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Europäische Union - 24.09.2020 - von https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/de/QANDA_20_1662
"Am 17. Juni legte die Europäische Kommission eine europäische Strategie für die beschleunigte Entwicklung, Herstellung und Bereitstellung von Impfstoffen gegen COVID-19 vor. Mit ihrer Impfstoffstrategie will die EU sicherstellen, dass in Europa hochwertige, sichere und wirksame Impfstoffe hergestellt werden und dass die Mitgliedstaaten und ihre Bevölkerung rasch Zugang zu diesen Impfstoffen erhalten. Darüber hinaus ist diese Strategie Ausdruck der weltweiten Solidaritätsanstrengungen und gewährleistet einen möglichst raschen, gleichberechtigten Zugang zu einem erschwinglichen Impfstoff.
Ein gemeinsames Handeln auf EU-Ebene ist die sicherste, schnellste und effizienteste Art und Weise, diese Ziele zu erreichen. Kein Mitgliedstaat verfügt allein über die notwendigen Kapazitäten, um Investitionen in die Entwicklung und Herstellung einer ausreichenden Menge von Impfstoffen abzusichern. Nur durch rasche und abgestimmte Maßnahmen der EU und ihrer Mitgliedstaaten kann eine ausreichende und rasche Versorgung mit einem sicheren und wirksamen Impfstoff gewährleistet werden. Eine gemeinsame Strategie ermöglicht eine bessere Absicherung gegen Misserfolge, die Streuung von Risiken und die Bündelung von Investitionen, um Skalen- und Verbundeffekte sowie Geschwindigkeitsvorteile zu erzielen.
Die Kommission hat zwei erste Verträge unterzeichnet, die den Ankauf eines Impfstoffs ermöglichen, sobald dieser sich als sicher und wirksam erwiesen hat, und zwar mit AstraZeneca und Sanofi-GSK. Sondierungsgespräche konnten am 13. August mit Johnson & Johnson, am 18. August mit CureVac, am 24. August mit Moderna und am 9. September mit BioNTech erfolgreich abgeschlossen werden.*
VERHANDLUNGSVERFAHREN
Sind alle Mitgliedstaaten im Lenkungsausschuss und im Verhandlungsteam vertreten?
Alle Mitgliedstaaten haben das in der Impfstoffstrategie dargelegte Konzept gebilligt und eine Vereinbarung über ihre Umsetzung unterzeichnet. Somit sind alle Mitgliedstaaten im Lenkungsausschuss vertreten, der alle Aspekte der vertraglichen Abnahmegarantien für Impfstoffe vor der Unterzeichnung erörtert und überprüft. Der Ausschuss ernennt die Mitglieder des gemeinsamen Verhandlungsteams, das die Abnahmegarantien mit den Impfstoffentwicklern aushandelt und dem Ausschuss Bericht erstattet. Alle Vertreter in diesen Gremien wurden von ihren Regierungen benannt und haben Erklärungen über das Nichtvorliegen von Interessenkonflikten und Vertraulichkeitserklärungen unterzeichnet.
Was ist der Unterschied zwischen dem Abschluss einer Abnahmegarantie und der Unterzeichnung eines Vertrags mit einem Pharmaunternehmen?
Bevor eine Abnahmegarantie ausgehandelt wird, führt das Verhandlungsteam Sondierungsgespräche mit dem Unternehmen, um festzustellen, ob eine Aufnahme detaillierter Vertragsverhandlungen sinnvoll ist. Sofern dies zutrifft und eine Vereinbarung über die Bedingungen getroffen werden kann, wird das Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert und muss daraufhin ein Angebot unterbreiten.
Eine Abnahmegarantie wird abgeschlossen, sobald beide Seiten die vertraglichen Arbeiten beendet haben. Sie wird im Lenkungsausschuss erörtert und vereinbart. Zum Abschluss einer Abnahmegarantie bedarf es der Zustimmung der Kommission.
