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Direktversicherung: Verfassungsbeschwerde vom 23.Mai 2020

Foto: H.S.

23.05.2020 - von Peter Weber

An das
Bundesverfassungsgericht
Schloßbezirk 3
76131 Karlsruhe

23. Mai 2020
Verfassungsbeschwerde
im Rechtsstreit
B 12 KR 94/19 B
L 5 KR 1624/18
S 9 KR 974/17
(Bundessozialgericht, 27.04.2020)
(LSG Baden- Württemberg, 23.10.2019)
(SG Reutlingen22.03.2018),
Peter Weber,
xxx
Kläger und Beschwerdeführer,
gegen
1. Techniker Krankenkasse,
Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,
2. Techniker Krankenkasse Pflegeversicherung,
Bramfelder Straße 140, 22305 Hamburg,
Beklagte und Beschwerdegegnerinnen.

Der Beschwerdeführer vertritt sich selbst. Er beantragt, das Bundesverfassungsgericht möge
feststellen, dass die von den Beschwerdegegnerinnen angewandte Methode zur Berechnung
der Höhe der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung für vor 2004 abgeschlossene kapitalbildende Lebensversicherungen in der Gestalt der Direktversicherung das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs 1 GG verletzt. Die undifferenzierte Heranziehung der an den Arbeitnehmer ausgezahlten Kapitalleistung als Bemessungsgrundlage zur Festlegung der Beitragshöhe hat eine systematische Benachteiligung der arbeitnehmerfinanzierten Direktversicherung gegenüber der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung zur Folge. Der daraus resultierende Nachteil der sogenannten „Entgeltumwandlung“ ist in finanzieller Hinsicht tatsächlich so groß, dass der Beschwerdeführer nicht nur das Gleichheitsgebot nach Art. 3 Abs. 1 GG verletzt sieht, aus ihm folgt auch ein nicht gerechtfertigter Eingriff in sein Eigentum nach Art. 14 Abs. 1 GG.

I. Zulässigkeit der Verfassungsbeschwerde
Die Verfassungsbeschwerde wird fristgerecht erhoben. Die Beschwerde des Klägers gegen
die Nichtzulassung der Revision im Urteil des LSG Baden-Württemberg wurde vom 12. Senat
des Bundessozialgerichts mit Beschluss vom 08. April 2019 zurückgewiesen und dem juristischen Vertreter des Beschwerdeführers am 29. April 2020 mittels beglaubigter Abschrift postalisch zugestellt.

Der Beschwerdeführer ist gemäß § 90 Abs. 1 BVerfGG als natürliche Person parteifähig.
Der Rechtsweg ist erschöpft. Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den unanfechtbaren
Beschluss des Bundessozialgerichts, der einen tauglichen Beschwerdegegenstand darstellt
(Art. 1 Abs. 3 GG, §§ 94 Abs. 3, 95 Abs. 2 BVerfGG).

Außerdem hat der Beschwerdeführer alle verfügbaren Möglichkeiten ausgeschöpft, um die
Grundrechtsverletzung bereits in den sozialgerichtlichen Verfahren abzuwenden (BVerfGG
112, 50, 60). Auch der Grundsatz der allgemeinen Subsidiarität ist gewahrt. In den vorangegangenen Instanzen hat der Beschwerdeführer wiederholt auf die Grundrechtsverletzungen hingewiesen.

