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Resolution der GesundheitsministerInnen zu Corona und Pflegeheimen

Foto: H.S.

18.06.2020

Um es gleich vorweg zu sagen: Die Worte Menschenrechte, Isolation, Leid, ausgeliefert sein, Einsamkeit, Altersdiskriminierung, Freiheitsentzug, Kasernierung kommen in der Resolution nicht vor. Eine Entschuldigung für die menschenverachtenden Maßnahmen auch nicht. Völlig ausgespart wurde der staatlich verordnete Umgang mit Verstorbenen und den staatlichen Teilnahmeverboten für ihre Angehörige und Freunde. Die Gesundheitsministerinnen der Bundesländer verlieren auch kein Wort darüber, das es in den Einrichtungen weder Schutzkleidung noch Masken gab und die Versorgung damit nicht prioritär behandelt wurde.

Stattdessen: Belehrungen wie im Schulfernsehen, Verweise auf andere (die Einrichtungs-Betreibenden und ihre Verbände / Praktikerinnen und Praktikern, Bewohnervertretungen, Gesundheitsämtern, Wissenschaft und Politik/ "erwarten von den Einrichtungsleitungen". Sie waschen sich die Hände in Unschuld und merken nicht, dass sie mit ihren sogenannten Schutz -Maßnahmen dafür gesorgt haben, den Heimen wieder den Ruf von früher zu verpassen: Abschreckend, angstmachend. Bloss nicht ins Heim, da machen sie mit dir, was sie wollen.

Resolution
"Pflegebedürftige Menschen sind von der anhaltenden Pandemie in besonderem Maße bedroht. Der Anteil der über 70-jährigen an den Sterbefällen beträgt bundesweit 86%.* Im Durchschnitt sind die Verstorbenen 81 Jahre alt. Einem entsprechenden Risiko unterliegt darüber hinaus auf Grund von Vorerkrankungen ein erheblicher Anteil von Menschen mit Behinderungen. Die von den Ländern erlassenen Besuchs-und Betretensregelungen sind vor diesem Hintergrund begründet.

Das Virus SARS-CoV-2 wird über physische Kontakte übertragen. Infektionsschutz ist deshalb lebensnotwendig. Soziale Kontakte sind es aber auch. Pflegebedürftigen, Menschen mit Behinderungen und ihnen nahestehenden Personen wird ein Höchstmaß an Verantwortung und Achtsamkeit im Umgang mit diesem Dilemma abgefordert. Hohe Verantwortung tragen auch Wohneinrichtungen der Pflege und besondere Wohnformen für Menschen mit Behinderung, deren Leitungspersonen und Mitarbeitende. Sie stehen vor der Herausforderung, gemeinsam mit Bewohnerinnen und Bewohnern und Menschen aus deren sozialem Umfeld Situationen zu gestalten, in denen es gelingt, Infektionsschutz und soziale Kontakte miteinander zu verbinden.

Den Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsministern, Gesundheitssenatorinnen und Gesundheitssenatoren der Länder ist bewusst, dass die Schutzmaßnahmen in Einrichtungen der Pflege und der Eingliederungshilfe, insbesondere das Verbot oder die Einschränkung von Besuchen durch An-und Zugehörige, zu Sorgen, Unverständnis und Belastungen bei Bewohnerinnenund -bewohnern sowie bei An-und Zugehörigen geführt haben. Bewohnerinnen und Bewohner von Wohneinrichtungen dürfen nicht das Gefühl bekommen, abgeschoben und vergessen zu werden.

Die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister, Gesundheitssenatorinnen und Gesundheitssenatoren der Länder fordern die Einrichtungs-Betreibenden und ihre Verbände auf, die Balance aus „Schutz und Selbstwirksamkeit“ der Pflegebedürftigen und von Menschen mit Behinderungen zu wahren und im Rahmen ihrer Möglichkeiten umzusetzen. In der Praxis und vor Ort ist es hilfreich, Besuchskonzepte gemeinsam mit Praktikerinnen und Praktikern, Bewohnervertretungen, Gesundheitsämtern, Wissenschaft und Politik weiter zu entwickeln.

Dabei spielen insbesondere Hygienekonzepte, Mindestabstand, Schutzkleidung und auch Testungen eine große Rolle. Konzepte zur Teilhabe müssen stets die Begegnung mit Angehörigen, Freundinnen und Freunden sowie Familien innersowie außerhalb der Wohneinrichtungen ermöglichen. Oberstes Ziel der Besuchskonzepte muss es sein, den notwendigen Infektionsschutz der Bewohnerinnen und Bewohner zu beachten und gleichzeitig das Grundrecht der Bewohnerinnen und Bewohner auf Selbstbestimmung und Teilhabe zu gewährleisten.Die Bundesländer haben ihre Regelungen unter Berücksichtigung des jeweiligen Infektionsgeschehens angepasst. Die Gesundheitsministerinnen und Gesundheitsminister, Gesundheitssenatorinnen und Gesundheitssenatoren der Länder erwarten von den Einrichtungsleitungen, dass die Spielräume für mehr Besuche ausgeschöpft werden.

* Woher stammen die Zahlen? Beziehen sie sich auf Verstorbenen, die an oder mit dem Corona-Virus gestorben sind? Sind die in Massenunterkünften, Gefängnissen, Asylbewerberunterkünften herausgerechnet? (siehe dazu "Woher stammen die Zahlen der IFA über die Verstorbenen in den Heimen?" unter: Link )

Link: Landeseniorenrat Thüringen an Ministerin Heike Werner wg. Situation hochaltriger + pflegebedürftiger Menschen
Quelle: 93. Gesundheitsministerkonferenz Sonderkonferenz am 18.06.2020