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Dringende Gesamtreform der Pflegeversicherung wieder vertagt !!!!!!!!!

Foto: H.S.

06.03.2023 - von Bagso , Dr. Regina Görner

Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen stellt mit großer Enttäuschung fest, dass die längst überfällige Gesamtreform der Pflegeversicherung abermals vertagt wurde. Der von der Bundesregierung vorgelegte Gesetzentwurf zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege gebe „keine aus-reichenden Antworten auf die drängenden Fragen in der Pflege in einer alternden Gesellschaft“, sagte die BAGSO-Vorsitzende Dr. Regina Görner. Die BAGSO kritisiert insbesondere, dass er keine Lösung für eine stabile und sozialverträgliche Finanzierung der steigenden Kosten in der Pflege bietet.

In ihrer Stellungnahme zum Gesetzentwurf mahnt die BAGSO, dass die Finanzsituation der Pflegeversicherung nicht allein durch Beitragserhöhungen verbessert werden kann. Anders als im Koalitionsvertrag vereinbart, sieht der Referentenentwurf keine Entlastungen auf der Ausgabenseite vor. So war geplant, die Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen herauszunehmen und Rentenbeiträge für pflegende Angehörige aus Steuermitteln statt aus der Pflegeversicherung zu bezahlen. Auch wurden keine Regelungen getroffen, um der Kommerzialisierung der Pflege Grenzen zu setzen. ?

„Die Pflege hat sich zunehmend zu einem lukrativen Markt entwickelt, in dem Wirtschaftlichkeitsaspekte und Renditeerwartungen der Investoren immer stärker die entscheidende Rolle spielen. Die BAGSO sieht mit großer Sorge, dass auf diese Weise Pflegeversicherungsbeiträge und Fördermittel nicht den Pflegebedürftigen und ihrer Pflege zugutekommen, sondern in falsche Kanäle fließen. Hier fehlen im Reformvorhaben die notwendigen gesetzlichen Schranken, um Fehlentwicklungen entgegenzuwirken,“ so Katrin Markus, Mitglied im Vorstand der BAGSO.

Die BAGSO begrüßt die im Gesetzentwurf vorgesehenen Maßnahmen für mehr Transparenz in der Arbeit des Qualitätsausschusses Pflege, ebenso die seit Langem geforderte Stärkung der Arbeit der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen, die die Interessen pflegebedürftiger und behinderter Menschen im Ausschuss vertreten.


Bonn, 06.03.2023
Stellungnahme der BAGSO zum Entwurf eines Gesetzes zur Unterstützung und Entlastung in der Pflege (Pflegeunterstützungs- und -entlastungsgesetz– PUEG)

Vorbemerkung
Der o.g. Referentenentwurf des Bundesgesundheitsministeriums sieht Maßnahmen
vor, die insbesondere die häusliche Pflege stärken, die Arbeitsbedingungen in der
professionellen Pflege weiter verbessern sowie die Potenziale der Digitalisierung für
Pflegebedürftige und für Pflegende noch besser nutzbar machen sollen. Im Folgenden
nimmt die BAGSO im Hinblick auf die Kürze der zur Verfügung gestellten Zeit lediglich
zu ausgewählten Punkten des Referentenentwurfs Stellung. Trotz einiger
begrüßenswerter Maßnahmen stellt die BAGSO mit großer Enttäuschung fest, dass die
längst überfällige Gesamtreform der Pflegeversicherung einschließlich einer stabilen
und sozialverträglichen Finanzierung der Kosten der pflegerischen Versorgung einer
älter werdenden Bevölkerung von der Bundesregierung abermals vertagt wurde. Nach
knapp drei Jahrzehnten seit Einführung der Pflegeversicherung, in denen bereits
etliche Reformen bzw. Reformversuche unternommen wurden, die die bestehenden
wesentlichen Probleme jedoch nicht gelöst haben, wiegt die Enttäuschung über den
erneut versäumten Pflege-Fortschritt der „Fortschrittskoalition“ besonders schwer.