II. Sachverhalt
Der 1950 geborene Beschwerdeführer war von Anfang 1981 bis Ende 2001 Beschäftigter der
B.GmbH, Stuttgart, einem Tochterunternehmen der amerikanischen W.Corporation. Innerhalb
der Konzernstruktur der W.Corporation trug er die Verantwortung für die Informationsverarbeitung der Fabriken in Europa, Afrika und China. Auf Basis eines individuell gestalteten Vertrags schloss der Beschwerdeführer am 15.10.1994 bei der Hannoverschen-Leben (H-Leben) über seinen Arbeitgeber eine Kapitallebensversicherung (KLV) in der Gestalt einer Direktversicherung ab. Dem Versicherungsvertrag lag der allgemeine Versicherungstarif L3 (Kapitalversicherung mit vereinbarter Abrufoption ab dem 01.11.2011) der H-Leben zu Grunde. Im Antrag zur Kapitallebensversicherung wurde festgeschrieben, dass der Arbeitgeber nicht selbst, sondern im Auftrag des Klägers handelt. Wie im Versicherungsschein vereinbart, wurde der jährliche Versicherungsbeitrag im Rahmen einer Inkassovereinbarung aus dem 13. Monatsgehalt des Beschwerdeführers vom Arbeitgeber an die H-Leben überwiesen. Weder im Versicherungsantrag noch im Versicherungsschein wird Bezug auf das Betriebsrentengesetz (BetrAVG) genommen. Auf Anfrage bestätigte der Arbeitgeber am 08.05.2014 schriftlich, dass bei Direktversicherungen, bei denen die B.GmbH Versicherungsnehmer war, seitens des Arbeitgebers keine Versorgungszusage bestanden habe. Neben der Vermittlung des Versicherungsvertrags und der Überweisung der Versicherungsbeiträge hat der Arbeitgeber keine weiteren Leistungen erbracht. Mit dem Ausscheiden aus dem Unternehmen verwendete der Beschwerdeführer einen Teil seiner vertraglich vereinbarten Abfindung für den Verlust des Arbeitsplatzes zur Ausfinanzierung der streitgegenständliche KLV nach § 40 b Abs. 2 EStG.
Mit Fälligkeit der KLV wurde die Kapitalleistung in Höhe von 45.392,24 EUR am 01.11.2016
auf ein verzinsliches Kapitalkonto der H-Leben geparkt und ein Jahr später auf das Girokonto des Beschwerdeführers überwiesen. Am 19.01.2017 teilten die Beschwerdegegnerinnen mit, dass die Kapitalleistung einen Versorgungsbezug darstelle, für den Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung nach § 229 SGB V zu entrichten seien. Die monatliche Beitragshöhe berechne sich nach der 1/120tel-Regelung, Bemessungsgrundlage sei die an den Beschwerdeführer ausgezahlte Kapitalleistung.
Seit dem Eintritt in die gesetzliche Rente am 01.04.2015 wird der Beschwerdeführer bei der
Beschwerdegegnerin als pflichtversicherter Rentner geführt. Von der B.GmbH erhält er zusätzlich zur gesetzlichen Rente eine rein arbeitgeberfinanzierte Betriebsrente, deren Beitragspflicht mit dem vollen allgemeinen Beitragssatz nicht bestritten wird.

III. Begründung
Vorbemerkungen
In seinen Sozialgerichtsklagen und der beim Bundessozialgericht eingereichten Nichtzulassungsbeschwerde hatte der Beschwerdeführer stets dargelegt, dass der Gesetzgeber mit dem GKV-Modernisierungsgesetz nur die Beseitigung des Umgehungstatbestands der Kapitalabfindung von Rentenzahlungen zum Ziel hatte, nicht jedoch die Beitragspflicht von originär vereinbarten Kapitalleistungen (Gesetzentwurf DS 15/1525 Nr. 143, 08.09.2003; Bieback ,NZS 2019. 246, 250). Er vertritt weiterhin die Auffassung, dass die originäre Kapitalleistung seiner Direktversicherung schon aus diesem Grund nicht der Beitragspflicht nach § 229 SGB V unterliegen kann. Zu diesem Punkt verweist er auf die Verfassungsbeschwerde des Rentners Jochen Drake vom 26.08.2019 (Az. 1 BvR 1950/19), über die das Bundesverfassungsgericht noch nicht entschieden hat. Den in der Verfassungsbeschwerde des Rentners Jochen Drake angeführten verfassungsrechtlichen Bedenken schließt sich der Beschwerdeführer an.

Ergänzende Erläuterungen und Definitionen
Zum besseren Verständnis der Argumentation des Beschwerdeführers werden den weiteren
Ausführungen einige Erläuterungen vorangestellt:
a) Altersvorsorge: Wikipedia zufolge „... umfasst der Begriff Altersvorsorge die Gesamtheit aller Maßnahmen, die jemand während des Lebens trifft, damit er im Alter oder nach dem Ende seiner Erwerbstätigkeit seinen weiteren Lebensunterhalt bestreiten kann, möglichst ohne Einschränkungen des Lebensstandards.“
Die aktuelle öffentliche Diskussion zum Thema Altersarmut verdeutlicht, dass die gesetzliche Rente den Lebensstandard im Alter zukünftig noch weniger wird sichern können, als es in der Vergangenheit ohnehin schon der Fall war. Im Vergleich zu den anderen OECD
Staaten belegt Deutschland trotz der für Arbeitnehmer europaweit höchsten Steuer- und
Abgabenquote bei der Lebensstandardsicherung im Alter nur einen beschämenden hinteren Tabellenplatz. Nur, auf eine grundlegende Reform der vorhandenen Alterssicherungssysteme (gesetzliche Rente, Beamtenversorgung, berufsständische Versorgungswerke) kann sich die deutsche Politik aufgrund divergierender Interessen nicht verständigen, wie der erst kürzlich vorgelegte Bericht der von der Bundesregierung ins Leben gerufenen Kommission „Verlässlicher Generationenvertrag“ wieder einmal eindrucksvoll unter Beweis stellte. Es ist kaum zu erwarten, dass sich am gegebenen Status quo in naher Zukunft etwas ändern könnte, das kurzfristige Durchwurschteln in Fragen der Altersvorsorge der Bürger wurde zurückblickend von allen Regierungen zum politischen Prinzip erhoben. Wie so oft muss es vermutlich auch hier erst schlimmer kommen, bevor sich die Politik bewegt.¹ Weitestgehende Konzeptlosigkeit und eine fehlende Systematik prägen auch
das Feld der ergänzenden staatlich geförderten privaten und betrieblichen Altersvorsorge.

