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30.06.2021 - von Hanne Schweitzer
Verdi hat am Dienstag 500 KollegInnen in Berlin zu einem eintägigen Warnstreik in den Tochterfirmen des Krankenhaus-Konzerns Vivantes aufgerufen. Die acht Vivantes-Kliniken gehören dem Land Berlin. Dem Streikaufruf der Gewerkschaft sind mehr als 300 Beschäftigte gefolgt. Für die allermeisten war es der erste Streik ihres Lebens.
Der Anlass für den Streik:
Wer in einer Vivantes-Klinik angestellt ist, wird nach Tarifvertrag bezahlt - auch wenn er oder sie bei einer Tochterfirma des Konzerns arbeitet. Das gilt aber NICHT für die Beschäftigten, die bei einer der Tochtergesellschaften angestellt sind. Sie werden nicht nach dem Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes bezahlt, sie sind Beschäftigte 2. Klasse und wie so oft - überwiegend sind es Frauen!
Folgen:
- Die Einstiegslöhne bei den Tochterfirmen liegen unter dem Mindestlohn des Landes Berlin von 12,50 €uro brutto.
- Wer in einer Tochtergesellschaft angestellt ist, bekommt für die gleiche Arbeit bis zu einem Drittel WENIGER bezahlt als jemand, der oder die bei einem Vivantes-Krankenhaus angestellt ist. Es gibt für die gleiche Arbeit Lohnunterschiede bis zu 1.000 EURO netto ! Das bedeutet: Die Rente wird entsprechend niedriger sein!
Tochterfirmen der Vivantes-Krankenhäuser des Landes Berlin
- Speiseversorgungslogistik (SVL Speiseversorgung und -logistik GmbH),
- Reinigung (Viva Clean Nord und Süd),
- Medizinische Versorgungszentren (MVZ),
- ambulante Rehabilitation (Rehabilitation GmbH),
- Sterilisation und Patiententransport, Textilreinigung, Patientenbegleitung Vivantes Service GmbH (VSG).
Das Ultimatum läuft noch 51 Tage!
Der Klinikkonzern Vivantes und seine Tochterfirmen gehören dem Land Berlin. In Berlin regiert seit 2016 eine Koalition aus SPD, DIE LINKE und BÜNDNIS 90/Die Grünen. Im Koalitionsvertrag steht auf Seite 163: "... Die Koalition setzt sich dafür ein, dass Landesunternehmen in Tarifbünden geführt werden. Sie setzt sich zudem dafür ein, dass auch für Landesunternehmen und ihre Tochterunternehmen, die bisher noch nicht tarifgebunden sind, zügig mit dem Ziel der Beschäftigungssicherung und der Angleichung an den TVÖD Tarifverträge abgeschlossen werden. Die Koalition wird Outsourcing in öffentlichen Einrichtungen und Betrieben mit lediglich dem Ziel, sich aus Tarifbindungen zu lösen, unterbinden. ...“ Und auf Seite auf Seite 168 heißt es: "... Die landeseigenen Kliniken müssen vorangehen, wenn der Pflegeberuf attraktiver gemacht werden soll. Bessere Arbeitsbedingungen, eine angemessene Bezahlung und familienfreundliche Arbeitszeiten für alle Berufsgruppen sind beispielhaft umzusetzen. ..."
Am 26. September 2021 wird der Berliner Senat neu gewählt. Weil aber seit 2016 weder aus der "beispielhaften Umsetzung" etwas geworden ist, noch die Bezahlung an den Tarifvertrag des Öffentlichen Dienstes angeglichen wurde, haben Verdi und die bei Vivantes und Charité Beschäftigten dem Berliner Senat nun öffentlich ein Ultimatum gestellt:
1.
Bis zum 20. August muss für alle Beschäftigten bei den Töchtern der Tarifvertrag des Öffentlichen Diensts gelten und die ungleiche Bezahlung beendet werden.
2.
Bis zum 20. August müssen Vivantes und die Charité einen Tarifvertrag für eine BEDARFSGERECHTE Personalbemessung unterzeichnet haben.
Passiert das nicht, ruft Verdi vor den Senatswahlen im September alle Beschäftigten bei den Tochterfirmen UND auf den Stationen zum Streik auf. Mit anderen Worten: Krankenschwestern und -Pfleger, Reinigungskräfte, Physios, Küchenpersonal, Ärzte, WäschereimitarbeiterInnen, PatientenbegleiterInnen, Hygienefachleute und LaborantInnen legen GEMEINSAM die Arbeit nieder. Und die meisten davon sind Frauen, starke Frauen!
Die miserable und unterschiedliche Bezahlung soll vom Tisch. Die Beschäftigten und Verdi wollen sie nicht länger hinnehmen. „Unser Ziel ist es, Lohngerechtigkeit bei Vivantes zu schaffen“, sagt Verdi-Verhandlungsführer Ivo Garbe.
Die Arbeitgeber
Der Kommunale Arbeitgeberverband Berlin (KAV) gibt sich "erschüttert". Die Sicherheit und das Wohl der Patienten und Bewohner seien durch den Streik "massiv gefährdet". Dabei waren es die Arbeitgeber, die am Montag die Verhandlungen über einen Notdienst während des Streiks abgebrochen hatten. Was aber nicht weiter schlimm ist, da in solchen und ähnlichen Fällen die Notdienste stets von der Gewerkschaft und den Beschäftigten organisiert werden.
9. Juli 2021: Union Berlin trifft Krankenhausbewegung
Auch Union Berlin ist mit der Berliner Krankenhausbewegung solidarisch!
Deshalb kann die Krankenhausbewegung am Freitag, dem 9. Juli 2021 von 16 - 20 Uhr im Köpenicker Stadion An der Alten Försterei bei Union Berlin eine Protestversammlung und eine große Teamdelegierten-Konferenz von Vivantes, Charité, den Vivantes-Töchtern und allen UnterstützerInnen der Forderungen durchführen!
Der Kreis der Unterstützer wird größer! Zur Zeit gehören dazu: Aktivist*innen von Fridays for Future, Kritische Mediziner:innen, mehr als 100 Lokal- und Landespolitiker, die sich öffentlich hinter die Forderungen von Verdi gestellt haben, Patienten + Angehörigen-Verbände, Deutsche Wohnen enteignen, 1. FC Union Berlin.
Alle UnterstützerInnen und solche, die es gerne werden wollen, können sich für den 9.7. einen Platz im Unterstützerblock auf der Haupttribüne im Union-Stadion kostenlos reservieren unter: Link
Ob die von Nina Hagen gesungene Vereinshymne "Eisern Union" am 9. Juli auch gespielt werden wird, ist noch nicht bekannt: Link
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Berliner Krankenhausbewegung: Vivantes bricht Notdienstverhandlungen ab: Link
Weitere Infos zur Berliner Krankenhausbewegung: Link
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28.06.2021: Berliner Krankenhausbewegung: Vivantes bricht Notdienstverhandlungen ab
21.06.2021: Bruttomonatsverdienst in NRW gesunken
16.06.2021: Streik der Lokomotivführer: Seien wir in guter Tradition solidarisch !!!!
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