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Ampel will Nachholfaktor wieder einführen - Rentenerhöhung soll sinken

Foto: H.S.

30.11.2021 - von Hanne Schweitzer

Der geschäftsführende Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) informierte in der Bildzeitung darüber, dass er im Sommer 2022 nur noch eine Rentenerhöhung von 4,4 Prozent erwartet. Der Grund: Die künftige Ampelkoalition (SPD,FDP,Grüne) will den seit 2018 ausgesetzten Nachholfaktor wiederbeleben. Der war 2008 von Olaf Scholz (SPD) in seiner Eigenschaft als Bundesarbeitsminister eingeführt worden, und er besagt, dass die Renten bei sinkenden Löhnen nicht gekürzt werden dürfen. Das sollte eigentlich bis Juni 2026 gelten, um das Abrutschen des Rentenniveaus unter die vereinbarte Haltelinie von 48 Prozent des Durchschnittslohns abzuwenden.

Weil aber laut statistischem Bundesamt die Löhne 2020, im 1. Coronajahr, im Westen um 2,34 Prozent gesunken sind, hätten die Renten eigentlich auch sinken müssen. Weil das aber ohne Nachholfaktor nicht möglich war, kam es im Jahr 2021 zur ersten Nullrunde bei den Renten im Westen und im Osten im Zuge der Rentenangleichung nur zu einem Plus von 0,72 Prozent.

Die 2021 ausgefallene Kürzung soll nun - mit Hilfe des wiederbelebten Nachholfaktors, mit den künftigen Rentensteigerungen verrechnet werden, und zwar so lange, bis die Renten- und Lohnentwicklung wieder im Gleichklang sind. "Die Ampelparteien sind offensichtlich vor dem Druck der Arbeitgeber und wirtschaftsnaher Professoren eingeknickt", kommentierte die VdK-Präsidentin Verena Bentele den Beschluss der Ampelkoalitionäre. Der Sozialversicherungsbericht 2021 der Bundesregierung prognostiziert für die Zeit von 2021 bis 2035 eine Erhöhung der Altersrenten um 37 Prozent gegenüber einer Erhöhung der Löhne und Gehälter um 53 Prozent. Damit die Rentner nicht abgehängt werden, sei es wichtig, sämtliche Kürzungsfaktoren "dauerhaft aus der Rentenformel zu streichen", so VdK-Chefin Bentele.

Der rentenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion Die Linke, Matthias Birkwald zur Jungen Welt: "Bei einer Durchschnittsrente von aktuell nur 1.087 Euro netto und starker Inflation brauchen die Rentnerinnen und Rentner gerade jetzt jeden Cent. Wir brauchen die Wiederanhebung des Rentenniveaus von derzeit gut 48 auf den Lebensstandard sichernde 53 Prozent und keine Debatte um gekürzte Rentenanpassungen."

Auch der inzwischen emeritierte Statistikprofessor Gerd Bosbach äußerte sich gegenüber der Jungen Welt. Durch die vielen Kürzungen und Nullrunden seit 2000 seien die Renten im Westen schon jetzt unterhalb der Inflation geblieben. Während die Rentenausgaben im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt seit 20 Jahren nahezu konstant seien, gebe es aber heute rund 2,2 Millionen Altersgeldbezieher mehr. "Der Spruch, Rentner bekommen immer mehr, ist faktisch völlig falsch und eigentlich eine Frechheit."
Lob für die geplante Kürzung der Rentenerhöhung kam vom Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA), Steffen Kampeter. "Das klare Bekenntnis der Ampel zur Wiedereinführung des Nachholfaktors muss jetzt ohne Abstriche umgesetzt werden."

Der Schätzerkreis Rentenfinanzen hatte für 2022 eine Rentenerhöhung von 5,2 Prozent im Westen und 5,9 Prozent im Osten prognostiziert, außerdem für das Jahr 2023 eine Erhöhung von 4,9 Prozent im Westen und 5,7 Prozent im Osten.

Siehe dazu auch: Aktienrente contra umlagefinanzierte gesetzliche Rente Link .altersdiskriminierung.de/themen/artikel.php?id=13381

Quelle: Bild am Sonntag, 28.11.2021