b) Kapitalbildende Lebensversicherung: Kapitalbildende Lebensversicherungen waren in der Vergangenheit ein wesentlicher Baustein der Altersvorsorge, sei es im privaten oder im betrieblichen Bereich. Eine kapitalbildende Lebensversicherung bezweckt einerseits die finanzielle Absicherung von Hinterbliebenen (Todesfallschutz), andererseits dient der größere Teil der eingezahlten Versicherungsbeiträge der Kapitalbildung. Es ist eine in
Deutschland weitverbreitete Art des Sparens. Die auf die Versicherungsbeiträge fälligen
Zinszahlungen und die Schlussbeteiligung am Überschuss zum Fälligkeitstermin der Versicherung sollen das eingesetzte Kapital vermehren, zumindest aber den Wertverlust durch Inflation ausgleichen. Kapitalbildende Lebensversicherungen sind langfristig ausge-legte Geldanlagen und benötigen gerade deshalb stabile und verlässliche Rahmenbedingungen. Dennoch schreckt die Politik nicht davor zurück, selbst rückwirkend in bestehende Verträge einzugreifen. Dabei kann sie auf das Bundesverfassungsgericht zählen, das der Politik zum Erstaunen der Betroffenen einen weiten Gestaltungsspielraum einräumt.
Je nach Art der Versicherungsleistung sind zu unterscheiden:

a. Die Kapitalversicherung: Einmalige Leistung durch Zahlung eines Kapitals zu einem vereinbarten Fälligkeitstermin. Eine Kapitalversicherung dient nicht notwendigerweise der Altersvorsorge, das ausgezahlte Kapital kann auch zur Finanzierung
von Konsum (Autokauf, Anschaffung neuer Möbel, Renovierung einer Eigentumswohnung, Ferienreise etc.) oder zur finanziellen Überbrückung von geplanten
und/oder schicksalhaften Ereignissen (Krankheit, Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit, Ausbildung der Kinder, Aufbau eines finanziellen Sicherheitspolsters etc.) verwendet
werden.

b. Die Rentenversicherung: Laufende Auszahlung einer lebenslangen Rente, z.B. in
Ergänzung zur gesetzlichen Rente bei Renteneintritt. Eine Rentenversicherung
zielt auf die Minimierung des Risikos der Langlebigkeit, sie ist im Prinzip eine Wette zwischen der versicherten Person, die für sich ein hohes Lebensalter erwartet,
und dem Versicherungsunternehmen, das darauf setzt, dass die versicherte Person vor der versicherungstechnisch kalkulierten durchschnittlichen Lebenserwartung verstirbt. Da es den Versicherungsunternehmen von Gesetzes wegen erlaubt ist, für ihre Kalkulation Sterbetafeln zu verwenden, die stark von der amtlichen Sterbetafel des statischen Bundesamtes abweichen und von einer deutlich höheren durchschnittlichen Lebenserwartung ausgehen (teils mehr als100 Jahre), bestimmen sie die der Wette zugrunde liegenden Spielregeln zu ihren Gunsten, wie der Bund der Versicherten 2 immer wieder moniert.
Es liegt auf der Hand, dass sich die beiden Varianten sowohl in der Zwecksetzung als auch in der den Verträgen zugrunde liegenden versicherungsmathematischen Kalkulation unterscheiden. Die Kapitalversicherung ist ein langfristig angelegter Sparplan, die Rentenversicherung eher eine Art Glücksspiel wie Roulette. Beide Varianten sind daher prinzipiell nicht miteinander vergleichbar.

