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Der Mehrwert neuer Wohnformen für Menschen mit Pflegebedarf.

18.05.2020

„Mehr als zu Hause, mehr als im Heim“ – Arbeitshilfe zur Umsetzung neuer Wohnformen.
Im Rahmen des Modellprogramms zur Weiterentwicklung neuer Wohnformen für Pflegebedürftige
nach § 45f SGB XI wurden vom GKV-Spitzenverband 53 Projekte in einem Zeitraum von Januar 2015
bis März 2018 gefördert.

Das Kuratorium Deutsche Altershilfe hat zusammen mit der PROGNOS AG die
Modellprojekte im Hinblick auf ihre Konzeption und Angebotsstruktur, Umsetzung und Kostenstruktur
sowie Rahmenbedingungen untersucht und vor allem die Bewohnerinnen und Bewohner gefragt, was
sie von diesen neuen Wohnformen erwarten und ob sich ihre Erwartungen erfüllt haben.

In einer neu vom KDA erstellten und vom GKV-Spitzenverband herausgegebenen Arbeitshilfe sind
diese Erkenntnisse praxisnah aufbereitet worden. Die Arbeitshilfe beschreibt zusammenfassend den
Mehrwert, aber auch die Grenzen neuer Wohnformen für Menschen mit Pflegebedarf. Ausführlich
werden Praxisbeispiele und Wege der Umsetzung bei der Planung, Durchführung und Verstetigung
neuer Wohnformen beschrieben. In einer Checkliste werden Hilfestellungen zur konkreten Umsetzung
gegeben. Weiterführende Hinweise zu Fördermöglichkeiten und anderen Unterstützungsmöglichkeiten für Initiatorinnen und Initiatoren neuer Wohnformen werden aufgezeigt.

Wir freuen uns, dass wir mit der vom KDA entwickelten Arbeitshilfe den Praktikerinnen und Praktikern ein
Instrument an die Hand geben können, die Umsetzung neuer Wohnformen zu meistern und so ihren
Mehrwert zu generieren (Helmut Kneppe, KDA-Geschäftsführender Vorstand).

Hintergrund
In den vergangenen Jahren hat sich ein breites Spektrum an Wohn- und Versorgungsmöglichkeiten für
Menschen mit Pflegebedarf entwickelt – auch gefördert durch verschiedene Reformen bei der Pflege-
und Heimgesetzgebung. Zwischen Heim und Häuslichkeit sind viele neue Wohnformen entstanden,
wie selbstorganisierte gemeinschaftliche Wohnformen/Mehrgenerationenwohnprojekte, Betreutes/
ServiceWohnen, ambulante Pflegewohn- und Hausgemeinschaften sowie integrierte Konzepte
einschließlich der Quartierskonzepte.

Nach Schätzungen wohnen heute zwischen 180.000 und 250.000
Menschen mit Pflegebedarf in solchen neuen Wohnformen und damit schon mindestens ein Viertel so
viele Menschen wie in stationären Einrichtungen. Die Projektleiterin Ursula Kremer-Preiß stellt fest: Es
ist also kein Nischenangebot mehr für wenige ausgewählte Interessierte, sondern neue Wohnformen
etablieren sich zunehmend als weitere Säule im Wohn- und Versorgungsspektrum für Menschen mit
Pflegebedarf.Diese neuen Wohnformen versuchen, mehr soziale Teilhabe zu ermöglichen und die Vorteile des
häuslichen und stationären Wohnens zu vereinen: Auf der einen Seite mehr Versorgungssicherheit und
auf der anderen Seite mehr Selbststimmung auch bei Hilfe und Pflegebedarf.
Mehrwert und Herausforderungen

Die wissenschaftlich erhobenen Ergebnisse aus dem Modellprogramm zeigen, dass neue Wohnformen
sowohl für die Bewohnerinnen und Bewohner als auch für deren Angehörige, aber auch für
Mitarbeitende und Initiierende in vielerlei Hinsicht einen Mehrwert aufweisen. Wir betrachten mit
Sorge die aktuell vor allem auf Kostengesichtspunkte reduzierte Debatte über neue Wohnformen und
die teilweise auf ausgewählte pflegesensitive Qualitätsaspekte beschränkten Qualitätsnachweise. Die
Ergebnisse des Modellprogramms zeigen deutlich, dass solche Wohnformen den Bedarfen der
Menschen mit Pflegebedarf ganzheitlich entsprechen (Ursula Kremer-Preiß).

Die befragten Menschen mit Pflegebedarf der untersuchten Modellprojekte äußern eine große
Zufriedenheit darüber, dass die Leistungsangebote an ihre individuellen Bedarfe und
Lebensgewohnheiten angepasst sind und sie Einfluss auf die Leistungsgestaltung nehmen können.
Gleichzeitig schätzen die Bewohnerinnen und Bewohner die hohe Versorgungssicherheit, die sie in den
neuen Wohnformen erhalten und äußern sich positiv über die sozialen Teilhabemöglichkeiten, die
ihnen durch die Wohnangebote eröffnet werden. Gerade die Corona-Krise führt uns noch einmal die
Schwächen in der bestehende Wohn- und Versorgungsstruktur für Menschen mit Pflegebedarf
eindringlich vor Augen – wir brauchen in Zukunft mehr Wohnformen, in denen Autonomie,
Versorgungsicherheit und Teilhabe anders ausbalanciert werden – hierfür geben die neuen
Wohnformen vielfältige Anregungen (Helmut Kneppe).

Die Untersuchungsergebnisse des Modellprogramms dokumentieren, aber auch, welche
Herausforderungen sich bei der Umsetzung neuer Wohnformen ergeben. Typisch ist die
Verantwortungsteilung. Nicht mehr nur ein Träger alleine trägt die Verantwortung für die Umsetzung.
Viele werden im Sinne eines Hilfemixes verantwortlich als sorgende Gemeinschaften in die Umsetzung
einbezogen. Eine Herausforderung bleibt, die Selbstverantwortung der Betroffenen und Akteure bei
der Umsetzung zu stärken und ein Case- und Care-Management zu implementieren, das ein
verantwortliches Einbringen der unterschiedlichen Akteure sichert, aufeinander abstimmt und
transparent macht. Wie dies gelingen kann, dazu haben die Modellprojekte vielfältige Lösungen
entwickelt.

Link zur Arbeitshilfe:
Link
spitzenverband.de/media/dokumente/presse/publikationen/Arbeitshilfe_Wohnformen_2020_barrie
refrei.pdf

Weitere Literatur zum Modellprogramm:
Sammelband zu den Projekten des Modellprogramms
Link
spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/forschung/projekte_wohnen_45f/201810
08_Reader_Pflegemodellprojekte_barrierefrei.pdf

Abschlussbericht der wissenschaftlichen Begleitung
Link
spitzenverband.de/media/dokumente/pflegeversicherung/forschung/projekte_wohnen_45f/Pflege_
Endbericht_Wohnformen_45_28.02.2019.

Quelle: Kuratorium Deutsche Altershilfe PM. 18.Mai 2020