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Gender Digital Gap - Neue Ungleichheiten in der Arbeitswelt

Foto: H.S.

06.03.2023 - von Yvonne Lott

Auch im Jahr 2023 müssen wir über die Ungleichheiten zwischen Frauen und Männern auf dem Arbeitsmarkt sprechen. Besondere Aufmerksamkeit erhält jedes Jahr der Gender Pay Gap, also die Lohnlücke zwischen Frauen und Männern. Der Gender Pay Gap liegt wie auch im Vorjahr bei 18 Prozent, womit Deutschland im europäischen Vergleich nach wie vor zu den Schlusslichtern zählt. Und allen, die an dieser Stelle einwenden, das sei ja nur der „unbereinigte“ Gender Pay Gap, sei gesagt: Dieser Rückstand bildet die strukturelle Unterbewertung der Arbeit von Frauen ab. Die trägt in Deutschland in hohem Maße zu den Geschlechterungleichheiten bei.

Im Jahr 2023 müssen wir aber nicht nur über die „alten“ Ungleichheiten sprechen, zu denen der Gender Pay Gap zählt. Die digitale Transformation produziert neue Ungleichheiten, etwa den Gender Digital Gap. Dieser sagt u.a. aus, inwiefern Frauen und Männer digitale Technologie am Arbeitsplatz nutzen, um ihre Berufschancen zu verbessern.

Auch bei der Digitalisierung im Job gibt es Anlass zur Sorge: Je fortgeschrittener Softwareanwendungen am Arbeitsplatz sind, desto weniger wahrscheinlich ist es laut unseren aktuellen Forschungsergebnissen, dass Frauen sie nutzen. Anders gesagt: Je höher die Stufe der digitalen Transformation, desto eher sind Frauen abgehängt. Und auch digital vernetzte Technologien, etwa Cloud-Dienste oder selbstlernende Computersysteme, nutzen Frauen beruflich seltener als Männer. Der Gender Digital Gap spiegelt sich auch in den Einschätzungen der eigenen Qualifizierung: Im Vergleich zu Männern nehmen Frauen weniger Berufschancen in einem digitalisierten Arbeitsmarkt wahr bzw. fühlen sich auf die Transformation schlechter vorbereitet.

Diese Nachteile bestehen vor allem für Frauen in Teilzeit. Durch die Digitalisierung verschränken sich damit „neue“ und „alte“ Ungleichheiten. Also der Gender Digital Gap mit dem Gender Time Gap und der Tatsache, dass Teilzeit oftmals ein Stigma und eine Bremse für die berufliche Weiterentwicklung bedeutet. Teilzeit ist ein besonders großes Hindernis für den Anschluss an die technischen Veränderungen.

Die gute Nachricht aber ist: Es gibt keinen Technikdeterminismus. Digitale Technologien werden gestaltet und sind damit wandelbar, Zugänge können geschaffen und Ungleichheiten überwunden werden. Zwei Maßnahmen sind dabei zentral: Erstens eine gendersensible Qualifizierungsstrategie, wie sie der Dritte Gleichstellungsbericht der Bundesregierung vorschlägt. Und zweitens ein Wandel der dominanten Arbeits(zeit)kultur weg von einer Tradition der langen Arbeitszeiten hin zu einer Kultur, in der generell kürzere Arbeitszeiten und eine bessere Vereinbarkeit normal und kein Karrierehindernis sind. Damit ist eine 4 Tage- bzw. 32-Stunden-Woche insbesondere für die technischen Berufe wegweisend.

Dr. Yvonne Lott leitet das Referat Geschlechterforschung im Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Institut (WSI) der Hans-Böckler-Stiftung.

WSI Report Nr. 81, Februar 2023 unter: Link

Quelle: Hans Böckler-News 05/2023