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Graz: Ungleichbehandlung von SeniorInnen im ÖVNP

Foto: H.S.

Österreich - 25.09.2019

Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark erlaubt sich, zu der neu aufgeflammten Diskussion bezüglich der Diskriminierung von Seniorinnen und Senioren bei der Benutzung öffentlicher Verkehrsmittel der Holding Graz, Stellung zu nehmen.

Anlass für diese Stellungnahme ist der am 8. Juli 2019 erschienene Artikel in der Kleinen Zeitung.1 Dieser greift den Missstand auf, dass Seniorinnen und Senioren, um von einem ermäßigten Ticket der Holding Graz profitieren zu können, nicht nur einen Lichtbildausweis sondern auch eine ÖBB Vorteilscard Senior vorweisen können müssen.

Zum einen geht es in diesem Zusammenhang um die Tatsache, dass Seniorinnen und Senioren im Vergleich zu anderen Personengruppen, die einen ermäßigten Tarif der Holding Graz in Anspruch nehmen können, die einzige Personengruppe sind, die eine Vorteilscard der ÖBB erstehen müssen, um von einem ermäßigten Tarif zu profitieren. Zum anderen trifft ältere Personen damit die zusätzliche Hürde stets mehrere Ausweise bei sich führen zu müssen.

Die ÖBB Vorteilscard Senior kann von Seniorinnen und Senioren um einen jährlichen Betrag von 29 Euro erstanden werden. Für Betroffene kann es sich als durchaus beschwerlich erweisen, wenn sie bei der Benutzung von öffentlichen Verkehrsmitteln neben dem eigentlichen Ticket stets auch auf das Mitführen von mehreren Ausweisen Bedacht nehmen müssen. Dies schilderten auch Betroffene in Beratungsfällen der Antidiskriminierungsstelle Steiermark.

Ein ermäßigtes Ticket erhalten bei der Holding Graz, neben der Gruppen der Jugendlichen und Familien auch Kinder. Vom 6. Geburtstag bis zum 15. Geburtstag können für Kinder Tickets mit einer 50%igen Ermäßigung erstanden werden ohne einen entsprechenden Lichtbildaus vorweisen zu müssen.

So ist es natürlich verständlich, dass man Kinder zumeist bis zum Erreichen des Pubertätsalters das kindlichere Alter ansieht. Personen eines höheren Alters schildern aber häufig, dass sie die Aufforderung zum Vorweisen eines Altersnachweises zwar manchmal schmeichelhaft, aber ob des betagteren Alters durchaus äußerst widersinnig empfinden.

Ebenso wie für ältere Personen, kann es auch für Kinder zwischen dem 6. und 15. Geburtstag beschwerlich sein auf mehr als das gelöste Ticket Bedacht nehmen zu müssen. Diesem Umstand wurde bei der Ausgestaltung der Richtlinien für Ermäßigungen bei der Holding Graz aber offensichtlich, anders als bei älteren Menschen, ausreichend Bedacht geschenkt.

Hinzu tritt die erschwerende Tatsache, dass es für ältere Menschen beim Ticketkauf nicht ersichtlich ist, dass eine ÖBB Vorteilscard bzw. deren Mitführen für die Ermäßigung erforderlich ist. So werden oft Tickets in gutem Glauben von Seniorinnen und Senioren gekauft, aber weil keine ÖBB Vorteilscard mitgeführt wird, muss schlussendlich doch eine Geldstrafe geleistet werden.

Bedauerlicherweise wird hinsichtlich des Strafbetrags auch keine Unterscheidung dahingehend gemacht, ob jemand ein ermäßigtes Ticket erstanden hat, weil er das Pensionsalter bereits erreicht hat aber über keine Vorteilscard Senior verfügt, oder ob jemand einfach „Schwarzfahrer" ist.

Auch in der Politik versucht man seit geraumer Zeit mit großem Engagement dieser Diskriminierung entgegenzuwirken. So gab es bereits 2010 einen Antrag2, initiiert durch die Gemeinderäte Hohensinner, Gesek und Mayr, welcher forderte, dass auch andere Berechtigungsnachweise, wie zum Beispiel der Seniorenausweis der Stadt Graz oder ein gewöhnlicher Lichtbildausweis für einen ermäßigten Tarif genügen sollen. Auch Schwindsackl vom Seniorenbund hat mit zahlreichen Anträgen versucht diesen nicht zufriedenstellenden Zustand zu beseitigen. Zwar habe Schwindsackl stets positive Rückmeldungen erhalten, eine Änderung sei jedoch nicht eingetreten.3 Elke Kahr nahm sich als zuständige Verkehrsstadträtin ebenfalls dieser Thematik an. Bis heute hat sich an der Ungleichbehandlung bedauerlicherweise nichts geändert.

Es ist erfreulich, dass bereits erste Schritte durch die Holding Graz und die Firma Securitas gesetzt wurden, wie die Kleine Zeitung schon 20174 berichtete. Dies betrifft unter anderem den Kulanzantrag, der bei betagteren Fahrgästen, die keine ÖBB Vorteilscard Senior mit sich führen, ausgehändigt werden soll. Dieses System scheint jedoch nicht einwandfrei zu funktionieren. Auch im Jahr 2019 sind Seniorinnen und Senioren an die Antidiskriminierungsstelle Steiermark herangetreten, weil sie sich durch Vorgaben bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel der Holding Graz diskriminiert fühlen. Eine beinahe 90-Jährige Frau musste im Mai dieses Jahres die Straßenbahn verlassen, weil sie keine ÖBB Vorteilscard mitgeführt hat. Sie war schlicht in Unwissenheit über die bestehende Verpflichtung im Zusammenhang mit der ÖBB Vorteilscard. Könnte man hier noch mit dem Satz „Unwissenheit schützt vor Strafe nicht" argumentieren, bleibt es unerklärlich, warum drei Kontrolleure die knapp 90-Jährige kontrolliert aber niemand ihr verständlich habe erklären können, warum ein Strafbetrag zu bezahlen sei. Dass eine derartige Situation für ältere Menschen als unangenehm und einschüchternd empfunden werden kann, steht außer Zweifel.

