin der Gay and Lesbian Intergroup im Europäischen Parlament.
Mit dem Abstimmungsergebnis wurde deutlich, dass Menschenrechte in Europa unteilbar sind und es im Europäischen Parlament keine Mehrheiten für Diskriminierung und Hierarchisierung von Diskriminierung gibt. Jetzt hat die Kommission einen klaren Arbeitsauftrag für eine umfassende Antidiskriminierungsrichtlinie.
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Und die Antidiskriminierungsbeauftragte des Bundes hüllt sich in Schweigen.
DIHK und ZDH haben in einer gemeinsamen Presseerklärung eine weitere Verschärfung der Antidiskriminierungsrichtlinien kategorisch abgelehnt.
Darauf macht IHK-Rechtsexpertin Ulrike Augustin aufmerksam. Anlass für die "Mahnung" der beiden Spitzenverbände ist die Forderung des Europäischen Parlaments nach einer deutlichen Ausweitung des Antidiskriminierungsrechts. Dies verbunden mit dem Hinweis, dass die bestehende Rechtslage zu viele Lücken aufweise und in der EU immer noch Millionen von Menschen täglich diskriminiert würden.
Bis Ende Juni 2008 will die EU-Kommission nun neue Vorschläge für Nichtdiskriminierungsmaßnahmen vorlegen. DIHK und ZDH halten dieses Vorhaben aus Sicht der Wirtschaft für untragbar. In der Pressemeldung heißt es, die Ziele der Gleichbehandlung könnten hinreichend auf nationaler Ebene weiterverfolgt werden. Bereits durch die bestehenden Antidiskriminierungsrichtlinien seien die "finanziellen und bürokratischen Belastungen der Wirtschaft ausgereizt".
Den deutschen Unternehmen seien im ersten Jahr der Einführung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes mehr als 1,73 Milliarden Euro zusätzlicher Kosten entstanden. DIHK und ZDH fordern die EU-Kommission daher auf, auf weitere EU-Aktionspläne und Auslegungsleitlinien zu verzichten. Hinsichtlich der bereits bestehenden EU-Antidiskriminierungsrichtlinien hat die EU-Kommission Anfang 2008 gegen Deutschland ein Vertragsverletzungsverfahren wegen unzureichender Umsetzung im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) eingeleitet. Die Bundesregierung hält das AGG jedoch für EU-konform und beabsichtigt daher keine Nachbesserungen.
Mit freundlichen Grüßen
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