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Bündnis gegen Versammlungsgesetz in NRW reicht Klage ein / Stellungnahme Linksjugend

15.07.2021

Das Bündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen – Grundrechte erhalten!“ hat heute morgen am Verwaltungsgericht Düsseldorf Klage gegen das Land Nordrhein-Westfalen wegen des unverhältnismäßigen Polizeieinsatzes am 26. Juni 2021 eingereicht. Die Klage führen die Co-Anmelder und Versammlungsleiter Martin Behrsing und Mischa Aschmoneit sowie Bündnissprecherin Gizem Koçkaya und der Grefrather Ratsherr Marcus Lamprecht, denen durch die Kesselung die Freiheit entzogen wurde.
Ziel der Klage ist, dass das Anhalten des Demonstrationszuges, die Kesselung von rund 330 Demonstrierenden sowie der Ausschluss der gekesselten Teilnehmer:innen für rechtswidrig erklärt wird. Zudem wird die mehrstündige Freiheitsentziehung, sowie das Fehlen sanitärer Anlagen während des Freiheitsentzugs beklagt.

Jasper Prigge, Rechtsanwalt und Prozessbevollmächtigter, erklärt: „Die Polizei hat die Versammlung faktisch beendet. Die mit den Maßnahmen verbundenen Auswirkungen haben schwerwiegend in die Versammlungsfreiheit eingegriffen. Dieser Umgang mit den Demonstrierenden war unverhältnismäßig und daher rechtswidrig.“

Dazu kommentiert Martin Behrsing, Anmelder und Versammlungsleiter der Demonstration: „Die Taktik der Polizei war meines Erachtens von Anfang an darauf ausgerichtet, das Geschehen zur Eskalation zu bringen. Das schließe ich auch daraus, dass eine sonst übliche, direkte Kommunikation mit der Polizeieinsatzleitung nicht möglich war und wir stattdessen nur mit zunehmend hilflos wirkenden Kontaktbeamten reden konnten.“

Der Kläger Marcus Lamprecht ergänzt: „Über Stunden von der Polizei festgesetzt zu sein, hat sich sehr beklemmend angefühlt. Wir haben friedlich demonstriert und wurden ohne Kommunikation, ohne Zugang zu Toiletten und lange auch ohne Wasserversorgung festgehalten. Das war erschreckend!“

Bündnissprecherin Gizem Koçkaya fügt hinzu: „Der notwendige demokratische Protest gegen das geplante autoritäre Versammlungsgesetz wurde niedergeknüppelt, stundenlang in einem menschenunwürdigen Kessel festgesetzt und mit Gewalt verhindert. Dieser illegale Angriff auf die Versammlungsfreiheit zeigt uns mit aller Deutlichkeit, dass dieses Versammlungsverhinderungsgesetz keinesfalls verabschiedet werden darf. Deshalb legen wir nun auch nach und rufen erneut zu einer Großdemonstration in Düsseldorf auf.“

Am kommenden Samstag, 17. Juni 2021, werden in verschiedenen Städten NRWs Kundgebungen und Demonstrationen abgehalten. Für den 28. August 2021 hat das Protestbündnis eine weitere landesweite Großdemo in Düsseldorf gegen das geplante Versammlungsgesetz angemeldet.

Hintergrundseite zur Kritik am Gesetzentwurf: Link

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Stellungsnahme linksjugend [solid]
Düsseldorfer Polizeieinsatz vom 26. Juni und dem weiteren Kampf gegen das geplante Versammlungsgesetz NRW
Am Samstag den 26. Juni 2021 haben wir als Teil des Bündnisses gegen das geplante Versammlungsgesetz NRW an der Großdemonstration in Düsseldorf teilgenommen. Gemeinsam bildeten dutzende Genoss:innen aus dem gesamten Land einen Teil des roten Blocks aus LINKE, linksjugend [solid] und SDS. Insgesamt versammelten sich etwa 8.000 Menschen in einem kilometerlangen Marsch, um ein Zeichen gegen das geplante Versammlungsgesetz zu setzen.

