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Belgien - 24.07.2025 - von Peter Mertens
Am Vorabend des NATO-Gipfels in Den Haag hat der Belgier Peter Mertens bei Friedensveranstaltungen in Den Haag und Brüssel acht Thesen vorgetragen, um das Wesentliche des Widerstands gegen die fünf Prozent und die damit verbundenen Herausforderungen zu erläutern.
"Ich möchte mich bei den Organisatoren für die Einladung bedanken. Ich habe acht Thesen mitgebracht.
1. Wer sich weigert, die Vereinigten Staaten und Israel zu verurteilen, hat jede Glaubwürdigkeit verloren
Im März 2003 hat eine so genannte Koalition der Willigen unter Führung der Vereinigten Staaten einen illegalen Krieg gegen den Irak begonnen. Es gab keine Zustimmung des UN-Sicherheitsrats, und der Krieg wurde mit drei Hauptargumenten gerechtfertigt: dass der Irak Massenvernichtungswaffen besäße, dass der Irak eine Bedrohung für die globale Sicherheit darstelle und dass ein Regimewechsel für alle von Vorteil wäre.
Keines dieser drei Argumente erwies sich als wahr. Es gab keine Massenvernichtungswaffen, es gab keine wirkliche Bedrohung, und nach der Invasion wurde der Irak zu einem Nährboden für sektiererische Gewalt aller Art. Die Welt ist nicht sicherer, sondern gefährlicher geworden.
Was wir heute mit dem Iran erleben, scheint eine Kopie desselben Ansatzes zu sein. Es werden wieder dieselben drei Argumente angeführt: dass der Iran kurz davor stehe, sich Atomwaffen zu beschaffen, dass er eine Bedrohung für die globale Sicherheit darstelle und ein neues Marionettenregime, das von Washington unterstützt wird, für alle besser wäre.
Dies ist eine Strategie wie aus dem Lehrbuch des Pentagons. Auch hier fehlt die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Das bedeutet: das Vorgehen der Vereinigten Staaten und Israels verstösst gegen das Völkerrecht und stellt nach dem Völkerrecht einen illegalen Angriffskrieg dar.
Die iranischen Kernenergieanlagen sind legal und werden weiterhin von der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEO) überwacht. Der Iran trat der IAEO 1958, kurz nach ihrer Gründung, bei und hält sich seither an ihre Richtlinien für die friedliche Nutzung der Kernenergie. Trotz des starken Drucks aus Washington, Sanktionen zu verhängen, hat die IAEO nie festgestellt, dass der Iran gegen die Regeln verstoßen oder Atomwaffen besessen hat.
Am Samstagabend sandte Trump eine Botschaft an die Welt: Es ist akzeptabel, einen illegalen Angriffskrieg zu führen und Atomanlagen zu bombardieren. Jedes Mitglied der Vereinten Nationen, das diese ungeheuerlichen und illegalen Handlungen nicht aufs Schärfste verurteilt, gibt Trump einen Blankoscheck, damit er weitermachen kann.
Unterdessen explodiert die Messlatte der Heuchelei: Die einzige atomar bewaffnete Macht in der Region ist Israel, das den Atomwaffensperrvertrag nicht unterzeichnet hat und keine Inspektionen durch internationale Gremien akzeptiert.
Gleichzeitig ist es Israel, das einen Völkermord an der Bevölkerung des Gazastreifens begeht, den Libanon und den Jemen bombardiert und einen Teil Syriens besetzt hält. Dennoch gibt es immer noch keine Sanktionen gegen Israel.
Am Vorabend des NATO-Gipfels ist eines klar: Die Vereinigten Staaten und Israel bringen nur mehr Krieg und Instabilität. Jeder, der sich weigert, die USA und Israel zu verurteilen, hat jede Glaubwürdigkeit verloren. Es ist an der Zeit, dass Europa diesem Wahnsinn eine Absage erteilt, anstatt Trump wie ein Schoßhündchen zu folgen.
2. Die 5%-Norm ist eine Trump-Norm
Seit diesem Jahr reden plötzlich alle über fünf Prozent. Fünf Prozent Ausgaben für die NATO. Das ist heutzutage eine heilige Kuh, aber woher kommt diese Kuh? Diese heilige Kuh kommt aus Washington. Es war Trump selbst, der diese Zahl eingeführt hat und sie allen NATO-Mitgliedsstaaten aufzwingen will. Und plötzlich plappert ihm die ganze Welt nach: Es müssen und sollen fünf Prozent sein.