Bewertung der Maßnahmen

Verbesserung der Einnahmensituation der Pflegeversicherung
Als Maßnahme zur Verbesserung der Einnahmensituation der sozialen
Pflegeversicherung und zur Umsetzung des Urteils des Bundesverfassungsgerichts zum
Beitragsrecht vom 7. April 2022 ist eine Anhebung der Beitragssätze für Kinderlose um
0,35 Prozentpunkte vorgesehen. Zugleich sollen die zum 1. Januar 2022 eingeführten
Leistungszuschläge in der vollstationären Pflege ab dem 1. Januar 2024 um 5 bis 10
Prozentpunkte erhöht werden, um den stetig steigenden Eigenanteilen
entgegenzuwirken.

Gute Pflege braucht eine ausreichende und verlässliche Finanzierung. Insofern sieht
auch die BAGSO Bedarf, Maßnahmen zur Verbesserung der Einnahmensituation der
Pflegeversicherung zu ergreifen. Die BAGSO bedauert jedoch, dass eine
Beitragserhöhung als einzige Option angesehen wird, während andere konkrete
Vereinbarungen aus dem Koalitionsvertrag unberücksichtigt bleiben:

• die Herausnahme der Ausbildungskosten aus den Eigenanteilen und
• die Finanzierung versicherungsfremder Leistungen wie die Rentenbeiträge von
pflegenden Angehörigen aus Steuermitteln.
Ergänzend fordert die BAGSO
• die Finanzierung der medizinischen Behandlungspflege in stationären
Einrichtungen durch die Krankenkassen.
Darüber hinaus vermisst die BAGSO
• eine strikte Einbeziehung der Bundesländer, denen gemäß §9 SGB XI die
Förderung der Investitionskosten der Pflegeeinrichtungen obliegt, die dieser
Aufgabe aber nicht bzw. nicht umfänglich nachkommen.1

Mit Blick auf das im Pflegeversicherungsgesetz angestrebte Ziel der Schaffung
auskömmlicher und bundesweit einheitlicher Lebensverhältnisse für
pflegebedürftige Menschen müssen die Länder verpflichtet werden, nicht nur
die Investitionskosten von vollstationären Pflegeeinrichtungen, sondern –
anders als bisher – auch von teilstationären und ambulanten
Pflegeeinrichtungen zu übernehmen. Durch die Aufnahme von Grundsätzen zu
Art und Umfang der Förderung in das Gesetzesvorhaben kann den derzeit zu
verzeichnenden strukturellen Unterschieden in den Bundesländern
entgegenwirkt werden.

1 Die Vorschrift des § 9 SGB XI hat in der Rechtssetzung wie in der daraus folgenden Praxis der Investitionskostenförderung der Pflegeeinrichtungen durch die Länder zu einem Flickenteppich unterschiedlicher Fördermodalitäten und damit der finanziellen Entlastungen für Pflegebedürftige bis hin in Teilen zur Nichtbeachtung dieser Regelung durch die Länder geführt. So haben zwar manche Länder ein Pflegewohngeld eingeführt, das zunächst bewirkte, dass viele Pflegebedürftige in Einrichtungen nicht auf Sozialhilfe angewiesen waren. Diese Förderung durch die Länder wurde jedoch in den Folgejahren z.B. aus Gründen von Einsparungen im Landeshaushalt schrittweise verringert oder entfiel zum Teil auch ganz.

Bereits kurz nach der Einführung der Leistungszuschläge zu den Eigenanteilen bei
stationärer Betreuung zeigte sich – nicht nur infolge der steigenden Inflation und der
Energiekrise – dass diese nicht zu nachhaltigen Entlastungseffekten geführt haben, v.a.
nicht bei Pflegebedürftigen mit kurzer Verweildauer in den Einrichtungen.2 Um die
Eigenanteile für die Betroffenen wirkungsvoll und dauerhaft zu begrenzen, braucht es
auch Sicht der BAGSO eine Weiterentwicklung der Pflegeversicherung über die nun
vorgelegten Teilmaßnahmen hinaus.

