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Altersdiskriminierung durch KFZ-Versicherungen - Von einem, der dagegen etwas tun wollte

Foto: H.S.

14.12.2019 - von Hanne Schweitzer, G. Wollank, BaFin, BMF

Mit dem Thema Altersdiskriminierung durch KFZ-Versicherungen hat sich Professor Dipl.-Phys. Gerhard Wollank, wie schon viele vor ihm, auseinandergesetzt. Er wird tätig und schreibt die Bundesanstalt für Finanzdienstaufsicht (BaFin), an, die die Aufsicht über alle Versicherungsunternehmen hat. In vier Schreiben zwischen Januar und März 2019 bittet er um Stellungnahme zu Berichten, in denen von Altersdiskriminierung durch KFZ-Versicherungen die Rede ist, und fragt, wie sich das mit dem § 20 (2) im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz verträgt.

Am 9. April 2019 haben die Mitarbeiter der Abteilung Verbraucherschutz der BaFin genug von seinem Auskunftsbegehren. Wollank wird mitgeteilt: "Auch nach nochmaliger aufsichtsrechtlicher Prüfung Ihrer Ausführungen kann ich Ihnen keine andere Nachricht als in meinen Schreiben vom 11.Januar, 29. Januar und 26.März 2019 geben. In diesem Zusammenhang bitte ich auch zu berücksichtigen, dass es nicht zu meinen Aufgaben gehört, Medienberichte, Zeitungsartikel oder Pressemitteilungen zu kommentieren, zu bewerten oder richtig zu stellen. Da ich keine Möglichkeit sehe, in Ihrem Sinne tätig zu werden, bitte ich um Verständnis, das ich bei gleichbleibendem Sachverhalt eine weitere Erörterung zur Sache nicht in Aussicht stellen kann."

Wollank hat verstanden. Belege für die systematisch unkorrekte Einstufung älterer KFZ-HalterInnen müssen her. Er vertieft er sich in das Thema und wird pfündig: "Insbesondere mit Hilfe von Diagrammen habe ich nachvollziehbar bewiesen, dass die Zuschläge auf die Kfz-Beiträge der z.B. 85-jährigen Kfz-Halter in Höhe von 100 % und mehr, willkürlich und damit unbegründet sind. Die meinen Recherchen zugrundeliegenden Daten kann ich auf Wunsch mit mehr als 80 Angeboten von 6 Kfz-Versicherungen belegen."

Am 6. Mai 2019 schickt er seine Belege an den Präsidenten der BaFin. Link Er bittet um Überprüfung seiner Darlegungen Link mit denen er belegt, dass die von den Versicherungsunternehmen verlangten Altersaufschläge für über 60 Jahre alte KFZ-HalterInnen gewollt sind. Weil er aber weder eine Antwort noch einen Zwischenbescheid erhält, fragt er am 1. Juli 2019 beim Präsidenten der BaFin per Brief und E-Mail nach. Keine Antwort.

Am 10. September informiert er den Präsidenten der BaFin erneut darüber, dass er bislang weder eine Antwort noch einen Zwischenbescheid erhalten hat, und fährt fort: "Nach einer Bearbeitungszeit von 4 Monaten sollten doch die in dieser Sache zuständigen Experten der BaFin in der Lage sein, ein Antwortschreiben zu erstellen. Ich bitte Sie höflich zu veranlassen, dass die erbetene Antwort vor dem 25. September 2019 erfolgt."

Am 12. September 2019 , also nur zwei Tage später schickt ihm die Abteilung Verbraucherschutz der BaFin eine hochherrschaftliche Mitteilung:
"Schreiben vom 06.05., 01.07., 10.9. sowie Email vom 10.9. 2019. Ihre oben angeführten Schreiben sind entgegen Ihrer Annahme bei mir eingegangen, enthalten jedoch keine neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt. Ich verweise daher auf mein im Schreiben vom 9.4.2019 angekündigtes Korrespondenzende."