c) Direktversicherung: Eine Direktversicherung unterscheidet sich von einer kapitalbildenden Lebensversicherung nur dadurch, dass sie über den Arbeitgeber abgeschlossen wird.² Der Arbeitgeber ist der Versicherungsnehmer, der Arbeitnehmer die versicherte Person. Sie wird entweder als Kapitalversicherung oder als Rentenversicherung abgeschlossen. Von einer Kapitalabfindung wird dann gesprochen, wenn die lebenslange Rentenzahlung mit einer einmaligen Kapitalzahlung abgegolten wird. Die Option der Kapitalabfindung einer Rente musste bei einer vor 2004 abgeschlossenen Lebensversicherung im Lebensversicherungsvertrag vereinbart worden sein, nur unter dieser Bedingung war die Kapitalabfindung der Rente möglich. Hinsichtlich der Finanzierung der Versicherungsbeiträge ist zu unterscheiden zwischen

a. Arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung: Der Arbeitnehmer bezahlt die Versicherungsbeiträge aus dem ihm für erbrachte Arbeits-/Dienstleistungen zustehenden Arbeitsentgelt (Entgeltumwandlung). Die Finanzierung der Versicherungsbeträge erfolgt damit aus privatem Vermögen. Bruttoentgeltumwandlung liegt vor,
wenn die Sozialversicherungsbeiträge (Rentenversicherung, Arbeitslosenversicherung, Kranken- und Pflegeversicherung) aus dem um die Lebensversicherungsbeiträge reduzierten Bruttogehalt bezahlt und diese pauschal versteuert werden. Nur dem Arbeitgeber fallen die durch die Bruttoentgeltumwandlung eingesparten Sozialversicherungsbeiträge leistungs- und risikolos zu. Beim Arbeitnehmer sinken mit den eingesparten Versicherungsbeiträgen dagegen auch seine Ansprüche an die Sozialversicherungssysteme (Krankengeld, Arbeitslosengeld und Elterngeld). Insbesondere negativ wirkt sich das auf die Höhe der Unfallrente und der gesetzlichen Rente aus. Der Verlust summiert sich über die Jahre des Rentenbezugs auf mehrere tausend Euro³. Nettoentgeltumwandlung liegt dagegen vor, wenn der Arbeitnehmer die Lebensversicherungsbeiträge ganz normal aus seinem Nettogehalt
bezahlt. Das ist für den Arbeitnehmer insbesondere dann von Vorteil, wenn die
Versicherungsbeiträge aus Entgeltbestandteilen unterhalb der Beitragsbemessungsgrenze finanziert werden, da die Ansprüche an die Sozialversicherungssysteme nicht geschmälert werden. Der Nettoentgeltumwandlung liegt die Überlegung zugrunde, dass der Arbeitgeber für einen Gruppenversicherungsvertrag günstigere Konditionen aushandeln kann, als es einem Arbeitnehmer für einen individuell gestalteten Versicherungsvertrag möglich ist.
b. Arbeitgeberfinanzierte Direktversicherung: Der Arbeitgeber bezahlt die Versicherungsbeiträge z.B. aus Gründen der Mitarbeiterbindung (Stichwort Fachkräftemangel) oder eigener sozialer Verantwortung. Die Finanzierung der Versicherungsbeiträge erfolgt aus dem Betriebsvermögen des Arbeitgebers. Das ist die klassische
Form der Betriebsrente, also das, was der Normalbürger unter einer Betriebsrente
versteht, auf die allerdings kein Rechtsanspruch besteht und die aus Kostengrün-
den von den Unternehmen immer seltener angeboten wird.
Die Kapitalleistung der arbeitnehmer- bzw. der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung
deckt auch das Sterberisiko ab, somit wird dieser Teil bei Vorerkrankungen mit höheren
Risikozuschlägen belegt. Im Todesfall in der Ansparphase hätte die Krankenkasse im
übertragenen Sinn eigentlich verloren. Indem im Todesfall der Versorgungsbezug vom
Versicherten auf den oder die Erben übertragen wird, bleibt sie im Rennen.
d) Rentabilität und interner Zinsfuß: Altersvorsorge ist eine Investition von Menschen zur Sicherung ihres Lebensstandards, die interne Zinsfußrechnung ein Verfahren, die Rentabilität einer solchen Investition zu beurteilen. Sie erlaubt es, alternative Investitionen zu vergleichen und zu bewerten. Der interne Zinsfuß (IZF) ist der Diskontierungszinssatz, bei dem der Kapitalwert der Investition gleich null ist. Der Barwert der Summe der Einzahlungen entspricht dann dem Barwert der Summe der Auszahlungen. Es ist ein dynamisches Verfahren, welches den Zeitaspekt (wichtig insbesondere bei langfristigen Kapitalanlagen) in die Berechnung einbezieht. Je höher der IZF, desto rentabler die Investition.
Einheitliche Bemessungsgrundlage auf Basis der Kapitalleistung verletzt Gleichheitsgebot
Wie schon erwähnt, geht es in der vorliegenden Verfassungsbeschwerde nicht um den Wegfall des Privilegs, auf Versorgungsbezüge nur den hälftigen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung zu zahlen. Auch die Beitragspflicht einer originären Kapitalleistung nach § 229 SGB V wird vorbehaltlich einer möglicherweise anders lautenden Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (siehe oben) angenommen. Unter diesen Annahmen stellt sich für den Beschwerdeführer die verfassungsrechtliche Frage, ob die von den Beschwerdegegnerinnen
verwendete Berechnungsmethode zur Bestimmung der Beitragshöhe einer kapitalbildenden
Direktversicherung zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Basis der Kapitalleistung als
Bemessungsgrundlage verhältnismäßig ist, oder ob der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs.
1 GG mit Bezug auf die strukturellen und finanziellen Unterschiede zwischen der arbeitnehmer- und der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung nicht vielmehr eine differenziertere Betrachtungsweise erfordert. Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt festgestellt, dass auch die arbeitnehmerfinanzierte Direktversicherung als betriebliche Altersversorgung zu qualifizieren ist, aber nicht genau gesagt, was die Bemessungsgrundlage dafür ist. Am Beispiel seiner Direktversicherung hatte der Beschwerdeführer in seinen Klagen den Sozialrichtern versucht aufzuzeigen, dass sich das finanzielle Ergebnis seiner mittels Entgeltumwandlung finanzierten Kapitalversicherung fundamental von einer vergleichbaren arbeitgeberfinanzierten Kapitalversicherung unterscheidet. Mit solchen Details geben sich Sozialrichter, so die Erfahrung des Beschwerdeführers, scheinbar nicht ab. Sie begründen ihre Urteile lieber mit abstrakten Aussagen wie die ‚gesteigerte wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Betroffenen‘, oder
den ‚Modalitäten des individuellen Rechteerwerbs, die für die Beitragserhebung keine Rolle
spielen würden‘, und enden stets mit der Behauptung, ‚die Beitragslast stelle kein unzumutbarer Eingriff in die Vermögensverhältnisse der Betroffenen dar‘. Die Überprüfung dieser Aussagen an den tatsächlichen Gegebenheiten unterbleibt.
Hätten sich die Sozialrichter mit den Fakten auseinandergesetzt, wären sie möglicherweise zu einer anderen Einschätzung gekommen. Die nachfolgende Tabelle, mit der der Beschwerdeführer die Unterschiede auf Basis von Zahlen zu verdeutlichen suchte, wurden weder im Verlauf der Berufung hinterfragt, noch von den Richtern des Bundessozialgerichts bei der Begründung der Ablehnung der Nichtzulassungsbeschwerde gewürdigt oder zur Kenntnis genommen.


