Diskriminierung melden
Suchen:

Die Politik der Zwei-Klassen-Gesellschaft ist nicht länger hinnehmbar

Foto: H.S.

03.11.2021 - von Horst Gehring

Der Druck auf die Politik, sich für bessere gesetzliche Renten einzusetzen und die Rentenanpassungen auf eine neue Basis zu stellen, wächst. Die Politik der „Zwei-Klassen-Gesellschaft“ ist nicht länger hinnehmbar.

Zu den Dämpfungsfaktoren bei der Rentenberechnung gehört unter anderem der Nachhaltigkeitsfaktor, mit dem die Rentner an den Kosten einer alternden Gesellschaft beteiligt werden. Das heißt: Erhöht sich die Zahl der Rentner in Relation zu den Beschäftigten, die in die Rentenkasse einzahlen, steigen die Renten langsamer als die Löhne. Das Rentenniveau vergleicht die Rente mit den Durchschnittslöhnen. Dabei wird vorausgesetzt, dass jemand 45 Jahre auf Basis des durchschnittlichen Entgelts in die Rentenkasse eingezahlt hat.

48 Prozent Rente bedeuten folgendes: Wer heute 45 Jahre in Vollzeit 2.650 Euro verdient, bekommt nicht einmal 1.100 Euro Rente.
Das ist die Wahrheit. Durchschnittsverdiener und dann sozialer Abstieg im Alter. Das ist das Gegenteil von Leistungsgerechtigkeit und untergräbt weiter das Vertrauen in die Rente. Zu Zeiten Helmut Kohls betrug das Rentenniveau 53 Prozent. Das ist nichts Absurdes, das kann man wieder hinkriegen. Viele EU-Staaten haben ein deutlich höheres Niveau.

Ich begrüße daher die klare Aussage von Manuel Gava (MdB), dass er sich für die Stärkung der Betriebsrenten und privater Vorsorgemöglichkeiten einsetzt.

Betrachte ich den derzeit gesetzlichen Mindestlohn in Höhe von 9,50 €, so sind das bei einer monatlichen Stundenleistung von 173 Stunden 1.643,50 €. Zum Leben zu wenig und zum Sterben zu viel, wie der Volksmund in Nds. sagt.

Daher betrachte ich die Einigung von Rot-Grün auf einen gesetzlichen Stundenlohn von 12,00 € als sozialpolitisches Vorzeigemodell für Deutschland. Bei gleicher Konstellation reden wir hier von 2.076,00 Euro pro Monat.

Im Gegensatz zu den gesetzlich Versicherten erwerben MdBs – ohne wie die Arbeitnehmer eigene Beiträge zu zahlen - für jedes Jahr Parlamentszugehörigkeit einen Anspruch auf 2,5 Prozent der Diäten als Altersgeld. Bei aktuell 10.083,47 Euro Entschädigung pro Monat sind das 252,09 Euro monatlich. Die höchstmögliche Altersversorgung ist auf 65 Prozent begrenzt (derzeit 6.554,34 Euro).

Dafür muss man freilich 26 Jahre lang Abgeordneter sein. Die meisten Parlamentarier gehören dem Bundestag zwei oder drei Legislaturperioden an. Ihr Anspruch auf Altersgeld entspricht aktuell 2.016,70 Euro beziehungsweise 3.025,98 Euro brutto.

Im Vergleich stehen gesetzlich Versicherte viel schlechter da, wie die Deutsche Rentenversicherung bestätigt. Pro Beitragsjahr, in dem sie das sozialversicherungspflichtige Durchschnittsentgelt erhalten, erwerben sie (Stand 18.02.2020) Anwartschaften von monatlich 33,05 Euro in den alten beziehungsweise 31,89 Euro in den neuen Bundesländern. Dabei wird für das Jahr 2020 ein Durchschnittsentgelt von 40.551 Euro unterstellt. Maximal sind den Angaben zufolge derzeit monatlich 67,48 Euro beziehungsweise 60,87 Euro bei einem Jahreseinkommen in Höhe der Beitragsbemessungsgrenze oder darüber möglich.

Wenn die Rede auf die Pensionen der Beamten kommt, gehen viele Rentner auf die Palme. Das ist verständlich, denn die Unterschiede sind eklatant. Beamte und Politiker sind im Alter meist wesentlich bessergestellt als gesetzlich Versicherte. Besonders in Krisenzeiten sorgen tatsächliche und vermeintliche Privilegien für böses Blut. Ich bitte daher, die Aufmerksamkeit auf den letzten Abschnitt zu richten.

Eine brisante Studie des renommierten Instituts der deutschen Wirtschaft CIW: Beamte kassieren, Angestellte gucken in die Röhre: Wer kann 2 Billionen Euro zahlen? https: Link id 24363034.htmI

Ein für alle gleiches und transparentes System der Altersvorsorge könnte da hilfreich sein. Das Beispiel Österreich zeigt, dass so etwas funktionieren kann. Diese Chance hat Rot-Grün 2004 verpasst. Nach der Bundestagswahl 2021 fehlt dafür die politische Mehrheit.

