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Der neue Gott der Linken - Von Marx zurück zu Rousseau

Foto: H.S.

18.03.2021 - von Norbert Bolz

Die Linke hat in ihren revolutionären Träumen Marx durch Rousseau ersetzt. Und die Diktatur des Proletariats durch die ökologische Diktatur. Damit ist sie am intellektuellen Nullpunkt angekommen.

Eine Abrechnung.
Von Norbert Bolz

Dass der Geist links weht, konnte man früher, etwa von Lessing bis Adorno, durchaus zurecht
behaupten. Vor allem die marxistische Linke war intellektuell anspruchsvoll, und das verdankte sie dem fleißigen Studium von Hegels Dialektik.

Überzeugend war diese Gesellschaftskritik deshalb, weil sie immanent verfuhr, also keine moralischen Sollensforderungen an die Realität stellte, sondern die Selbstwidersprüche des Kapitalismus aufdecken wollte.

Das gilt auch noch für den Neomarxismus der 20er Jahre, vor allem Georg Lukács‘ grandioses Werk „Geschichte und Klassenbewusstsein“ und die Frankfurter Schule unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg. Sogar die Führer der Studentenbewegung waren noch eindrucksvoll durch ihre intellektuelle und rhetorische Souveränität. Doch von da an ging es bergab. Das hatte im Wesentlichen zwei Gründe.

Das wichtigste Produkt des Kapitalismus, das Proletariat, löste sich in Kleinbürgerlichkeit auf. Und der real existierende Sozialismus blamierte den marxistischen Geist. Mit dem Untergang der Sowjetunion zerplatzten die linken Träume endgültig. Deshalb stellte der Protest von rot auf grün um. Statt auf das Proletariat setzt man seither auf den guten Menschen und die eigentlich heile, aber gefährdete, weil ausgebeutete Natur.

Man könnte von einer grünen Inversion der Revolution sprechen – von Marx zurück zu Rousseau. In den revolutionären Träumen hat die ökologische Diktatur die Diktatur des Proletariats ersetzt.

weiterlesen bei Die WELT, 18.3.2021 unter: Link

Quelle: WELT, 18.3.2021