Berechnungselement Bemessungsgrundlage Kapitalleistung Arbeitnehmerfinanzierte DV Bemessungsgrundlage
Kapitalertrag
Arbeitgeber-
finanzierte DV
Arbeitnehmer-
finanzierte DV
Kapitalleistung der kLV
Eigenleistung
Steuerersparnis 45.392,24 €
-23.130,85 €
2.194,00 € 45.392,24 €
0,00 €
0,00 € 45.392,24
-23.130,85
2.194,00
KV+PV Beitrag
Ertrag -8.147,91 €
16.307,48 € -8.147,91 €
37.244,33 € -3.995,92
20.459,47
3,6 % (13,7 %) 4,56 %
Interner Zinsfuß (IZF)
Anmerkungen zur Tabelle:
1. Ohne Berücksichtigung von Inflation und steigenden KV+PV-Beiträgen.
2. Der Ertrag ist die Differenz zwischen Kapitalleistung und der Summe der gezahlten Versicherungsbeiträge, der Eigenleistung des Beschwerdeführers.
3. Es wurden die KV+PV-Beitragssätze der Beklagten für 2018 zugrunde gelegt.
4. Die ausgewiesene Steuerersparnis beruht auf eigenen Berechnungen und Jahressteuererklärungen.
5. Ein Wert von 13,7 % für den IZF ergibt sich nur dann, wenn der Arbeitnehmer die Pauschalsteuer selbst trägt, ansonsten ist der Wert unendlich.