In diesem Zusammenhang weist die BAGSO außerdem deutlich darauf hin, dass sich
Pflege zunehmend zu einem lukrativen Markt entwickelt hat, in dem
Wirtschaftlichkeitsaspekte und Renditeerwarten der Investoren immer stärker die
entscheidende Rolle spielen. Die BAGSO sieht mit großer Sorge, dass auf diese Weise
Pflegeversicherungsbeiträge und Fördermittel nicht den Pflegebedürftigen zur
Sicherung ihrer Lebens- und Pflegequalität zugutekommen, sondern in falsche Kanäle
fließen. Sie vermisst bei diesem Reformvorhaben die notwendigen gesetzlichen
Schranken, um diesen Fehlentwicklungen entgegen zu wirken. Hier ist unbedingt und
konsequent nachzubessern.

Stärkung der häuslichen Pflege

Um die häusliche Pflege zu stärken, sieht der Referentenentwurf vor, das Pflegegeld
und die ambulanten Sachleistungsbeträge zum 1. Januar 2024 um jeweils 5 Prozent zu
erhöhen. Zum 1. Januar 2025 und zum 1. Januar 2028 sollen die Geld- und
Sachleistungen regelhaft in Anlehnung an die Preisentwicklung dynamisiert werden.
Der Anspruch auf Pflegeunterstützungsgeld soll auch künftig ausgeweitet werden, für
bis zu zehn Arbeitstage pro Kalenderjahr je pflegebedürftiger Person. Die bisher
separat in § 39 und § 42 SGB XI vorgesehenen Leistungsbeträge für Leistungen der
Verhinderungspflege und für Leistungen der Kurzzeitpflege sollen zum 1. Januar 2024
in einem neuen Gemeinsamen Jahresbetrag für Verhinderungspflege und
Kurzzeitpflege zusammengeführt werden.

Die BAGSO anerkennt das im Referentenentwurf zum Ausdruck kommende Bemühen,
die häusliche Pflege zu stärken und auch dortigen Kostensteigerungen
entgegenzuwirken. Damit werden Forderungen aufgegriffen, die die BAGSO u.a. auch
in ihrem Positionspapier „Zukunft der Hilfe und Pflege zuhause“ gestellt hat (vgl.

2 Vgl. Vdek, 2022: Link Positionspapier).

Gleichwohl hält sie angesichts der erheblichen allgemeinen
Kostensteigerungen die vorgesehenen Maßnahmen für nicht ausreichend -
insbesondere die marginalen Erhöhungen zur Kompensation der Mehrkosten - und
kritisiert, dass die Pflegesettings in ambulant betreuten Wohngemeinschaften
unberücksichtigt bleiben. Insgesamt fordert die BAGSO Altenhilfe und Pflege
grundlegend „neu zu denken“ und die Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten sowie
die damit einhergehenden Fragen der Finanzierung auf den Prüfstand zu stellen.
Zentral erscheint ihr dabei eine verbindliche Gestaltungs- und
Steuerungsverantwortung der Kommunen für Altenhilfe und Pflege.
Personalentwicklung in der stationären Pflege

Die BAGSO begrüßt den Grundsatz, dass die Umsetzung des für die stationäre Pflege
entwickelten Personalbemessungsverfahrens beschleunigt und die Förderung von
guten Arbeitsbedingungen in der Pflege, insbesondere zur besseren Vereinbarkeit von
Pflege, Familie und Beruf, ausgebaut werden soll. Wichtig sind jedoch belastbare
Zahlen zum derzeitigen und zukünftigen Personalbedarf in allen Pflegesettings, mittel-
und langfristig wirksame Schritte zur Erfüllung dieses Personalbedarfs sowie kurzfristig
darüberhinausgehende Maßnahmen zur Steigerung der Attraktivität des Pflegeberufs,
wie z.B. erweiterte Verantwortlichkeiten durch Übernahme bestimmter delegierbarer
ärztlicher Aufgaben.

Die BAGSO appelliert außerdem an den Gesetzgeber, dass auch die Personalgewinnung
und -haltung in der ambulanten Pflege eine sehr viel größere Beachtung finden muss.
Die Arbeitsbedingungen dort haben in den letzten Jahren dafür gesorgt, dass
(qualifizierte) Pflegekräfte zunehmend in den stationären Sektor abgewandert sind. So
ist es nicht unüblich, dass Pflegedienste mit Ablehnung von Anfragen, Reduzierung der
Dienstleistungen, Verkleinerung der Pflegedienste und kurzfristigen Kündigungen von
Verträgen reagieren, die zu einer gefährlichen Unterversorgung in der häuslichen
Pflege führen können.