Die Frage ist: Warum will Trump das? Erstens: Weil all dieses Geld hauptsächlich für den Kauf amerikanischer Waffen verwendet wird: Trump will, dass Europa zahlt, damit sich die USA auf China konzentrieren können.
Trumps bester Papagei ist Marc Rutte, der jetzige NATO-Chef: „Wir geben mehr aus, damit sich die USA zum Beispiel auf den indopazifischen Raum konzentrieren können.“
„Zum Beispiel“, sagt Marc Rutte. Nein, nicht „zum Beispiel“, Herr Rutte. Das ist kein „zum Beispiel“, sondern genau das ist es, worum es geht. Die Europäer müssen Milliarden zusätzlich ausgeben, damit sich die USA auf ihre eigene geopolitische Agenda gegen China im Indopazifik konzentrieren können.
Das heißt: die militärische Einkreisung Chinas. Die NATO ist ein Instrument amerikanischer Machtpolitik, und wir dürfen die Rechnung bezahlen.
3. Trump spielt Europa und Asien gegeneinander aus
Und es geht noch weiter. Zunächst bringt Trump Europa dazu, 5 % des BIP für Waffen auszugeben. Dann sagt Amerika den Ländern in Asien: Seht her, Europa macht es, jetzt auch ihr! Der ehemalige stellvertretende US-Verteidigungsminister Elbridge Colby schrieb auf X: "Die asiatischen Verbündeten müssen sich ein Beispiel an Europa nehmen. Sogar Deutschland gibt jetzt 5 % für die Verteidigung aus". Liebe Australier, Neuseeländer, Japaner und Filipinos: Macht es wie Europa und gebt ebenfalls 5 % aus.
Und wo werden alle diese Waffen kaufen? Ach ja, hauptsächlich in der Rüstungsindustrie in den USA.
Wir werden getäuscht, während wir zusehen. Europa wird gegen Asien ausgespielt. Und vice versa. Und in der Zwischenzeit gewinnt die amerikanische Rüstungsindustrie auf allen Seiten.
4. Die NATO-Norm ist keine Verpflichtung
Die 2%- oder 5%-Norm ist überhaupt nicht verbindlich. Die sogenannte NATO-Norm hat keinen rechtlichen oder vertraglichen Charakter. Sie ist nicht verbindlich. Man kann diese Norm rechtlich nicht durchsetzen.
Bei der Norm handelt es sich um eine politische Vereinbarung, nicht um eine rechtliche Verpflichtung. Die Mitgliedsstaaten bleiben souverän und entscheiden über ihre eigene Verteidigungspolitik.
Beispiele:
*Dänemark, Norwegen und Spanien lehnten Atomwaffen auf ihrem Territorium ab.
*Frankreich, Deutschland und Belgien lehnten eine Beteiligung der NATO am zweiten Golfkrieg gegen den Irak ab.
*Die Türkei verweigerte den US-Truppen den Zugang zu ihrem Hoheitsgebiet.
5. Die Trump-Norm bedroht unsere soziale Sicherheit
„Es ist kein Geld da.“ Jeder hat das gehört, seit Jahrzehnten... Es ist kein Geld da, um in gute öffentliche Verkehrsmittel zu investieren, kein Geld, um in Kinderbetreuung oder bezahlbaren Wohnraum zu investieren, kein Geld, um den Menschen eine anständige Rente zu zahlen, kein Geld... Und jetzt werden plötzlich Milliarden von Euro für Rüstung und Krieg gefunden... Was für eine Lüge.
Nur um 3,5 Prozent zu erreichen, müsste Belgien 10 Milliarden Euro pro Jahr zusätzlich ausgeben. Das ist unglaublich.
Die Trump-Norm ist ein Angriff auf unsere soziale Sicherheit, auf unsere sozialen Errungenschaften, und wenn wir sie zerstören lassen, hat Trump gewonnen.
Währenddessen haben die Waffenhersteller bereits gewonnen und machen phänomenale Gewinne. Sie werben sogar damit, dass Investitionen in die Rüstungsindustrie „die beste Investition aller Zeiten“ seien, sagen sie.
Ein System, in dem Rüstungsinvestoren abkassieren, während Rentner kaum über die Runden kommen, ist dekadent. Ein System, das mehr Geld für Panzer als für Schulen ausgibt, ist dekadent.
Mehr Geld für Waffen: nicht in unserem Namen!