Dass die Unterschiede zwischen den in der Tabelle dargestellten Varianten gravierend sind,
zeigt sich nicht nur am nominalen Ertrag, sondern auch bei einer internen Zinsfuß-
Betrachtung. Unter Zugrundelegung der Kapitalleistung als Bemessungsgrundlage ergibt sich
für die selbst finanzierte Direktversicherung des Beschwerdeführers ein IZF von 3,6%. Hätte der Arbeitgeber des Beschwerdeführers die Beitragszahlungen für seine Direktversicherung übernommen, würde der IZF mangels eigener Beitragsleistungen des Beschwerdeführers gegen unendlich wachsen. Einmal unterstellt, der Arbeitgeber hätte die auf die Versicherungsbeiträge fällige Pauschalsteuer in Höhe von 4.166,02 € nicht auch noch übernommen, sondern vom Gehalt des Beschwerdeführers abgezogen, dann würde sich das nominale Ergebnis auf 33.078,31 € reduzieren und für den IZF ergäbe sich ein Wert von 13,7%. Der IZF läge um 10% höher als der IZF der vom Beschwerdeführer selbst finanzierten Direktversicherung. Sowohl die Differenz des nominalen Ergebnisses in Euro als auch die Unterschiede der IZF-Werte zeigen deutlich, dass es sich beim Vergleich der arbeitnehmerfinanzierten Direktversicherung mit der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung um einen Vergleich von Äpfeln mit Birnen handelt. Legt man dagegen für die eigenfinanzierte Direktversicherung des Beschwerdeführers nicht die Kapitalleistung als Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Beitragshöhe zur Kranken- und Pflegeversicherung zu Grunde, sondern den Ertrag, dann liegt das Ergebnis der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung zwar immer noch deutlich über dem
Ergebnis der eigenfinanzierten Variante, verfassungsrechtlich wäre dies aber nicht zu beanstanden, da in beiden Fällen einheitlich der Ertrag als Bemessungsgrundlage herangezogen worden wäre.