Ist in der Abnahmegarantie eine Verpflichtung der Mitgliedstaaten zum Ankauf von Impfstoffdosen vorgesehen (selbst wenn es in der Abnahmegarantie auch weitere fakultative Dosen geben kann), haben die Mitgliedstaaten fünf Arbeitstage Zeit mitzuteilen, wenn sie sich gegen eine Beteiligung entschieden haben. Der Vertrag wird nur dann unterzeichnet, wenn mindestens vier Mitgliedstaaten bereit sind, sich zu verpflichten.
Falls eine Abnahmegarantie den Mitgliedstaaten lediglich die Option einräumt, zu einem späteren Zeitpunkt Impfstoffdosen anzukaufen, kann die Kommission sie genehmigen und direkt mit dem betreffenden Unternehmen unterzeichnen. Die Mitgliedstaaten können dann zu einem späteren Zeitpunkt entscheiden, ob sie von dieser Option Gebrauch machen wollen. Der Ankauf der Impfstoffe – sobald sie verfügbar sind – liegt in der Zuständigkeit der Mitgliedstaaten.
Wird die Kommission die Verträge veröffentlichen, die sie mit Pharmaunternehmen unterzeichnet hat?
Der Kommission geht es vorrangig darum, die öffentliche Gesundheit zu schützen und bestmögliche Vereinbarungen mit den Unternehmen zu erzielen, damit die Impfstoffe erschwinglich, sicher und wirksam sind. Verträge sind aus Gründen der Vertraulichkeit geschützt, was durch den starken Wettbewerb auf diesem globalen Markt gerechtfertigt ist. Dies dient nicht nur dem Schutz von heiklen Verhandlungen, sondern auch von unternehmensbezogenen Informationen wie Finanzinformationen und Entwicklungs- und Produktionsplänen.
Eine Veröffentlichung sensibler Geschäftsinformationen würde zudem das Angebotsverfahren beeinträchtigen und die Kommission möglicherweise weitgehend daran hindern, ihre Aufgaben gemäß den Rechtsinstrumenten, die den Verhandlungen zugrunde liegen, wahrzunehmen. Alle Unternehmen verlangen, dass solche sensiblen Geschäftsinformationen zwischen den unterzeichnenden Vertragsparteien vertraulich bleiben. Die Kommission ist daher an die Verträge gebunden, die sie mit den Unternehmen abschließt.
Und schließlich ist die Kommission gegenüber den anderen EU-Organen und den europäischen Bürgerinnen und Bürgern rechenschaftspflichtig. Sie handelt unter vollständiger Einhaltung aller geltenden Vorschriften für die Haushaltsführung, die zu einem späteren Zeitpunkt einer Prüfung unterzogen werden kann.
HAFTUNG & SCHADENERSATZ
Hat die Kommission Zugeständnisse bei der Haftung gegenüber der Industrie gemacht, insbesondere beim Schadenersatz in bestimmten Haftungsfällen?
Die Kommission gewährleistet, dass jede Vereinbarung zur Sicherung von Impfstoffen im Rahmen der Impfstoffstrategie unter vollständiger Einhaltung des EU-Rechts getroffen wird. In den Verträgen, die die Kommission derzeit aushandelt, werden die Bürgerrechte im Einklang mit der Produkthaftungsrichtlinie gewahrt und geschützt.
Entsprechend den EU-Vorschriften über die Produkthaftung bleibt das Unternehmen haftbar. Um jedoch etwaige Risiken der Hersteller aufgrund der ungewöhnlich verkürzten Frist für die Impfstoffentwicklung auszugleichen, ist in den Abnahmegarantien vorgesehen, dass die Mitgliedstaaten den Hersteller in möglichen Haftungsfällen entschädigen, jedoch nur unter ganz bestimmten, in den Abnahmegarantien festgelegten Bedingungen.
Die Kommission hat im Zuge der Durchführung der Impfstoffstrategie stets deutlich gemacht, dass sie nicht bereit ist, Abstriche bei der Anwendung der bestehenden Vorschriften für die Zulassung eines pharmazeutischen Erzeugnisses zu machen. Nach diesen Grundsätzen richtet sich auch jede von der Kommission ausgehandelte Entschädigungsklausel.