Im gesamten Verlauf wurden entgegen längst geklärter Rechtsprechung sämtliche Teile der Demonstration und ihre Teilnehmer:innen gefilmt. Während des Demonstrationszugs kam es mehrfach zu Provokationen und gewaltsamen Ausschreitungen seitens der Polizei. Bereits zu Beginn folgten erste Eingriffe, insbesondere gegenüber dem Antifa-Block. Teilnehmer:innen waren wiederholt gezwungen stehen zu bleiben und mussten in der prallen Sonne ausharren. In Höhe einer Polizeiaußenstelle kam zur ersten großen Konfrontation. Als der Antifa-Block die Kreuzung dort erreichte, sperrten hunderte Polizeikräfte völlig anlasslos die Route, sodass der Zug wieder zum Stehen kam. Nicht für die Versammlung eingesetzte Polizist:innen postierten sich an den Fenstern des Präsidiums und den umliegenden Straßen – teilweise filmend und lachend – und beobachteten wie die Einsatzkräfte mit Pfefferspray, Knüppel und Tritten gegen die Demonstrant:innen vorgingen. Unter den Verletzten waren Minderjährige und Journalist:innen.

Nach einiger Zeit konnte die Demonstration fortgesetzt werden, das jedoch weiterhin stockend. Unter der Anwendung von massiver Gewalt u.a. mit Schlagstöcken und dem Einsatz von Reizgas wurde dann wenig später ein willkürlich abgegrenzter Teil der Demonstration unvermittelt und grundlos vom Rest abgeschnitten und eingekesselt. Darin befanden sich ein Teil des Klimablocks, der gesamte Antifa-Block und etwa die Hälfte unseres roten Blocks. Begründet wurde die Einkesselung mit Bannern, die zu hochgehalten worden seien und der Zündung einzelner Pyrotechnik. Mehr als fünf Stunden waren die Menschen eingesperrt. Ohne Wasser und Lebensmittel. Selbst der Toilettengang wurde verweigert. Auf Nachfrage teilten einige Beamt:innen mit, dass die Erleichterung in den Gullys der Straße erledigt werden könne. Erst ab 23 Uhr konnte die Mehrheit die Einkesselung der Polizei verlassen. Doch nicht, ohne sich zuvor erkennungsdienstlich behandeln und durchsuchen zu lassen.

Rund 100 Menschen sind durch die massive Polizeigewalt verletzt worden. Das gesamte Vorgehen lässt darauf schließen, dass die Eskalation im Voraus geplant und seitens der Behörden beabsichtigt war, um die drastischen Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zu rechtfertigen. Wir verurteilen diesen massiven Angriff auf die Versammlungsfreiheit durch die Polizei auf das Schärfste. Dieser Polizeieinsatz war eine Machtdemonstration und gibt einen Vorgeschmack auf das uns zu Erwartende, sollte es zur Verabschiedung des geplanten Versammlungsgesetzes kommen.

Es ist offensichtlich, dass dieser Gesetzesentwurf, der das willkürliche Ausschließen von Einzelpersonen von Versammlungen durch Polizeibeamt:innen und ein Verbot, einheitliche Kleidung zu tragen, verfassungsrechtlich nicht haltbar ist. Dennoch, wir Sozialist:innen dürfen uns nicht auf die bürgerlichen Gerichte verlassen. Gleiches gilt für die Klagen gegen den Polizeieinsatz: Es ist zwar richtig und wichtig, die Rechtswidrigkeit feststellen zu lassen. Nur wird eine solche Entscheidung kaum Auswirkungen haben. Wir brauchen Werkzeuge, um polizeiliche Willkür einzuschränken. Dazu gehört unser Widerstand gegen das geplante Versammlungsgesetz – und eine demokratische Kontrolle der Polizei.

Das Versammlungsgesetz ist ein autoritärer und antidemokratisches Paket mit dem Ziel, den Widerstand gegen Ausbeutung und Unterdrückung klein zu halten. Die Herrschenden bereiten sich damit auf schärfere Auseinandersetzungen vor, beispielsweise um die Frage, wer die Kosten der Corona-Krise bezahlen soll. Um so wichtiger ist unser Widerstand! Und der wird geschlossen und gestärkt weitergehen. Wir lassen uns nicht spalten! Wir lassen uns nicht einschüchtern! Bereits für den kommenden Samstag ruft das Aktionsbündnis „Versammlungsgesetz NRW stoppen!“ zu einem dezentralen Aktionstag auf. Macht mit und erhebt Euch!
Mehr Infos zum Aktionstag und eine Liste von geplanten Aktionen findet ihr auf der Bündnis-Webseite:


nrw-versammlungsgesetz-stoppen.de

Quelle: Stellungnahme der linksjugend [solid] NRW