In 1 BvR 739/08 führen die Verfassungsrichter unter RN 14 aus:
„Art. 3 Abs. 1 GG verbietet nicht nur die Ungleichbehandlung von wesentlich Gleichem, sondern auch die Gleichbehandlung von wesentlich Ungleichem (vgl. BVerfGE 84, 133
<158>; 98, 365 <385>). Zu einer Differenzierung bei ungleichen Sachverhalten ist der Gesetzgeber allerdings nur verpflichtet, wenn die tatsächliche Ungleichheit so groß ist, dass sie bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht unberücksichtigt bleiben darf (vgl. BVerfGE 98, 365 <385>). Bei der Ordnung von Massenerscheinungen ist der Gesetzgeber berechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen. Allerdings setzt eine zulässige Typisierung voraus, dass diese Härten nur unter Schwierigkeiten vermeidbar wären (vgl. BVerfGE 84, 348 <360>; 87, 234 <255 f.>; stRspr), lediglich eine verhältnismäßig kleine Zahl von Personen betreffen und der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist (vgl. BVerfGE 63, 119 <128>; 84, 348 <360>).“
Ohne die Modalitäten des Rechteerwerbs mit ins Kalkül zu ziehen verbietet sich, gemessen
an diesen Grundsätzen, die Berechnung der Beitragspflicht zur Kranken- und Pflegeversicherung auf Basis der Kapitalzahlung als Bemessungsgrundlage. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der gegenübergestellten Varianten entwickelt sich völlig anders, als wie von der Sozialgerichtsbarkeit unterstellt. Bei der arbeitnehmerfinanzierten Direktversicherung erfolgten die Beitragszahlungen aus dem Vermögen des Arbeitnehmers, teils Jahrzehnte vor dem Fälligkeitstermin der Kapitalversicherung. Unstreitig finanzierte er die in der Beitragsphase fälligen Versicherungsbeiträge der KLV aus eigenem Vermögen, auf der Grundlage seiner damaligen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Diese aber war auch Basis zur Berechnung der Beitragshöhe zur Krankenversicherung, mit der er schon in der Ansparphase zur Finanzierung der Krankenkassen herangezogen wurde. Mit der Auszahlung der Versicherungsleistung fließt das über viele Jahre in den Versicherungsvertrag eingezahlte Vermögen 1:1 wieder an den Arbeitnehmer zurück, ohne seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit erneut zu erhöhen. Lediglich der mit der Kapitalversicherung erwirtschaftete Ertrag (Zinsen plus Überschussbeteiligung) stellt zum Zeitpunkt der Auszahlung eine die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers erhöhende Einnahme im Sinne einer Entgeltersatzfunktion dar. Andernfalls könnte jedes beliebige, aus einem Beschäftigungsverhältnis stammende Entgelt, egal wann es dem Arbeitnehmer in der Vergangenheit zugeflossen ist, auch später noch zur Finanzierung der Kranken- und Pflegekassen herangezogen werden, dem wären keine Grenzen mehr gesetzt. Es leuchtet unmittelbar ein, dass dies unverhältnismäßig wäre. Dass im Prinzip nur der Ertrag der Beitragspflicht unterliegen kann, hatte das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung - 1 BvR 1660/08 (RN 15) - deutlich gemacht: „Der Gesetzgeber unterwirft Erträ- ge aus privaten Lebensversicherungen keiner Beitragspflicht.“ Es ist nur von Erträgen die Rede, nicht von der in der Kapitalzahlung enthaltenen Sparleistung, die unterliegt auch bei freiwillig versicherten Rentnern der KVdR nur mit dem Ertragsanteil der Beitragspflicht. Man sollte damit annehmen, dass das Bundesverfassungsgericht das Wort „Erträge“ bewusst verwendet hat.
Im Gegensatz hierzu ist die Kapitalleistung der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung in der Gesamtsumme (siehe oben) als Ertrag anzusehen, die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Arbeitnehmers steigt zum Zeitpunkt der Auszahlung in Höhe der Kapitalleistung. An der Finanzierung der an ihn ausgezahlten Kapitalleistung war er nicht mit eigenem Vermögen beteiligt. Nach Auffassung der Beschwerdegegnerinnen soll die Festsetzung der Beitragshöhe zur Kranken- und Pflegeversicherung aber in dem einen wie in dem anderen Fall undifferenziert immer auf der Bemessungsgrundlage der Kapitalleistung erfolgen. Das ist nicht nur unverhältnismäßig, es stellt auch einen unzumutbaren Eingriff in die Vermögensverhältnisse des Arbeitnehmers dar, der die Kapitalleistung aus eigenem Vermögen finanzierte. Zwei völlig ungleiche Sachverhalte werden über einen Kamm geschert.
§ 229 SGB V definiert als Bemessungsgrundlage zur Berechnung der Beitragspflicht eine
nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung:
„Tritt an die Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht regelmäßig wiederkehrende Leistung
oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalls vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.“
Im Gesetzestext ist von einer „nicht regelmäßig wiederkehrenden Leistung“ die Rede, die an
die Stelle eines Versorgungsbezugs tritt. Was der Versorgungsbezug konkret beinhaltet, definiert der Gesetzgeber nicht. Ist es unabhängig von der eigenen Sparleistung des Arbeitnehmers immer die an ihn ausgezahlte Kapitalleistung der Direktversicherung oder muss es bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise nicht vielmehr der Kapitalertrag sein? Wie anhand der konkreten Zahlen und Geldflüsse dargestellt, unterscheiden sich die Ergebnisse erheblich. Bei der arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung entspricht der beitragspflichtige Ertragsanteil des Versorgungsbezugs in voller Höhe der Kapitalzahlung. Bei der dem Beschwerdeführer ausgezahlten Kapitalleistung ergibt sich dagegen der beitragsberechtigt, generalisierende, typisierende und pauschalierende Regelungen zu verwenden, ohne allein wegen der damit verbundenen Härten gegen den allgemeinen Gleichheitssatz zu verstoßen.“ Eine zulässige Typisierung setzt jedoch voraus, dass die Härten

a) nur unter Schwierigkeiten vermeidbar sind,
b) lediglich eine kleine Anzahl von Personen betreffen und
c) der Verstoß gegen den Gleichheitssatz nicht sehr intensiv ist.

