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Gesundheit als Handlungsfeld für die Berliner Antidiskriminierungspolitik

Foto: H.S.

10.06.2022 - von LADS

Für den Berliner Senat ist ein diskriminierungsfreies Gesundheitswesen ein wichtiges Ziel. So nimmt auch die LADS die Diskriminierung im Gesundheitswesen verstärkt in den Blick. Die LADS hat vor Beginn der Corona-Pandemie im Jahr 2019 eine repräsentative Umfrage zu Diskriminierung in Berlin in Auftrag gegeben. Von den Personen, die von Diskriminierung betroffen sind, gaben 10 % an, dass sie im Gesundheitswesen benachteiligt wurden. Das ist recht viel. Zum Vergleich: 11 % sagten, dass sie im Bereich Internet/Social Media benachteiligt wurden, 12% im Bereich Wohnungswesen.

Betroffene berichten, dass für sie oft bereits der Zugang zur Gesundheitsversorgung erschwert oder verhindert wird. Aber auch im Behandlungsverhältnis kommt es zu Benachteiligungen bei Diagnoseerstellung, im Therapieverlauf oder der Rehabilitation. Manche berichten, dass sie mit ihren Beschwerden, zum Beispiel Schmerzen, nicht ernst genommen werden.

Allerdings gibt es noch nicht genug Daten zu den konkreten Problemen im Gesundheitswesen. Deshalb ist es gut, dass die Bundesantidiskriminierungsstelle im Oktober 2021 eine bundesweite Studie unter dem Titel „Anlauf- und Beschwerdemöglichkeiten bei Diskriminierungserfahrungen im Gesundheitswesen“ in Auftrag gegeben hat. Die Studie soll im Herbst vorliegen.

Die LADS wird diese Studie mit Blick auf Berlin auswerten. Es ist geplant, auf dieser Grundlage eine Fachstelle gegen Diskriminierung im Gesundheitswesen aufzubauen. Das wollen wir gemeinsam mit Akteur*innen aus Zivilgesellschaft und aus dem Gesundheitswesen machen.

Bisherige Initiativen
Das Thema Gesundheit ist für die LADS nicht neu. Das im Jahr 2020 geschaffene Landesantidiskriminierungsgesetz schützt auch vor Benachteiligungen aufgrund chronischer Erkrankungen. Die von der LADS geförderte Beratungsstelle der Landesvereinigung Selbsthilfe bietet Beratung in diesen Fällen (siehe auch „Akteur*innen vor Ort in diesem Infobrief). Die LADS fördert zudem Projekte, die sich mit der Diskriminierung von LSBTI-Personen im Gesundheitswesen und mit der psychosozialen Gesundheit von LSBTI-Geflüchteten befassen.

Im Rahmen der Berliner Konsultationsprozesse der „UN Dekade für Menschen afrikanischer Herkunft“ wurde wiederholt von Schwarzen Akteur*innen auf gravierende Diskriminierungen 1Schwarzer Menschen und von People of Color (PoC) im Gesundheitswesen aufmerksam gemacht. Auch der Expert*innenkreis antimuslimischer Rassismus des Berliner Senats befasst sich mit Diskriminierungen im Gesundheitswesen und wird Empfehlungen abgeben. Es sind hier nur einige Initiativen und Diskriminierungsgründe beispielhaft genannt. Die Diskriminierungs- gründe Behinderung, Geschlecht und geschlechtliche Identität, Alter, Gewicht und nicht zuletzt sozialer Status sind ebenso von größter Relevanz im Problemfeld.

Blickwechsel – macht Diskriminierung krank?
Antidiskriminierungsarbeit und Gesundheit haben noch eine andere Verbindung: Diskriminierung kann gesundheitliche Folgen haben. Hierzu gibt es im englischsprachigen Raum Studien. Von Diskriminierung betroffene Personen sind zwei- bis dreimal so häufig von Ängsten, Depressionen, Migräne oder Schlafstörungen betroffen. Es besteht daher ein hoher Handlungs-und auch Aus- und Fortbildungsbedarf im medizinischen und psychotherapeutischen Bereich, um eine qualifizierte gesundheitliche Beratung und Therapie von Menschen mit Diskriminierungserfahrung zu gewährleisten.

Antidiskriminierungsberatung Alter, Behinderung und Chronische Erkrankung
Die Anti-Diskriminierungs-Beratung Alter, Behinderung, Chronische Erkrankung (ADB) ist ein Projekt der Landesvereinigung Selbsthilfe Berlin e.V. Wir beraten und helfen Menschen, die aufgrund dieser Merkmale benachteiligt werden.
Seitdem das Landesantidiskriminierungsgesetz (LADG) in Kraft getreten ist, erreichen die Beratungsstellen immer mehr Beschwerdefälle zum Merkmal chronische Erkrankung. Es wird deutlich, dass das Gesundheitswesen und die Bereiche Arbeit und Bildung noch mehr für die besonderen Bedarfe von Menschen mit chronischen Erkrankungen sensibilisiert werden sollten.
Zum Beispiel hat sich im vergangenen Jahr eine junge Frau bei uns gemeldet, die nach Bekanntgabe ihrer Multiple Sklerose-Diagnose von ihrer Schule die Empfehlung bekommen hat, ihre Ausbildung zur Altenpflegerin abzubrechen, weil sie aufgrund ihrer Erkrankung nicht in der Lage sei, eine derartige Tätigkeit auszuüben. Die ADB konnte die Schulleitung zum Umdenken bewegen. Die Ratsuchende kann ihre Ausbildung erfolgreich abschließen.
Eine eindeutige und allgemeine Erklärung von chronischer (bleibender) Krankheit gibt es nicht. Die Abgrenzung zwischen chronische Erkrankungen und Behinderung ist auch nicht immer einfach. Chronische Erkrankungen sind nicht grundsätzlich mit Behinderungen gleichzusetzen.
Aber wenn Wechselwirkungen mit gesellschaftlichen Barrieren zu weitreichenden Einschränkungen aller Lebensbereiche führen, sind sie als Behinderung zu werten.
Im LADG stehen die Merkmale Behinderung und chronische Erkrankung gleichberechtigt nebeneinander. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) ist chronische Krankheit nur dann geschützt, wenn sie als Behinderung anerkannt wird. Hier zeigt sich eine noch bestehende Rechtsschutz-Lücke. Für deren Schließung engagieren und sprechen wir uns eindeutig aus.
Bei Diskriminierungsmeldungen oder anderen Anfragen kontaktieren Sie uns unter: adb@lv-
selbsthilfe-berlin.de oder telefonisch unter 030 27 59 25 27 oder über unsere Website
Link.

Quelle: Newsletter Nr. 47 Juni 2022, Landesstelle für Gleichbehandlung – gegen Diskriminierung in Berlin