Förderung von Innovationen in der Pflege

Die BAGSO begrüßt zunächst, dass innovative Unterstützungsmaßnahmen und -
strukturen für Pflegebedürftige vor Ort durch ein neu geschaffenes Förderbudget von
Pflegeversicherung, Länder und Kommunen für entsprechende regionalspezifische
Modellvorhaben gefördert werden sollen. Vor dem Hintergrund, dass diese Förderung
„der Erleichterung der Situation der Pflegebedürftigen und deren Pflegepersonen
sowie der Schaffung von Transparenz und der Verbesserung des Zugangs zu den
vorhandenen Hilfemöglichkeiten“ dienen soll, ist jedoch nicht nachvollziehbar, warum
die auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der
Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen vor
Beschließung der Empfehlungen über die Voraussetzungen, Ziele, Dauer, Inhalte und
Durchführung der Förderung sowie zu dem Verfahren zur Vergabe der Fördermittel
nur angehört werden sollen.3 Echte Innovationen für Pflegebedürftige und deren
Angehörige sind nur dann zu erwarten, wenn den Betroffenen bzw. deren
Vertretungen Mitbestimmung eingeräumt wird, um eine zielgruppen- und
bedarfsgerechte Gestaltung und Akzeptanz der entwickelten Maßnahmen und
Strukturen sicherzustellen. Deshalb fordert die BAGSO eine gleichberechtigte
Beteiligung der Betroffenenvertretungen.

Digitalisierung

Um die Möglichkeiten der Digitalisierung in der Langzeitpflege besser nutzbar zu
machen, sieht der Referentenentwurf verschiedene Maßnahmen vor: die Einrichtung
eines Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege, die Erweiterung und Entfristung
des Förderprogramms nach § 8 Absatz 8 SGB XI für digitale und technische
Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen, eine Verpflichtung der Pflegeeinrichtungen zur
Anbindung an die Telematikinfrastruktur (TI) und den Aufbau eines elektronischen
Informationsportals für Pflegebedürftige, Angehörige und weitere Akteure.
Die BAGSO sieht in der Digitalisierung ein Potenzial, die medizinische und pflegerische
Versorgung zu verbessern. Die Erwartungen beziehen sich dabei auf drei Bereiche:
Entlastung und Unterstützung der Pflegenden, Verbesserungen der Vernetzung und
des Informationsflusses in der Versorgung, Erhöhung der Versorgungssicherheit und -
qualität. Mit Erschrecken hat sie folglich die Erkenntnisse des Achten Altersberichts
(2020) wahrgenommen, dass der Verbreitungsgrad digitaler Technologien in der Pflege
insgesamt gering ist, dass Fragen zur Effektivität und Effizienz wenig untersucht sind
und ethische Fragestellungen sowie die Nutzerorientierung in Forschung und
Entwicklung häufig vernachlässigt werden. Vor diesem Hintergrund ist die Einrichtung

3 Verantwortlich für die Erstellung der Empfehlungen sollen der Spitzenverband Bund der Pflegekassen und der Verband der privaten Krankenversicherung e.V. sein. Die Beschlussfassenden sollen zu dem Vorbringen der auf Bundesebene maßgeblichen Organisationen zur Wahrnehmung der Interessen und der Selbsthilfe pflegebedürftiger und behinderter Menschen Stellung nehmen. Die Stellungnahme ist dem BMG im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zuzuleiten.

eines „Kompetenzzentrums Digitalisierung und Pflege“4, welches die Potentiale zur
Verbesserung und Stärkung der pflegerischen Versorgung sowohl für die Betroffenen
als auch die Pflegenden identifizieren und verbreiten soll, zu begrüßen. Völlig
unverständlich ist jedoch, warum Betroffenenvertretungen wie die auf Bundesebene
maßgeblichen Organisationen für die Wahrnehmung der Interessen pflegebedürftiger
und behinderter Menschen nicht in den begleitenden Beirat zum Kompetenzzentrum
nach §125b Abs. 5 SGB XI einbezogen werden sollen. Hier fordert die BAGSO dringend
und ausdrücklich eine explizite Ergänzung, um sicherzustellen, dass Pflegebedürftige
und Pflegende als Expertinnen und Experten in eigener Sache einbezogen werden und
eine zielgruppen- und bedarfsgerechte Umsetzung erfolgt.

