21.01.2008 - von H.S.
Das Land Hessen hat als erstes Bundesland eine Universitätsklinik verkauft, die zuvor von der Hessischen Landesregierung unter Koch zur Universitätsklinika Gießen-Marburg mit insgesamt 2.400 Betten und 9.000 Vollzeitarbeitsplätzen fusioniert worden war. Der Preis: 112 Millionen Euro. Das Land behält fünf Prozent der Geschäftsanteile. Rhön Klinikum AG hat unter Androhung einer Vertragsstrafe Investitionszusagen von 367 Mio. gemacht. Betriebsbedingte Kündigungen wurden bis 2010 ausgeschlossen. Rhön will trotzdem 30 Mio. Euro in einen Sozialplan und die Qualifikation der Mitarbeiter investieren.
In Hamburg, wo man Erfahrung mit der Krankenhausprivatisierung hat, wird schon über die Folgen berichtet: "Die sieben allgemeinen Krankenhäuser Hamburgs (Landesbetrieb Krankenhäuser - LBK) wurden gegen den Willen der Hamburger Wähler privatisiert. Bei einer Volksabstimmung, die gleichzeitig mit der
Bürgerschaftswahl stattfand, hatten sich 77% dafür ausgesprochen, dass die Stadt die Mehrheitsanteile am LBK behalten solle. Noch ist es so, aber ab Januar 2007 wird die Asklepios GmbH 74,9% der Anteile besitzen. Zur Zeit sind es 49,9%. Aber das unternehmerische Sagen ist ihr schon zu 100% übergeben worden.
Anstößig und sittenwidrig nennt Prof. Dr. Peter von Wichert aus Hamburg den Verkauf in einem Leserbrief an die FAZ. Anstößig und sittenwidrig u.a. aus folgendem Grund: Mit der Privatisierung wird kommerziellen Krankenhausträgern die Möglichkeit gegeben, privaten Gewinn aus der Behandlung von Patienten zu ziehen, die ihren Behandlungsanspruch durch die Zahlung von Pflichtbeiträgen an die gesetzlichen Krankenkassen erworben haben. Das gesetzlich festgelegte Beitragsgeld der Beitragszahler wird also in die Taschen privater Konzerne geleitet.
Bei den Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst hatten die Arbeitgeber des LBK mit am Tisch gesessen. Dieser Tarifvertrag ÖD enthält etliche Nachteile für die Beschäftigten. Unter der neuen Führung setzte der LBK noch einen drauf: Er trat aus dem Arbeitgeberverband aus und bildete zusammen mit dem Universitätskrankenhaus (sowie einigen Wurmfortsätzen der beiden Großen) einen neuen. Mit anderen Worten: Flucht aus einem Tarifvertrag, den sie selber mit abgeschlossen hatten."
Die Krankenhauskette Asklepios Kliniken Hamburg GmbH (Gruppenumsatz: 2,3 Mrd. Euro), ist über ihre kalifornische Schwestergesellschaft, Pacific Health Corp., mit sechs Kliniken (insgesamt etwa 750 Betten) in den USA vertreten. Nach Darstellung von Asklepios verschafft das USA-Geschäft dem Unternehmen eine Vorreiterrolle bei der Einführung DRG-gestützter Vergütungssysteme (Diagnosis Related Groups; Abrechnung nach Fallgruppen) und bei der Umsetzung struktureller Veränderungen im Krankenhausbereich. Zudem stelle der "Brückenkopf" in Übersee ein Potenzial medizinischer Inspiration und ein attraktives Ambiente für die Aus- und Weiterbildung aller Mitarbeiter dar, so Asklepios.
Nachtrag: 27.7.2009
Spezial: Rhön-Klinikum Marburg-Gießen. Kritiker der Privatisierung sehen sich durch Berichte über eine schlechte Krankenversorgung, Personalmangel und erschwerte Arbeitsbedingungen bestätigt. Das Special dazu bei der Frankfurter Rundschau:
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Siehe dazu auch: "Patienten haben Angst". Der Profit des Rhön-Klinikums hat Vorrang vor den Patienten, sagt der Arzt.
Eike-Peter Schäfer im FR-Interview. Er hat das privatisierte Krankenhaus in Marburg verlassen. Interview von Jutta Rippegather in der Frankfurter Rundschau vom 24.07.2009
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