Somit ändern die Haftungs- und Entschädigungsbestimmungen auch nichts daran, dass rechtlich die Beweislast für den Nachweis der Sicherheit und Wirksamkeit ihrer Arzneimittel bei den Unternehmen liegt. Jeder in Verkehr gebrachte Impfstoff muss die nötigen Sicherheitsanforderungen erfüllen und wird im Rahmen des EU-Marktzulassungsverfahrens einer unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur unterzogen.
Die EU und die Mitgliedstaaten werden weiterhin alle erforderlichen Maßnahmen zum Schutz ihrer Bürgerinnen und Bürger ergreifen und sicherstellen, dass
vor der Zulassung eines Impfstoffs eine strenge, unabhängige wissenschaftliche Bewertung (im Hinblick auf Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit) durchgeführt werden muss,
die Rechte der Bürgerinnen und Bürger ohne Abstriche geschützt werden,
die Mitgliedstaaten bereit sind, bestimmte Risiken der Unternehmen finanziell aufzufangen, um zu gewährleisten, dass den EU-Bürgerinnen und Bürgern Impfstoffe zum Schutz der öffentlichen Gesundheit wirklich zur Verfügung stehen.
ZULASSUNGSVERFAHREN
Wie kann ein COVID-19-Impfstoff innerhalb von 12 bis 18 Monaten entwickelt und zugelassen werden, wenn das normale Verfahren etwa 10 Jahre dauert? Welche Rolle spielen die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) und die Europäische Kommission dabei, und wie kann das Zulassungsverfahren in Notfällen beschleunigt werden?
Derzeit befinden wir uns inmitten der schwersten Krise, die das öffentliche Gesundheitswesen in der jüngeren Geschichte erlebt hat. Ein sicherer und wirksamer Impfstoff wird ein Schlüsselelement dafür sein, einen Ausweg aus der Pandemie zu finden. Europa und die Welt müssen rasch handeln; Teams in der ganzen Welt arbeiten daran, in einem Zeitrahmen von 12 bis 18 Monaten einen wirksamen Impfstoff zu entwickeln. Die Bereitstellung eines wirksamen Vakzins innerhalb eines engen Zeitrahmens bedeutet jedoch nicht, dass Abstriche bei der Sicherheit gemacht werden, ganz im Gegenteil: Die Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen sind nicht verhandelbar und sie sind eine Grundvoraussetzung dafür, dass ein Impfstoff in der EU und darüber hinaus in Verkehr gebracht werden darf.
Es stimmt, dass die Entwicklung von Impfstoffen lange dauern kann; deshalb haben wir unsere Impfstoffstrategie aufgestellt, damit wir an allen Fronten rund um die Uhr gemeinsam mit allen Mitgliedstaaten, globalen Partnern, Forschern und Wissenschaftlern an der raschen Entwicklung eines sicheren und wirksamen Impfstoffs arbeiten können. Der häufig genannte Zeitrahmen von zehn Jahren bezieht sich auf die Zeit vom Konzept bis zur Zulassung und schließt die Erbringung der erforderlichen Nachweise durch klinische Prüfungen ein. Eine Verkürzung dieses Zeitrahmens auf 12–18 Monate bedeutet sowohl eine kürzere Entwicklungs- und Herstellungsfrist als auch eine schnellere Zulassung.
Die Regulierungsprozesse werden zwar flexibel sein, aber nichts von ihrer üblichen Strenge einbüßen. Die Kommission wird gemeinsam mit den Mitgliedstaaten und der Europäischen Arzneimittel-Agentur die im Rechtsrahmen der EU bestehenden Spielräume nutzen, um die Zulassung zu beschleunigen und für eine rasche Verfügbarkeit erfolgreicher Impfstoffe gegen COVID-19 zu sorgen, und dabei die Standards für die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen aufrechterhalten.
Zulassungsverfahren
Die Impfstoffhersteller entscheiden, ob und wann sie die Zulassung eines Impfstoffs beantragen. Die Aufgabe der EMA in diesem Zusammenhang besteht in der unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung des Antrags und der Erstellung eines wissenschaftlichen Gutachtens für die Europäische Kommission, die für die Erteilung einer EU-weiten Zulassung zuständig ist. Die Zulassung wird nur unter der Voraussetzung erteilt, dass das Nutzen-Risiko-Verhältnis nach einer Bewertung der Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des Arzneimittels positiv ausfällt.