6. Die NATO gibt bereits irrsinnige Summen aus
Für die Kriegshetzer ist es niemals genug. Sie tun so, als seien die NATO-Staaten arme Schlucker, die kaum etwas für die Verteidigung ausgeben.
Das Gegenteil ist der Fall. Die Zahlen sind wahnsinnig. Wahrhaft wahnsinnig.
Im Jahr 2024 gaben die 32 NATO-Staaten zusammen 1,275 Billionen Dollar für Rüstung aus. Wird die 5%-Norm umgesetzt, steigt dieser Betrag auf 2,758 Billionen Dollar pro Jahr - mehr als das Doppelte!
Zum Vergleich: Das ist mehr als alle anderen Länder der Welt zusammen, einschließlich China, Russland, Indien, Israel, der Ukraine und Saudi-Arabien. Heute geben die NATO-Staaten 12-mal mehr aus als Russland und 4,5-mal mehr als China. Bei 5 % wären es sogar 20 Mal mehr.
Das ist keine Sicherheit. Das ist ein absurdes Wettrüsten, das unsere sozialen Errungenschaften zerstören und die Welt noch näher an einen großen Krieg heranführen wird.
7. Die NATO ist keine Verteidigungsorganisation, sondern eine Kriegsmaschine
Offiziell sagt die NATO, dass sie für den Frieden steht. Aber hören Sie, was Mark Rutte kürzlich sagte: "Die NATO ist das mächtigste Militärbündnis in der Geschichte der Menschheit. Es ist mächtiger als das Römische Reich. Und mächtiger als das Imperium von Napoleon."
Dieser Vergleich sagt alles. Das Römische Reich war kein Verteidigungsbündnis. Es war ein Imperium, das von Eroberung und Herrschaft lebte. Genau wie Napoleon, der sich zum Kaiser krönte und Europa unter seinen Einfluss brachte.
Wenn die NATO mit 1,275 Billionen Dollar wirklich mächtiger ist als das Römische Reich, warum müssen wir dann noch mehr ausgeben?
Rutte sagt es ja fast selbst - weil die NATO überhaupt kein Verteidigungsbündnis ist, sondern ein Instrument der Weltherrschaft, genau wie das Römische Reich. Die NATO ist eine Kriegsmaschine. Wir schulden ihr nichts.
Nicht einen einzigen Cent für ihre Kriege!
8. Nutze den Augenblick: Glaube an unsere kollektive Macht
Sie wollen uns mit Angst und Krieg zermürben und mit allerlei technischen Details darüber, wie tief die neuen amerikanischen Bomben unter der Erde explodieren können. Sie wollen uns blind machen für die Gegenbewegung und unsere eigene kollektive Kraft.
Wir sind die Friedenskräfte, wir sind die Menschen, die mit 150.000 in Den Haag und 110.000 in Brüssel die Rote Linie gegen den Völkermord gezogen haben, wir sind die sechs Millionen Amerikaner, die sich an den Protesten gegen Trump beteiligt haben: „No thrones, no crowns, no kings“, wir sind die Hafenarbeiter von Marseille, die sich weigern, Kriegsschiffe nach Israel zu beladen, wir sind die Palästinenser in aller Welt.
Jeder spürt, dass es nicht richtig ist, wenn wir uns bis an die Zähne bewaffnen, während unsere Züge nicht fahren, unsere Renten gekürzt werden und in unseren Krankenhäusern das Personal fehlt.
Echter politischer Mut ist es nicht, Trump wie ein Schoßhündchen hinterherzulaufen, sondern eine eigene Vision zu entwickeln: eine Vision, die in unsere Industrie investiert, eine Vision, die in Technologie und Wissenschaft, in den ökologischen Wandel investiert, eine Vision, die in den Frieden investiert.
Ihre Weltordnung ist die Ordnung der Vergangenheit, die Friedensbewegung ist die Kraft der Zukunft.
Glauben Sie an Ihre eigene Kraft.
Glaubt an unsere kollektive Kraft.
Glaubt an den Sozialismus.
Peter Mertens, General Sekretär der belgischen Partei für die Arbeit, PVDA-PTB
Englischer Text: Peter Mertens`s Speech AT THE HAGUE and Bruxelles unter: Link
"Es war verantwortungslos von Spanien, den Gipfel weegn innenpolitischer Probleme zu gefährden", schrieb das Handelsblatt am 26.6.2025. So eine Speichelleckerei! Es war mutig und vorbildlich von Spanien, die fünf Prozent-Forderung in Frage zu stellen! !
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