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Österreich - 25.10.2021 - von Jonathan Scheucher
"Bei der Antidiskriminierungsstelle Steiermark häufen sich Beschwerden über KFZ-Haftpflichtversicherungen. Diese würden für Seniorinnen und Senioren oft spürbar teurer werden. Die Versicherungen rechtfertigen das mit der steigenden Unfallhäufigkeit älterer Verkehrsteilnehmer, für die Antidiskriminierungsstelle liegt Altersdiskriminierung vor.
Laut Antidiskriminierungsstelle Steiermark mehren sich Beschwerden von Konsumentinnen und Konsumenten, denen auffällt, dass sie ab einem gewissen Alter für die KFZ-Haftpflichtversicherung deutlich mehr zahlen müssen. Bei einem Pensionisten, der bis zu seinem 65. Lebensjahr noch 650 Euro zu zahlen hatte, verteuerte sich die jährliche Prämie um 30 Prozent auf 845 Euro. Sein 40-jähriger Sohn bezahlt bei derselben Versicherung nur 500 Euro, also knapp 60 Prozent weniger.
Auch Vollkaskoversicherungen würden im Alter häufig teurer, oder es würden Selbstbehalte bei Unfallschäden verlangt. Für die Antidiskriminierungsstelle Steiermark sind das klare Fälle von Diskriminierung aufgrund des Alters. Diese Vorgehensweise sei jedoch im Dienstleistungssektor, anders als im Arbeitsleben, in Österreich nicht verboten.
Höhere Prämien und Selbstbehalte für Senioren
Dass Versicherungsunternehmen ihre Kundinnen und Kunden aufgrund des Alters benachteiligen – und in vielen Fällen auch ablehnen, sei seit vielen Jahren bekannt, sagt die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle, Daniela Grabovac. Etwa bei Lebensversicherungen oder Zusatzkrankenversicherungen. Dass nun auch KFZ-Haftpflichtversicherungen teurer würden, sei hingegen neu, so Grabovac. Beschwerden über höhere Prämien häufen sich seit einigen Monaten.
Bei einem Konsumenten mit Vollkaskoversicherung habe sich die Prämie ab dem 60. Lebensjahr jährlich verteuert. Während die Vollkasko zunächst 1.200 Euro gekostet habe, zahlte er mit 70 Jahren bereits 1.900 Euro für dieselbe Leistung. Eine Steigerung von knapp 60 Prozent.
Versicherungen verteidigen Selbstbehalte
Auch Selbstbehalte bei Unfallschäden würden Seniorinnen und Senioren ab einem gewissen Alter das Leben spürbar verteuern, sagt Grabovac. Hier handle es sich häufig um dreistellige Beträge, die manche Anbieter ab dem 60., andere ab dem 71. Lebensjahr einheben.
Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark hat in den Fällen interveniert. Den Vorwurf der Altersdiskriminierung haben alle Versicherungsunternehmen zurückgewiesen und den Prämienzuschlag mit der Begründung gerechtfertigt, dass die Unfallwahrscheinlichkeit mit dem Alter steige.
Von Seiten des österreichischen Versicherungsverbands (VVO) hieß es telefonisch gegenüber help.ORF.at, dass die Gestaltung der Prämien allein den einzelnen Versicherungsunternehmen vorbehalten sei. Zu den Fragen, nach welchen Kriterien Prämien und Selbstbehalte berechnet würden und warum die Beträge mit zunehmendem Alter höher würden, wollte der VVO schriftlich keine weitere Stellungnahme abgeben.
„Diskriminierung“ bei Dienstleistungen erlaubt
Für die Juristin Daniela Grabovac ist jedoch klar, dass die Unternehmen in allen vorliegenden Fällen Kundinnen und Kunden aufgrund ihres Alters diskriminieren: „Das Gesamtbild zeigt, auch in Deutschland, dass sehr wohl das Alter das ausschlaggebende Argument ist. Eine Versicherung habe den Schaden zu versichern, das Risiko müsse gemeinschaftlich getragen werden." Hier werde eine bestimmte Gruppe dazu genötigt, ein höheres Versicherungsrisiko zu tragen als eine andere Gruppe, so die Leiterin der Antidiskriminierungsstelle.
Im Arbeitsleben ist Altersdiskriminierung EU-weit seit dem Jahr 2004 verboten, nicht aber im Güter- und Dienstleistungsbereich. Darunter fallen auch KFZ-Versicherungen. In Österreich ist Grabovac keine Initiative bekannt, die versucht hätte, gesetzlich daran etwas zu ändern. In Deutschland habe das Büro gegen Altersdiskriminierung 2019 eine Petition an den Bundestag gerichtet, mit dem Appell, bei KFZ-Haftpflichtversicherung die Prämienzuschläge für ältere Personen zu verbieten.
Bisher habe diese Initiative auch in Deutschland keine Gesetzesänderung bewirkt, so Grabovac. Die Juristin fordert eine Richtlinie auf EU-Ebene, die Altersdiskriminierung auch für den Dienstleistungsbereich untersagt. „Wir müssen eine Solidargemeinschaft werden, die das Risiko gemeinsam trägt und abfedert“, so die Juristin.
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