Wie großzügig eine Regelung für Beamte ausgehen kann, belegt ein Fall aus Osnabrück.
Der Fall Frau Jutta Bott: Im Jahr 2012 war sie Stadtkämmerin in Osnabrück – für 16 Tage! Wegen einer dienstlichen Verfehlung wurde sie abgewählt. Weil aber vorherige Zeiten im öffentlichen Dienst angerechnet werden, durfte sie nach 16 Tagen ein Ruhegehalt von etwa 2.500 Euro kassieren. „Wenn man nur wenige Tage im Amt ist und schon mit 30 Jahren die volle Pension bekommt, dann ist diese Situation auch dafür verantwortlich, dass die Bürger schlicht und ergreifend nicht mehr zu Wahl gehen, weil sie die Nase voll haben.“

Erinnert sei auch an die Selbstbedienung für hochbezahlte Beamte. Vor der letzten Bundestagswahl im Jahr 2017 war es noch Peter Altmaier, der als Kanzleramtschef vor Beförderungen dieser Art gewarnt hat. Für die FDP, deren Anfrage die aktuellen Zahlen bereits Anfang Mai 2021 mit 71 Personen zutage gefördert hat, kommentierte Christian Dürr, Fraktionschef im Bundestag: „Während viele kleine Unternehmer nicht wissen, ob sie die Krise überstehen, werden in den Ministerien die Beamtensessel vergoldet. Das ist eine große Sauerei.“ (03.05.2021, 09:57)

Die schwarz/rote Bundesregierung hat kurz vor der Bundestagswahl 71 neue TOP-Beamtenstellen der höchsten Besoldungsgruppe B in den Ministerien geschaffen. In Zahlen ausgedrückt, reden wir bei der Besoldungsgruppe B 3 von 8.305 Euro pro Monat und bei der Besoldungsgruppe B 6 von 9.857 Euro pro Monat.

Viele Arbeitnehmer wissen nicht, ob sie die Krise überstehen, sei es finanziell oder auch gesundheitlich mit Blick auf die aufopfernden Tätigkeiten in den Kliniken und Pflegeeinrichtungen, wo sie bis an den Rand der Erschöpfung arbeiten. Nicht zu vergessen die Flutopfer im Ahrtal (Rheinland-Pfalz) oder NRW, die Hab und Gut verloren haben.
Bei den explodierenden Kosten für die Beamtenpensionen – inzwischen ein Billionen-Risiko - fragt niemand nach dem demografischem Wandel wie in der gesetzlichen Rentenversicherung. Hier gilt die Mindestpension bei 5 Jahren Beamtentum bereits mit 35 Prozent der ruhegehaltsfähigen Bezüge von letztem Gehalt, nach 40 Jahren Obergrenze = 71,75 Prozent. Davon kann der „Malocher“ - für alteingesessene Abgeordnete ein Bürger 2. Klasse - nur träumen. Der „Stern“ titelte mit Ausgabe vom 20.11.2018: „Politiker bedienen sich an Rentenkassen und lassen andere die Zeche zahlen. Nirgendwo sonst gönnen sich die Politiker derart generöse Privilegien wie bei der eigenen Altersversorgung.“

Kritik vom Steuerzahlerbund: Nach 1945 haben die staatlichen und gesellschaftlichen Eliten für sich selbst andere, wesentlich bessere Regeln geschaffen. Die Einführung einer Rentenkasse, in die am Ende alle Erwerbstätigen einbezogen wären – auch Beamte und Selbstständige wäre „ein Signal für den Zusammenhalt der Gesellschaft“ gewesen.

„Bundestagsabgeordnete sollten raus aus der Rentenparallelgesellschaft, weg von einem Extra - System ohne eigene Beitragszahlungen. Angesichts der Verwerfung der Corona-Krise braucht es diese Symbole.“ Es ist erschreckend, mit welchem Selbstverständnis unsere staatlichen Eliten ein Zwei-Klassenrecht bei der Altersversorgung verinnerlicht haben und weiter durchsetzen, dass es so in keinem demokratischen Rechtsstaat Europas gibt …

Österreich macht es vor: Eine Kasse, in die alle zahlen, kann auch höhere Renten auszahlen.“ Stand 2018 summierte sich der Rentenzahlbetrag in Österreich auf 1.678 Euro für Männer; in Deutschland waren es 1.148 Euro.

Doppelverbreitragung der Betriebsrenten
Wie respektlos die „Sorgen und Nöte“ von Millionen anderen Ersparnisse Betroffene nach wie vor ignoriert werden, hat die Union in 17 Jahren Gesundheitsmodernisierungsgesetz bewiesen. Verbesserungsvorschläge ihres des Koalitionspartners SPD wurden zurückgewiesen. Auch FDP und Linke können über die Ablehnung sinnvoller Vorschläge im Sinne der Vorsorgenden ein Lied singen. Die Linke im Deutschen Bundestag hat bereits in den vergangenen Jahren Druck aufgebaut, um die Doppelverbeitragung bei den Betriebsrenten durch das GMG zu beenden.