Die BAGSO begrüßt außerordentlich, dass das bestehende Förderprogramm nach § 8
Absatz 8 SGB XI für digitale und technische Anschaffungen in Pflegeeinrichtungen
entfristet und dessen Zielrichtung ausgeweitet werden soll, um auch digitale
Anwendungen zu fördern, die „eine stärkere Beteiligung der Pflegebedürftigen“ zum
Ziel haben. Insbesondere die vorgesehene explizite Förderung der Aus-, Fort- und
Weiterbildung zu digitalen Kompetenzen von Pflegebedürftigen und Pflegekräften
wird begrüßt. Die BAGSO kritisiert jedoch, dass eine digitale Grundausstattung
(Internet-/WLAN-Zugang) für die Bewohnerinnen und Bewohner von
Pflegeeinrichtungen nicht explizit als förderfähig genannt wird, obgleich in der
Begründung des Referentenentwurfs (S. 66) auf die Problematik hingewiesen wird,
dass nur wenige Pflegeeinrichtungen WLAN für Bewohnerinnen und Bewohner
vorhalten.5 Eine Umfrage der BAGSO unter Pflegeeinrichtungen zu dem
Förderprogramm nach § 8 Absatz 8 SGB XI hatte Hinweise auf eine mögliche
eingeschränkte Bedarfsgerechtigkeit des Programms geliefert, z.B. dass Installationen
insbesondere in älteren Einrichtungen deutlich mehr Kosten veranschlagen. Insgesamt
verweist die BAGSO auf ihre fünf zentralen Forderungen zur Sicherstellung einer
digitalen Grundausstattung in allen Pflegeeinrichtungen (vgl. Stellungnahme).

4 Laut Referentenentwurf sollen die Aufgaben dieses Kompetenzzentrums die regelmäßige Analyse und Evaluation der Umsetzung digitaler Potentiale im Bereich der Langzeitpflege, die Entwicklung von Empfehlungen für Akteure in der Pflege und die Unterstützung des Wissenstransfers bei Themen der Digitalisierung für Pflegebedürftige und Pflegende sein.
5 „Förderfähig sind Anschaffungen von digitaler oder technischer Ausrüstung sowie damit verbundene Schulungen, die beispielsweise die Anbindung der Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur, Investitionen in die IT- und Cybersicherheit, das interne Qualitätsmanagement, die Erhebung von Qualitätsindikatoren und die Zusammenarbeit zwischen Ärzten und stationären Pflegeeinrichtungen unterstützen. Förderfähig sind auch die Aus-, Fort- und Weiterbildungen zu digitalen Kompetenzen von Pflegebedürftigen und Pflegekräften in der Langzeitpflege.“


Darüber hinaus schlägt die BAGSO vor, in allen Pflegeeinrichtungen eine/n
„Digitalisierungsbeauftragte/n“ zu berufen, dessen Aufgabe es ist, die Pflegekräfte und
die Bewohnerinnen und Bewohner bei der Anwendung digitaler Technologien zu
unterstützen. Die Berufung neutraler Ombudspersonen kann aus ihrer Sicht bei der
Auflösung von Konflikten zum Einsatz von Technologien und zu ethischen Fragen
hilfreich sein.

Die BAGSO begrüßt die vorgesehene Verpflichtung der Anbindung ambulanter und
stationärer Pflegeeinrichtungen an die Telematikinfrastruktur (TI), wodurch auch der
Zugriff auf die elektronische Patientenakte ermöglicht wird. Nur mit der Anbindung
aller relevanten Akteure kann die TI ihren erwarteten Nutzen für die pflegerische
Versorgung entfalten. Dies erfordert aus Sicht der BAGSO jedoch auch, dass gleichzeitig
Maßnahmen zur Verbreitung der elektronischen Patientenakte unter der älteren
Bevölkerung ergriffen werden.

