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04.11.2025 - von Grüne NRW, Hanne Schweitzer
Außer dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) gilt in Nord-Rhein-Westfalen seit 2021 das Gesetz zur Förderung der gesellschaftlichen Teilhabe und Integration in Nordrhein-Westfalen (Teilhabe- und Integrationsgesetz – TIntG) vom 25.11.2021
§ 7 heißt: Antidiskriminierung
(1)
Das Land ergreift Maßnahmen, die darauf gerichtet und geeignet sind, Diskriminierungen zu verhindern und gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit entgegenzuwirken und das Empowerment von Betroffenen zu unterstützen. Dabei fördert es Beratungsstrukturen, Maßnahmen und Projekte, die in Diskriminierungsfällen begleiten und unterstützen und sich für eine diskriminierungsfreie Gesellschaft einsetzen. Das Land räumt präventiven Maßnahmen zur Verhinderung von Diskriminierung und Mehrfachdiskriminierung Vorrang ein. Das Land kann wissenschaftliche Untersuchungen zu Diskriminierungen, auch merkmalsübergreifend, ihren Ursachen und Folgen, insbesondere zur Identifikation institutioneller und struktureller Diskriminierungsrisiken und deren Abbau unterstützen; ein Rechtsanspruch hierauf besteht nicht.
(2)
Innerhalb der Zuständigkeitsbereiche der obersten Landesbehörden wird für alle Menschen ein Beschwerdemanagement vorgehalten, welches beim Vorbringen von Diskriminierungen durch Behörden des Landes Nordrhein-Westfalen zur Anwendung kommt. Dies umfasst die Benennung einer Ansprechperson, wenn die Effektivität des Beschwerdemanagements nicht auf einem anderen Wege sichergestellt wird. Der Regelungsbereich weiterer landes- oder bundesrechtlicher Bestimmungen bleibt dabei unberührt, insbesondere der des All-gemeinen Gleichbehandlungsgesetzes vom 14. August 2006 (BGBl. I S. 1897) in der jeweils geltenden Fassung.
(3)
Das Land wirkt darauf hin, dass in den Ausbildungsfachrichtungen der öffentlichen Verwaltung des Landes sowie im Rahmen von Fort- und beruflichen Weiterbildungen des Landes das Thema Diskriminierungsschutz, auch merkmalsübergreifend, berücksichtigt wird.
NRW folgt nun dem Beispiel Berlins und bringt ein eigenes Landesgesetz gegen Diskriminierung auf den Weg
Reaktionen:
Die Westdeutsche Allgemeine Zeitung fragt: NRW bekommt ein Gesetz gegen Diskriminierung. Ist das nötig? Die Rheinische Post holt das Bürokratiemonster aus dem Jahr 2006 wieder ans Licht und schreibt: „Bürokratiemonster“ – Polizei sauer wegen Antidiskriminierungsgesetz
Der Kölner Stadt-Anzeiger weiß nicht so recht und schreibt: Papiertiger oder großer Wurf? NRW stellt neues Gesetz gegen Diskriminierung vor. Die FDP-Landtagsfraktion NRW hat an der Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens erhebliche Zweifel, Kettner Edelmetall fragt: Generalverdacht gegen Beamte oder notwendiger Schutz? Die WAZ fragt, Werden NRW-Lehrer bald verklagt? Der Landesintegrationsrat "nennt von den Diskriminierungen, die vom Staat selbst ausgehen, insbesondere die Diskriminierung seitens der Behörden und der Polizei, wie etwa Racial Profiling. Zudem ermögliche das AGG nicht, gegen Diskriminierung im Bildungsbereich vorzugehen. Gerade dort sind sie jedoch ein gravierendes Problem, da sie die Lebenschancen von Kindern und Jugendlichen erheblich benachteiligen und das Bildungsniveau ganzer Generationen prägen. Rassistische Stereotypisierungen und Konnotationen von Menschen mit internationaler Familiengeschichte mit Mängeln und Defiziten führen nachweislich zu entsprechenden Beurteilungen von Entscheidungsträgern."
Das gilt für Kindergartenkinder, Lehrer, Studierende. Was dem zur Zeit vorliegenden Entwurf der schwarz-grünen Landesregierung fehlt, ist der Schutz vor Diskriminierung durch Algorithmen bzw. durch künstliche Intelligenz, die von der Polizei, von Ordnungsämtern und Sozialbehörden immer häufiger eingesetzt werden. Auch fehlt das Diskriminierungsmerkmal des sozialen Status`!