Hierzu ist Folgendes anzumerken:
Der bei den Krankenkassen anfallende Zusatzaufwand ist gemessen an diesen Kriterien äußerst gering und tendiert gegen Null. Alle erforderlichen Informationen können lückenlos von den Lebensversicherungsunternehmen geliefert werden. Ihnen ist die Summe der in den Versicherungsvertrag eingeflossenen Versicherungsbeiträge bekannt, das ist Kerngeschäft. Ohne Probleme können sie den Krankenkassen deshalb beide Werte mitteilen, die Kapitalleistung als auch die in den jeweiligen Versicherungsvertrag eingezahlten Versicherungsbeiträge. So wie die Lebensversicherungen als Zahlstellen heute schon abfragen, ob der Arbeitnehmer gesetzlich oder privat krankenversichert ist, und falls gesetzlich, bei welcher Krankenkasse, können sie - falls nicht wie beim Beschwerdeführer schon aus den Versicherungsunterlagen ersichtlich - auch abfragen, wer die Beiträge (Arbeitgeber oder Arbeitnehmer) zu welchen Anteilen geleistet hat. Wenn also ein Mehraufwand zur Abgrenzung anfällt, dann bei den Lebensversicherungsunternehmen, bei einer am Gerechtigkeitsgedanken orientierten Betrachtungsweise ist dieser jedoch vernachlässigbar klein.
Betroffen sind Millionen Arbeitnehmer, die den Ratschlägen der Politik schon seit Anfang der 70er Jahre folgten und über den Betrieb mit eigenem Geld eine kapitalbildende Lebensversicherung ansparten. Es ist also nicht von einer geringen Anzahl von Fällen auszugehen, viel-mehr war dies schon in der Vergangenheit die gängige Form der betrieblichen Altersvorsorge.
Zu guter Letzt ist der Verstoß gegen den Gleichheitssatz des Grundgesetzes, wie die Zahlen
in obenstehender Tabelle zeigen, intensiv. Der Unterschied im Ergebnis der Altersvorsorge
beträgt mehrere tausend Euro. Im Einzelfall kann die Belastung durch Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge bei einer selbstfinanzierten Direktversicherung sogar zu einem Substanzverzehr des eingezahlten Vermögens führen, der Ertrag wird negativ – wenn man so will, eine Enteignung durch Eigenvorsorge. Siehe hierzu das in Anlage 1 beigefügte Dokument des Beschwerdeführers zur Rentabilität von Direktversicherungen.
Grundsätzlich sind die angestellten Überlegungen auch auf Direktversicherungen mit einer lebenslangen Rentenzahlung übertragbar. Auch in diesen Fällen bezahlen Arbeitnehmer, die ihre Versicherungsbeiträge durch Entgeltumwandlung selbst finanziert haben, systematisch einen zu hohen Beitrag zur Kranken- und Pflegeversicherung. Daraus aber ableiten zu wollen, dass die verfassungswidrige Höherbelastung auch für Versorgungsbezüge aus Kapitalleistungen zu gelten habe, geht an der Sache vorbei. Eine Gleichbehandlung im Unrecht lässt sich mit Art. 3 Abs. 1 GG nicht begründen.

IV. Annahme zur Entscheidung

Die Verfassungsbeschwerde ist gemäß § 93a Abs. 1 BVerfGG zur Entscheidung anzunehmen. Sie ist zur Durchsetzung der in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechte angezeigt (§93a
Abs. 2 Buchst. b BVerfGG), da dem Beschwerdeführer durch eine Versagung ein besonders
schwerer Nachteil entstünde. Die vom Beschwerdeführer aufgeworfenen Rechtsfragen haben
des Weiteren eine über den Einzelfall hinausgehende grundsätzliche Bedeutung, da sie einen
großen Personenkreis betreffen.

xx, 23. Mai 2020, Beschwerdeführer

Anlagen:
1. Anmerkungen zur Rentabilität von Direktversicherungen
2. Beschluss des Bundessozialgerichts zu Nichtzulassungsbeschwerde
3. Nichtzulassungsbeschwerde durch Rechtsanwalt Jan Philipp Schwerdtner, Berlin
4. Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg
5. Berufungsklage des Beschwerdeführers
6. Urteil des Sozialgerichts Reutlingen
7. Klage des Beschwerdeführers


¹ Obwohl die Arbeits- und Lebensbedingungen in den Schlachthöfen schon seit Jahren bekannt sind, werden sich die Schutzmaßnahmen für die vorwiegend aus dem osteuropäischen Ausland stammenden Arbeitnehmer erst aufgrund der hohen Infektionsraten mit dem Corona-Virus verbessern.

² Siehe Link

³ Siehe Anlage 1, Anmerkungen zur Rentabilität von Direktversicherungen. Das Dokument des Beschwerdeführers aus dem Jahr 2018 geht sehr detailliert auf die finanziellen Unterschiede der rein arbeitnehmerfinanzierten und der rein arbeitgeberfinanzierten Direktversicherung ein.

Quelle: Peter Weber