Vor dem Hintergrund der in Nordrhein-Westfalen gemachten Erfahrungen mit der App
„Heimfinder“ sieht die BAGSO die Einführung eines Informationsportals zu Pflege- und
Betreuungsangeboten, einschließlich der Möglichkeit zur tagesaktuellen
Auskunftsabfrage über freie Kapazitäten (Plätze und Angebote), skeptisch. So wurde
beispielsweise mehrfach von Nutzerinnen und Nutzern kritisiert, dass die darin
bereitgestellte Übersicht über freie Pflegeplätze veraltet ist. Die BAGSO bedauert
zudem, dass wieder einmal nicht Rechnung getragen wird, dass über acht Millionen
ältere Menschen über 65 Jahre Offliner sind und weitere Millionen Ältere nur
eingeschränkte digitale Kompetenzen besitzen, um ein solches Portal effektiv nutzen
zu können. Für diese Gruppen braucht es vielmehr analoge Informationsangebote, z.B.
in den Geschäftsstellen der Pflegekassen oder per Telefonauskunft. Gleichzeitig
verweist die BAGSO wiederholt auf den immensen Bedarf lokaler
Interneterfahrungsorte mit qualifizierter Lernbegleitung in allen Kommunen, der
Förderung von Internetzugängen in allen Wohnformen Älterer und digitaler
Kompetenzen der Fachkräfte in allen für ältere Menschen relevanten Berufsgruppen.
Transparenz für Verbraucherinnen und Verbraucher

Die BAGSO begrüßt die vorgesehene Verpflichtung der Landesverbände der
Pflegekassen zur Veröffentlichung der Landesrahmenverträge zur pflegerischen
Versorgung. Sie hält jedoch die bewusste technologieoffene Formulierung, nach der
Pflegebedürftige automatisch einmal jährlich eine Übersicht über die von ihnen
bezogenen Leistungen und deren Kosten nach § 108 Absatz 1 Satz 1 SGB XI erhalten
sollen, für problematisch und aus Perspektive der Teilhabemöglichkeiten älterer
Menschen für nicht ausreichend. Zwar erkennt der Bundesgesetzgeber im
Begründungsteil des Referentenentwurfs, dass Versicherte, die digitale Varianten wie
eine App der Pflegekasse und eine elektronische Übermittlung nicht nutzen können
oder wollen, auch eine ausgedruckte Form der Übersicht erhalten können sollen. In
der Praxis wird eine fehlende Verpflichtung der Pflegekassen zur Bereitstellung einer
kostenlosen analogen Form jedoch voraussichtlich dazu führen, dass insbesondere
Versicherte ohne Zugriff auf digitale Medien und solche mit eingeschränkten digitalen
Kompetenzen ihren Anspruch aus eigener Tasche zahlen müssen. Deshalb fordert die
BAGSO ergänzend einen Anspruch auf eine kostenlose analoge Alternative der
Leistungsübersicht.

Betroffenenvertretung im Qualitätsausschuss Pflege
Die BAGSO begrüßt ausdrücklich die vorgesehenen verpflichtenden Maßnahmen für
mehr Transparenz der Arbeit des Qualitätsausschusses Pflege und insbesondere die
von ihr und anderen Verbänden seit langem geforderte Stärkung der Arbeit der
Betroffenenvertretungen nach § 118 SGB XI durch Einrichtung einer Referenten- bzw.
Referentinnenstelle. Gleichzeitig verweist sie auf die von den Verbänden nach § 118
SGB XI formulierten weitergehenden Forderungen zu mehr Mitbestimmung in der
Pflege, v.a. ein Stimmrecht in Verfahrensfragen vor dem Qualitätsausschuss Pflege und
die Berufung eines ständigen unparteiischen Vorsitzenden für den Qualitätsausschuss,
die/der vom Bundesministerium für Gesundheit benannt wird, vgl. Forderungspapier.
Diese Forderungen werden weiterhin aufrechterhalten.

Kontakt
BAGSO
Bundesarbeitsgemeinschaft der Seniorenorganisationen e.V.
Anna Brückner
0228 / 24 99 93 26
brueckner @bagso.de

Quelle: Bagso