Die Bundesregierung hat sich erst nach den drei Anträgen der Linken der Jahre 2015, 2017 und 2018, die mehrmals blockiert, verschoben und im Gesundheitsausschuss nicht aufgesetzt werden sollten, sowie nach drei öffentlichen Sachverständigenanhörungen und unzähligen Plenar- und Ausschussdebatten im Bundestag schlussendlich zu einer bescheidenen, aber zumindest für kleine und mittlere Betriebsrenten spürbaren Entlastungen von Krankenkassenbeiträgen auf Druck der SPD durchgerungen.

Ich finde es beschämend, wenn meine Enkelkinder im Alter von 6 und 11 Jahren ihre Sparerträge aus der Spardose, welche für den Weltspartag gedacht waren, nun für die Flutopfer in NRW und Rheinland-Pfalz spenden wollen und hochbezahlte Beamte den Hals nicht voll genug kriegen. Ich möchte keine Neiddebatte, und als privilegierter Zeitgenosse werde ich weiter für soziale Gerechtigkeit kämpfen.

Privat finanzierte Altersorsorge
Es ist ein Skandal für alle, denen man über viele Jahre vom Mund Abgespartes für eine privat finanzierte Altersvorsorge nach der Kapitalauszahlung wieder 20 % wegnimmt. Viele Politiker leben außerhalb der Realität, sind weltfremd und haben jeglichen Bezug zur Wirklichkeit verloren. Damit hat die Union einen vorsätzlichen Exodus ihrer Stammwähler betrieben.

Altersvorsorge: Garantiezins sinkt Ende des Jahres
Viele haben es schon gehört oder gelesen:
- Der Garantiezins für Neuverträge in der Lebensversicherung sinkt von 0,9 auf o,25 % p.a.
Das bedeutet: Lebensversicherungen werden ab 1.1.2022 teurer. Dies betrifft private und betriebliche Rentenversicherungen, Berufsunfähigkeitsversicherungen (BU) und Sterbegeld. Wer plant, Altersvorsorge, Familienabsicherung oder BU-Versicherung zusätzlich privat zu regeln, sollte jetzt aktiv werden, da es nur noch bis zum Ende des Jahres 2021 dauerhaft den höheren Zins gibt.

Zu dieser Situation kommt eine Inflationsrate in Höhe von aktuell 4,5 Prozent (Stand 28.10.2021). Dadurch liegt die Teuerungsrate deutlich über dem von der Europäischen Zentralbank angestrebten Ziel von zwei Prozent – trotzdem hält die EZB weiter an ihrer lockeren Geldpolitik fest. Eine Teuerungsrate von 4,5 Prozent wurde zuletzt im Oktober 1993 gemessen.

Durch steigende Energiekosten verteuern sich z.B. Backwaren also auch BROT ! um 10%.
Beim aktuellen Trend der steigenden Heizkosten ist eine einfache Lösung vorstellbar: Ein
Zuschlag auf das Wohngeld für einkommensschwache Haushalte kann den Preisschock beim Gas und Heizöl im kommenden Winter abfedern. Doch auf lange Sicht steckt nicht nur Deutschland bei der Energieversorgung in einer Kostenfalle.

Um den Verbrauch einzudämmen, werden Abgaben erhöht, das trifft die Ärmeren besonders stark – auch in Zukunft. Denn ohne steigende Preise wird die Energiewende nicht gelingen. Ohne eine gerechte Verteilung der zusätzlichen Last wird sie aber auf dem Rücken der Schwächeren durchgezogen. Ebenso die dramatische Entwicklung der Mieten bedarf staatlicher Eingriffe.

Ich setze als älterer Mensch nun auf unsere junge Generation. Die neben der Problematik, die durch den rasanten Klimawandel entstanden ist, sich auch für eine gerechte Sozialpolitik einsetzen. „Damit geht eine besondere Verantwortung einher.“ Ich setze auf Transparenz „bis ins letzte Detail.“ Ich denke hier z.B. an die Probleme für die künftigen Pensionsrückstellungen. „Wir müssen heute die Finanzen konzedieren, um morgen Spielräume zu haben.“ Ich sage aber auch: „Die Politik muss kluge Entscheidungen treffen, aber kluge Entscheidungen können wehtun.“ „Die kommenden Veränderungsprozesse fordern uns und werden uns auch schmerzen. Sie können aber auch eine Chance sein, wenn Parlamentarier die Bürger wieder ernst nehmen, mit neuen Partnern ins Gespräch zu kommen und zu schauen: Was machen wir gemeinsam?“

Die Jusos im Bundestag werden den Geist der Jugend zur Sprache bringen,
( hoffentlich auch im Sinne der Alten!)

Für die Zukunft wünsche ich Euch viel Erfolg!
Herzliche Grüße

Quelle: Horst Gehring