Ein Blick auf andere Bundesländer verrät, dass die Regelung bezüglich der Vorteilscard dort nicht existent ist. So genügt in Wien5 ein Lichtbildausweis, genauso wie in Innsbruck6. Es stellt sich also die Frage warum in Graz der Lichtbildausweis nicht genügen soll. Argumentiert wird nicht zuletzt mit dem wirtschaftlichen Aspekt. Bei einer Änderung der entsprechenden Regelungen wird mit einem geschätzten Einnahmeentfall von 1,7 Millionen Euro gerechnet.7

Es kann aber keineswegs nachvollzogen werden, warum die Verpflichtung zum Erwerb und Mitführen der ÖBB Vorteilscard (Senior) ausschließlich Menschen höheren Alters trifft. Einige Seniorinnen und Senioren nutzen die ÖBB Vorteilscard Senior gar nicht zum primären Zweck, nämlich dem Nutzen der ÖBB-Verkehrsmittel.

Es scheint hier also eine Regelung zu bestehen, die Menschen höheren Alters benachteiligt. Für diese Ungleichbehandlung gibt es nach Ansicht der Antidiskriminierungsstelle Steiermark jedoch keine sachliche Rechtfertigung.

Als Antidiskriminierungsstelle Steiermark bemängeln wir immer wieder den Umstand, dass hinsichtlich der Altersdiskriminierung im öffentlichen Raum kein gesetzlicher Schutz im Gleichbehandlungsgesetz verankert ist.

Von einer Diskriminierung aufgrund des Alters können Menschen oberhalb eines bestimmten Alters, aber auch jüngere Menschen betroffen sein. Beim überwiegenden Teil der Fälle ist eine Ungleichbehandlung sachlich nicht gerechtfertigt. Das bedeutete Menschen, die sich in gleichen Situationen befinden, werden ausschließlich aufgrund des Altersunterschieds unterschiedlich behandelt.

Gleichbehandlung ohne Unterschied des Alters ist im Gleichbehandlungsgesetz für den Lebensbereich der Arbeitswelt geboten. Aufgrund des Fehlens eines gesetzlichen Schutzes für andere Bereiche können Seniorinnen und Senioren allerdings im Einklang mit dem Gesetz diskriminiert werden.

Die Antidiskriminierungsstelle Steiermark erlaubt abschließend auf die Missstände, die in diesem Bereich herrschen, hinzuweisen und empfiehlt im Zusammenhang mit der bestehenden Altersdiskriminierung eine Novellierung des Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne eines Levelling-up. Das Verbot der Altersdiskriminierung muss auch gesetzlich im III. Teil (Gleichbehandlung beim Zugang zu und bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, die der Öffentlichkeit zur Verfügung stehen, einschließlich Wohnraum) des Gleichbehandlungsgesetzes verankert werden.

Im Zusammenhang mit der bestehenden Altersdiskriminierung beim Verbund Steiermark empfiehlt die Antidiskriminierungsstelle Steiermark eine Abschaffung der Verpflichtung zum Erwerb und Mitführen der ÖBB Vorteilscard (Senior) für Menschen höheren Alters.

Im Sinne der Gleichberechtigung aller Personengruppen bei der Benutzung der öffentlichen Verkehrsmittel, erhoffen wir uns die Berücksichtigung dieser Empfehlung.

1 Kleine Zeitung, Warum Senioren im Bus und Tram nur mit ÖBB-Vorteilscard billiger fahren, https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5656210/Graz_Warum-Senioren-in-Bus-und-Tram-nur-mit-OeBBVorteilscard (abgerufen am 11.07.2019).
2 Stadt Graz, Antrag zur dringlichen Behandlung: Zusätzliche Berechtigungsnachweis im Verbund Steiermark, https://www.graz.at/cms/dokumente/10157792_7768145/ec5eea7f/101118_dringliche_antraege.pdf (abgerufen am 11.07.2019).
3 Meinbezirk.at, Seniorenticket nur mit ÖBB-Vorteilscard, https://www.meinbezirk.at/graz/c-lokales/seniorenticket-nur-mit-oebb-vorteilscard-die-krux-mit-den-oeffi-rabatten_a3224202 (abgerufen am 11.07.2019).
4 Kleine Zeitung, Graz Linien reagieren: Öffi-Kontrollen werden geändert, https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5199024/Nach-Vorfaellen_Jetzt-werden-OeffiKontrollen-geaendert (abgerufen am 11.07.2019).
5 Wiener Linien, https://www.wienerlinien.at/media/files/2019/einzelkarten_313382.pdf (abgerufen am 11.07.2019).
6 IVB Linien, https://www.ivb.at/fileadmin/downloads/2019-VVT-Tariffolder_03.pdf (abgerufen am 11.07.2019).
7 Kleine Zeitung, Warum Senioren im Bus und Tram nur mit ÖBB-Vorteilscard billiger fahren, https://www.kleinezeitung.at/steiermark/graz/5656210/Graz_Warum-Senioren-in-Bus-und-Tram-nur-mit-OeBBVorteilscard (abgerufen am 11.07.2019).
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Quelle: Antidiskriminierungsstelle Steiermark

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