Diese freche Antwort ist umso erstaunlicher, weil dem erfolgreichen Petenten gegen die Prämiengestaltung bei den KFZ-Versicherungen, Rainer Schäffer, vom Vorsitzenden des Petitionsausschusses des Deutschen Bundestags, Anfang September 2019 mitgeteilt worden war, dass von der BaFin Analysen und Untersuchungen durchgeführt würden, um zu klären, inwieweit die Tarifierungspraxis der KFZ-Versicherer dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz entspricht. Link

Am 4. Oktober 2019 wendet sich Wollank wegen der Nicht-Reaktion der BaFin an das Referat VII A5 des Bundesfinanzministeriums in Bonn, welches die Rechts- und Fachaufsicht über die Bundesoberbehörde BaFin hat. Link

Am 25.November 2019 erhält er ein Schreiben vom Referat LC4 des Bundesfinanzministeriums in Berlin. Diesem ist zu entnehmen, dass die BaFin "seit Mitte 2019 im Rahmen der Missstandsaufsicht und ihres Mandats zum Schutz der kollektiven Verbraucherinteressen weitergehende Analysen durchführt, um zu überprüfen, ob die Tarifierungspraxis der KFZ-Versicherer den Anforderungen des § 20 Absatz 2 AGG widerspricht." Link

Am 3. Dezember 2019 schreibt Wollank an die Abteilung 7 des Bundesfinanzministeriums in Berlin: "Ich bitte Sie höflich zu prüfen, ob Sie das abwimmelnde Schreiben des Referats L C 4 vom 25. November 2019 billigen und für sach-und fachgerecht halten." Link

Am 11.12.2019 schreibt Wollank an die Abteilung 7 des Bundesfinanzministeriums Link und übersendet die bedenkenswerte Tabelle:
"KFZ-Beitrag in Abhängigkeit von der jährlichen Fahrleistung einer fiktiven Person." Link

6.1.2020: Eine Antwort des Bundesfinanzministeriums auf Wollanks Schreiben vom 3.12.2019 liegt noch immer nicht vor.
ABER: Die Jahresgemeinschaftsstatistik über den Schadenverlauf in der Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung für das Jahr 2018 ist online erschienen! Den link dazu finden Sie unter: Link

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Viele Mathematiker beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. von dem die Jahresgemeinschaftsstatistik erstellt wird, haben in den letzten Monaten viele Überstunden machen müssen. Wohin z.B. mit den in der Statistik bisher mit dem Lebensalter "unbekannt" ausgewiesenen KFZ-Nutzern? Link Zwar wurde das in den vergangenen Jahren von der BaFin Link, die für die "ausreichende Wahrung der Belange der Versicherten" zuständig ist, noch nie beanstandet, aber zurzeit läuft ja die Prüfung der Tarifierungspraxis der KFZ-Versicherer. Da muss man sich im Gesamtverband und bei der BaFin so richtig etwas einfallen lassen. Es geht um viel Geld - der Kundschaft!

Ganz und gar untätig war die BaFin nicht
Mitte 2018 veröffentlichte sie den Bericht "Big Data trifft auf künstliche Intelligenz".
Darin hat die BaFin auch einige grundlegende Forderungen an die Finanzindustrie formuliert (z.B. Absage an Black-Box-Ansätze, Nachvollziehbarkeit, Erklärbarkeit und Prüfbarkeit automatisierter Entscheidungsprozesse, Letztverantwortung der Geschäftsleitung für Entscheidungsprozesse). Link

Außerdem gibt es noch den Bericht der Datenethikkommission, die sich ebenfalls mit dem Thema Algorithmen auseinandergesetzt hat: Link

Aktivitäten auf europäischer Ebene
EIOPA
Auch auf europäischer Ebene wurde die Bedeutung des Themas erkannt. So wird es derzeit von der Europäischen Aufsichtsbehörde für das Versicherungswesen und die betriebliche Altersversorgung (EIOPA) in der Insurtech Task Force sowie einer beratenden Expertengruppe (Consultative Expert Group) behandelt, mit dem Ziel, operationalisierbare Prinzipien für den Umgang mit Algorithmen im Versicherungswesen zu erarbeiten. Link Am 8. Mai 2019 veröffentlichte die EIOPA ihre Studie Bericht: The use of Big Data Analytics in motor and health insurance. Pressemiteilung: Link Studie:Link

Quelle: Büro gegen Alterdiskriminierung