Abweichungen von den üblichen Entwicklungsplänen sind im Notfallszenario möglich, und die Entwickler können Zeit sparen, indem sie zum Beispiel manche Studien parallel anstatt nacheinander durchführen und indem sie unterschiedliche Studiendesigns und Endpunkte zur Bestimmung der Wirksamkeit verwenden. Den Entwicklern wird empfohlen, ihre Entwicklungspläne mit den Regulierungsbehörden zu besprechen, um die Zulassungsanforderungen zu klären.
Die klinischen Prüfungen der COVID-19-Impfstoffe werden schneller als üblich durchgeführt, da Sponsoren, Forscher und Regulierungsbehörden bedeutend mehr Arbeit in ihre Organisation und Durchführung investiert haben. Die weite Verbreitung der Pandemie bedeutet, dass zahlreiche Probandinnen und Probanden in relativ kurzer Zeit rekrutiert werden können, ohne dass die Qualität der Prüfungen selbst leidet.
Im EU-Regulierungssystem werden erhebliche Ressourcen für die rasche Entwicklung und Zulassung sicherer, wirksamer und hochwertiger COVID-19-Impfstoffe eingesetzt. Die Pandemie-Taskforce der EMA (COVID-ETF), die die besten wissenschaftlichen Fachleute des EU-Regulierungsnetzes in einer Gruppe versammelt, wird eng mit dem Ausschuss für Humanarzneimittel (CHMP) der EMA zusammenarbeiten, um mit ihm die Tätigkeiten für die Entwicklung, Zulassung und Sicherheitsüberwachung von Impfstoffen gegen COVID-19 optimal und zügig zu koordinieren.
Kann ein Impfstoff zugelassen werden, bevor Phase 3 der klinischen Prüfungen abgeschlossen ist?
Ein Hauptziel, das die Kommission und die Europäische Arzneimittel-Agentur mit der EU-Impfstoffstrategie verfolgen, besteht darin, die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit von Impfstoffen zu gewährleisten. Jeder Impfstoff kann nur nach einer gründlichen Bewertung eine Zulassung in der EU erhalten. Damit die EMA die Zulassung eines Impfstoffs empfehlen kann, benötigt sie ausreichende Informationen über seine Sicherheit, Wirksamkeit und pharmazeutische Qualität. Die Zulassung wird nur erteilt, wenn der Nutzen des Impfstoffs etwaige Risiken nachweislich überwiegt.
Grundsätzlich setzt die Zulassung eines COVID-19-Impfstoffs Phase-3-Studien in großem Maßstab zum Nachweis der Wirksamkeit voraus, an denen Tausende von Probandinnen und Probanden beteiligt sind. Diese Prüfungen sind so zu konzipieren, dass die Wirksamkeit des Impfstoffs beim Schutz vor COVID-19 (Wirksamkeitsendpunkte) ebenso wie seine Sicherheit gemessen werden. Grund dafür ist, dass es keine bekannten Indikatoren (wie etwa Antikörperspiegel im Blut) gibt, die anzeigen, wie stark der Schutz ist, und anstelle der Wirksamkeitsendpunkte verwendet werden könnten. Zudem befindet sich in der jetzigen Situation das Virus im Umlauf, sodass die Wirksamkeit eines Impfstoffs in groß angelegten klinischen Studien ermittelt werden kann.
Die Protokolle solcher klinischen Prüfungen, einschließlich aller Pläne für Zwischenanalysen, bedürfen der behördlichen Genehmigung.
Worin besteht die wissenschaftliche Begutachtung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur? Wie läuft das Zulassungsverfahren ab?
Um eine Zulassung für einen Impfstoff in der EU zu erhalten, muss ein Impfstoffentwickler den Arzneimittelregulierungsbehörden in Europa die Ergebnisse aller Tests/Untersuchungen im Rahmen eines sogenannten Antrags auf Genehmigung für das Inverkehrbringen vorlegen.