Fragen und Antworten zum geplanten Landesantidiskriminierungsgesetz in Nord-Rhein-Westfalen
Die Landesregierung hat Anfang November einen Gesetzesentwurf zum Schutz vor Diskriminierung im öffentlichen Raum vorgelegt. Mit dem Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) schützt das federführende Ministerium für Gleichstellung unter Ministerin Josefine Paul Menschen, die Diskriminierung von staatlichen Stellen und Behörden des Landes erfahren. In Zeiten zunehmender Diskriminierung in NRW schließt die Landesregierung damit rechtliche Lücken des Bundes. Der Gesetzentwurf wird nun mit verschiedenen Verbänden beraten und soll danach beim Landtag eingebracht werden. Er soll im zweiten Halbjahr 2027 in Kraft treten.
Warum braucht es ein Landesantidiskriminierungsgesetz?
Diskriminierung ist für viele Menschen Alltag – und sie nimmt zu. Das Netzwerk für Antidiskriminierungsarbeit (ada) registrierte im Jahr 2024 über 1000 Fälle. Das ist ein Anstieg um 15 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Besonders häufig wurden rassistische Fälle erfasst; aber auch andere Diskriminierungsformen wie Sexismus, Queerfeindlichkeit und Antisemitismus haben stark zugenommen.
Zwar gibt es auf Bundesebene mit dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) bereits ein Gesetz, das Menschen am Arbeitsplatz, bei der Wohnungssuche oder bei Alltagsgeschäften vor Diskriminierung schützt. Es gilt aber nicht für staatliche Behörden.
Mit dem LADG schließt das Ministerium für Gleichstellung unter Josefine Paul diese Lücke in Nordrhein-Westfalen: Betroffene, die Diskriminierung von staatlichen Stellen des Landes erfahren, werden geschützt.
Wo gilt das LADG?
Das LADG umfasst alle öffentlichen Stellen des Landes Nordrhein-Westfalen. Dazu zählen Landesbehörden und öffentlich-rechtliche Stellen wie z.B. (Fach-)Hochschulen, Polizei und Schulen. Es gilt nicht für Gemeinden, Gemeindeverbände und kommunale Verbände.
Vor welchen Diskriminierungsformen schützt das LADG?
Teil des LADG ist ein Katalog von Diskriminierungsmerkmalen. Dieser Katalog beinhaltet konkrete Formen von Diskriminierung, vor denen das neue Gesetz schützt. Dazu gehören beispielsweise: rassistische Zuschreibungen, Geschlecht, geschlechtliche Identität, ethnische oder soziale Herkunft, Religion/Weltanschauung, Behinderung, Alter und sexuelle Orientierung. Aber auch andere Merkmale wie antisemitische Zuschreibungen, Elternschaft oder familiäre Fürsorgeverantwortung sind von dem Gesetz erfasst.
Besonders an dem Katalog ist seine Offenheit, das heißt: Die oben genannten Diskriminierungsmerkmale können erweitert und damit auch neue Diskriminierungsformen berücksichtigt werden.
Wie schützt mich das LADG als Betroffene*n?
Das LADG schützt Betroffene durch ein allgemeines Diskriminierungsverbot. Es erfasst aber auch Belästigungen und Maßregelungen. Betroffenen wird damit die rechtliche Möglichkeit gegeben, einen Zustand frei von Diskriminierung (wieder) herzustellen.
Konkret können Betroffene Abhilfe (also die Beendigung einer noch andauernden Diskriminierung oder die Beendigung ihrer Folgen), Schadensersatz oder Schmerzensgeld beanspruchen.
Menschen, die Diskriminierung erfahren haben, fällt es oft schwer, diese nachzuweisen. Um Betroffene zu unterstützen, müssen sie laut LADG lediglich Indizien für eine Diskriminierung vorlegen. Die entsprechende Behörde muss ihrerseits beweisen, dass keine Diskriminierung stattgefunden hat.
Wer ist mein*e Ansprechpartner*in als Betroffene*r?
Betroffene melden sich an derjenigen öffentlichen Stelle (also der Behörde), von der sie die Diskriminierung erfahren haben.
Manchmal kann es für Betroffene schwer sein zu erkennen, von welcher Behörde sie diskriminiert wurden. In diesen Fällen können sie sich beispielsweise durch eine der 42 landesgeförderten Servicestellen für Antidiskriminierungsarbeit in Nordrhein-Westfalen beraten lassen. Betroffene können sich außerdem an einen Antidiskriminierungsverband wenden. Diese Stellen können sie im gesamten Prozess beraten und unterstützen, z.B. auch bei außergerichtlichen Einigungen oder bei gerichtlichen Verfahren.
Wie sehen die nächsten Schritte im Gesetzgebungsprozess aus?
Mit dem Gesetzesentwurf zum LADG hat die Landesregierung einen wichtigen Schritt zum Schutz vor Diskriminierung im öffentlichen Raum gemacht. Der Gesetzentwurf wird nun mit verschiedenen Verbänden beraten und soll danach beim Landtag eingebracht werden. Er soll im zweiten Halbjahr 2027 in Kraft treten. Grüne NRW, 3.11.2025
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