Solche Anträge auf Genehmigung für das Inverkehrbringen, die bei der EMA eingereicht werden, werden einer umfassenden, unabhängigen wissenschaftlichen Begutachtung durch die wissenschaftlichen Ausschüsse der EMA für Humanarzneimittel (CHMP – Committee for Medicinal Products for Human Use) und für Arzneimittelsicherheit (PRAC – Pharmacovigilance Risk Assessment Committee) unterzogen, die sich aus Sachverständigen der nationalen Arzneimittelregulierungsbehörden zusammensetzen. Die EU-Rechtsvorschriften verlangen für alle Arzneimittel, dass die Erstbewertungen unabhängig voneinander durch zwei verschiedene Bewertungsteams (unter Leitung eines sogenannten Berichterstatters und Mitberichterstatters) vorgenommen und vom gesamten Ausschuss überprüft werden.
Für COVID-19 hat die EMA Schnellverfahren für die Überprüfung eingeführt, um Anträge rasch begutachten zu können und gleichzeitig fundierte wissenschaftliche Gutachten zu gewährleisten. Entscheidend für diese Verkürzung des Zeitrahmens sind die sogenannten Rolling Reviews (fortlaufende Überprüfungen). Liegt ein Notfall im Bereich der öffentlichen Gesundheit vor, prüft die EMA die Daten für vielversprechende Arzneimittel oder Impfstoffe, sobald diese verfügbar werden. Durch diese fortlaufenden Überprüfungen kann die EMA daher bereits während der Impfstoffentwicklung mit der Bewertung der Daten beginnen. Sobald die Entwicklung des Arzneimittels für einen Zulassungsantrag ausreichend fortgeschritten ist, kann das formale Bewertungsverfahren schneller als üblich durchgeführt werden, da die Daten im Rahmen der fortlaufenden Überprüfung bereits geprüft worden sind.
Nachdem der CHMP seine wissenschaftliche Evaluierung der Daten abgeschlossen und die Qualität, Sicherheit und Wirksamkeit des betreffenden Arzneimittels begutachtet hat, gibt er eine Empfehlung ab, ob das Arzneimittel eine Zulassung in der EU erhalten sollte.
Sollten zum Zeitpunkt der Beantragung einer Zulassung jedoch noch keine umfassenden Daten vorliegen, sieht das EU-Regulierungssystem für diese Situation ein System der bedingten Zulassung vor. Dies bedeutet, dass die von der Kommission erteilte erste („bedingte“) Zulassung auf weniger umfassenden Daten beruht, als dies normalerweise der Fall wäre (aber dennoch mit positivem Nutzen-Risiko-Verhältnis), und dass die Zulassungsinhaber verpflichtet sind, die Daten nachträglich zu vervollständigen und zur Bewertung vorzulegen. Bedingte Zulassungen werden streng überwacht und jährlich überprüft.
Die Europäische Kommission entscheidet aufgrund der Empfehlung der EMA, ob sie eine Zulassung erteilt oder nicht. Der Zeitrahmen für diese Entscheidung wird verkürzt, indem der Zeitraum für die Konsultation der Mitgliedstaaten reduziert und ausnahmsweise zugelassen wird, dass die Übersetzungen der Dokumente in alle Amtssprachen erst nach der Annahme vorliegen.
Welche Sicherheitsanforderungen müssen eingehalten werden?
Für die Zulassung eines Arzneimittels benötigt die EMA belastbare Informationen über Sicherheit, Wirksamkeit und pharmazeutische Qualität, wobei die Sicherheit an erster Stelle steht. Die Sicherheitsanforderungen an COVID-19-Impfstoffe sind unverändert genauso hoch wie bei jedem anderen Impfstoff in der EU; daran wird auch eine Pandemie nichts ändern.
Bevor ein Impfstoff zur Anwendung zugelassen wird, wird der Kern der Nachweise für seine Sicherheit und Wirksamkeit aus den Ergebnissen der klinischen Prüfungen gewonnen, deren Teilnehmer sorgfältig ausgewählt und unter kontrollierten Bedingungen begleitet werden.
Darüber hinaus muss nach EU-Recht die Sicherheit des Impfstoffs – wie bei allen Arzneimitteln – nach der Zulassung während der Anwendung überwacht werden. Wie die Sicherheit sollte auch die Wirksamkeit des Impfstoffs überwacht werden. Im Rahmen dieser Überwachung werden auch nach dem Inverkehrbringen noch Studien durchgeführt. Zu einigen dieser Studien können Unternehmen in den Bedingungen für die Aufrechterhaltung ihrer Zulassung verpflichtet werden; weitere Studien werden von den für Impfprogramme zuständigen Behörden durchgeführt.
Die EU verfügt über ein umfassendes System für die Sicherheitsüberwachung (Pharmakovigilanz-System), das es gestattet, Maßnahmen zur Risikominderung, zur Sicherstellung der Meldung vermuteter Nebenwirkungen und zur Erkennung möglicher schädlicher Wirkungen zu ergreifen sowie frühzeitig notwendige Abhilfemaßnahmen einzuleiten.
Speziell für COVID-19-Impfstoffe ergreift die EMA in enger Zusammenarbeit mit der Kommission, den Mitgliedstaaten sowie europäischen und internationalen Partnern verschärfte Maßnahmen zur Sicherheitsüberwachung. Mit diesen Maßnahmen soll sichergestellt werden, dass alle neuen, nach dem Inverkehrbringen gesammelten Informationen so schnell wie möglich gesichtet und bewertet werden und zeitnah geeignete Regulierungsmaßnahmen für den Schutz der Patientinnen und Patienten und der öffentlichen Gesundheit getroffen werden. Dies umfasst die Erhebung von Expositionsdaten, die Verbesserung der Erkennung von Sicherheitssignalen und ihres Managements, größere Transparenz sowie die Schaffung einer europäischen Infrastruktur für die Impfstoffüberwachung, einschließlich multizentrischer Beobachtungsstudien bei COVID-19-Patientinnen und -Patienten. Eine rasche und klare Information über die Ergebnisse dieser Evaluierung wird sichergestellt werden.
SOBALD EIN IMPFSTOFF VERFÜGBAR IST
Was geschieht eigentlich, wenn der Impfstoff verfügbar ist?
Ein Impfstoff wird erst dann verfügbar, wenn er die festgelegten Sicherheitsanforderungen erfüllt und zuerst eine gründliche wissenschaftliche Begutachtung durch die Europäische Arzneimittel-Agentur durchlaufen und das EU-Zulassungsverfahren abgeschlossen hat.
Die Mitgliedstaaten erhalten diese Dosen erst, wenn sie sie gemäß der abgeschlossenen Abnahmegarantie ankaufen.
Wo werden die Dosen gelagert?
Jeder Mitgliedstaat entscheidet selbst, wie die Impfstoffe am besten gelagert werden. Die technischen Lagerungsbedingungen werden von jedem Hersteller anhand spezifischer Anforderungen für jede Art von Impfstoff festgelegt, damit dessen Qualität gewährleistet bleibt.
Wer erhält die ersten Dosen?
Alle Mitgliedstaaten werden gleichberechtigten Zugang zu den verfügbaren Dosen haben. Die Mitgliedstaaten entscheiden dann, welchen Gruppen ihrer Bevölkerung sie die Impfstoffe anbieten.
COVAX-FAZILITÄT FÜR EINEN GLOBALEN IMPFSTOFFZUGANG
Wie ist die Kommission an COVAX beteiligt?
Die COVAX-Fazilität unter Federführung der Impfstoff-Allianz Gavi, der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI) und der WHO will die Entwicklung und Herstellung von COVID-19-Impfstoffen beschleunigen und für einen weltweit fairen und gleichberechtigten Zugang sorgen.
Die Unterstützung eines gleichberechtigten, weltweiten Zugangs zu einem sicheren und wirksamen Impfstoff für alle Menschen in der Welt ist eine Priorität der Kommission. Keine Region der Welt wird sicher sein, bevor wir nicht alle sicher sind. Deshalb hat die Kommission am 31. August ihr Interesse bekundet, sich an COVAX zu beteiligen. Mit der Ankündigung vom 31. August war eine Unterstützung in Höhe von 400 Mio. EUR in Form von Garantien für die COVAX-Fazilität verbunden. Die so angekauften Impfstoffe sind für Länder mit niedrigen und mittleren Einkommen bestimmt.
Mit ihrem Beitritt zur COVAX-Fazilität bekräftigen die Kommission und die Mitgliedstaaten, dass sie als Gruppe die Ziele und Interessen von COVAX unterstützen, damit sich die EU-Impfstoffstrategie und die COVAX-Fazilität ergänzen und somit gegenseitig verstärken.
Die Kommission und die Mitgliedstaaten verfolgen derzeit ein gemeinsames Konzept für ihre Beteiligung an COVAX, und die Interessenbekundung vom 31. August ist Teil dieses Prozesses. Derzeit werden Gespräche mit Gavi und CEPI geführt, um im September eine Einigung über die Bedingungen für die Beteiligung der EU an der COVAX-Fazilität zu erzielen.
Wird die Kommission über die COVAX-Fazilität Impfstoffe ankaufen?
Die Kommission kauft Impfstoffe im Auftrag der EU-Mitgliedstaaten nur über den mit der Impfstoffstrategie der EU eingerichteten Mechanismus und finanziert dies über das Soforthilfeinstrument (ESI). Mit ihrer Beteiligung an COVAX unterstützt die Kommission die weltweiten Bemühungen um Herstellung und Verteilung von Impfstoffen an alle Menschen, die sie benötigen, insbesondere in Ländern mit niedrigem und mittlerem Einkommen. Die genauen Modalitäten und Bedingungen für die Beteiligung der EU und der Mitgliedstaaten sowie für ihren Beitrag werden derzeit erörtert und in den kommenden Tagen und Wochen ausgearbeitet.
Können die Mitgliedstaaten Impfstoffe über COVAX kaufen?
Die Mitgliedstaaten haben sich im Rahmen der EU-Impfstoffstrategie dazu verpflichtet, nicht parallel mit denselben Impfstoffherstellern zu verhandeln, mit denen auf EU-Ebene Gespräche geführt werden. Dies schließt die Möglichkeit nicht aus, sich über COVAX an Verhandlungen mit anderen Impfstoffunternehmen zu beteiligen.
Wofür werden die Garantien verwendet und warum Garantien statt Bargeld?
Die Kommission sichert die COVAX-Verhandlungen über Abnahmegarantien für Impfstoffe durch finanzielle Garantien ab. Diese Garantien werden es COVAX ermöglichen, das Risiko zu verringern und Abnahmegarantien mit einem breiteren Spektrum von Impfstoffherstellern zu vereinbaren.
Die derzeit von COVAX ausgehandelten Verträge erfordern eine starke finanzielle Unterstützung, wie sie die EU-Garantien bieten.
Wie sorgt die Kommission für Komplementarität zwischen der EU-Impfstoffstrategie und COVAX?
Die EU-Impfstoffstrategie geht Hand in Hand mit dem Engagement der EU für weltweite Solidarität. Dies gilt auf verschiedenen Ebenen: Unterstützung von Unternehmen beim Ausbau ihrer Kapazitäten, Förderung der Forschung und Entwicklung zum Wohle der Weltbevölkerung, Vorab-Investitionen in die beschleunigte Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen zum Nutzen der übrigen Welt. Indem sie Finanzmittel für internationale Institutionen wie WHO, CEPI und GAVI bereitstellt, unterstützt die EU auch den Zugang zu Impfstoffen auf der ganzen Welt.
Hersteller, mit denen die EU verhandelt, verpflichten sich zudem, künftige Dosen auch an andere Länder der Welt zu liefern; es gibt weder eine ausschließliche Lieferung nach Europa noch Ausfuhrbeschränkungen.
Europa sorgt durch wichtige und riskante Investitionen in Verbindung mit den bestehenden behördlichen Zulassungsverfahren dafür, dass die Entwicklung sicherer und wirksamer Impfstoffe beschleunigt wird, wovon auch die übrige Welt profitieren wird.
Was wir in Europa tun, ergänzt und verstärkt unseren Einsatz für globale Solidarität. Aus genau diesem Grund haben die Kommission und die EU-Mitgliedstaaten beschlossen, der COVAX-Fazilität beizutreten.
*Korrigiert am 24.9.2020 um 13:20."
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