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04.07.2019 - von Horst Gehring
Direktversicherung: Max Straubinger und die Demokratie
Dass meine E-Mail vom 01. Juli 2019 an den Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages nicht in das Konzept von Max Straubinger (CSU), passte, war mir im Vorfeld durchaus bewusst. Umso mehr war ich am Folgetag überrascht, dass mir Max Straubinger in einem längeren Telefongespräch seine Sichtweise zur betrieblichen Altersvorsorge erklären wollte.
Bekanntlich geht die Beitragspflicht mit Direktversicherungen zurück auf das Jahr 2004. Vor 2004 musste in der Auszahlungsphase nur der Arbeitgeberanteil abgeführt werden. Einen Vertrauensschutz für Altverträge gab es nicht. Das es seinerzeit durchaus nachvollziehbare Gründe für diese gesetzliche Regelung gab, ist ebenfalls unstrittig. Hintergrund war der Wunsch nach einer Stabilisierung der finanziellen Situation der gesetzlichen Krankenversicherung. Nach meiner Kenntnis belief sich deren Defizit auf ca. 8 Milliarden Euro. Gemeinsames Ziel war es, mit einem Bündel von Maßnahmen die gesetzliche Krankenversicherung finanziell zu entlasten und die Lohnnebenkosten zu begrenzen.
Dazu muss man auch wissen, dass seit Einführung der Beitragspflicht von pflichtversicherten Rentnern in der gesetzlichen Krankenversicherung seit 1983 betriebliche Altersrenten als Versorgungsbezüge gelten (§ 180 Abs.8 Satz 2 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung RVO i.d.F. des Art. 2 Nr.2 des Gesetzes über die Anpassung der Rentner der gesetzlichen Rentenversicherung im Jahr 1982 vom 1. Dezember 1981 (BGBI I. S 1205), der überging in § 229 Abs. 1 Nr.5 SGB V). Es ist festzustellen, dass die bisherige Rechtsprechung mit ihrem Schwerpunkt auf dem Wortlaut der gesetzlichen Regelung und dem Willen des Gesetzgebers bei der Frage der Beitragspflicht rechtssicher entscheidet.
Mit dieser Gesetzesänderung wurde jede Kapitalleistung, die als Versorgungsbezug zu werten ist, weil sie an Stelle von Arbeitsentgelt oder Arbeitseinkommen aus früherer Beschäftigung oder Tätigkeit gewährt wird, beitragspflichtig. Mit dieser Regelung sollten – aus Gründen der Gleichbehandlung – so auch Umgehungstatbestände bei der Beitragspflicht für Versorgungsbezüge beseitigt werden. Seitdem fallen Zahlungen aus einer Direktversicherung auch dann unter die Beitragspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn von Anfang an keine laufende Leistung, sondern eine einmalige Kapitalzahlung vereinbart war. Auf Direktversicherungen, die als monatliche Rente ausgezahlt werden, waren schon seit langem Krankenversicherungsbeiträge zu entrichten. Die derzeitige Regelung ist aber wenig geeignet, für private Vorsorge im Alter zu werben.
Die Folgen zeigten sich für viele Rentnerinnen und Rentner jedoch erst sehr viel später, entsprechend groß war, (und ist) die Empörung. Eine Empörung, die der Parlamentarier Max Straubinger nicht akzeptieren will. Selbst altgediente MdBs müssen aber inzwischen einräumen, dass die damalige politische Entscheidung nicht alle Aspekte beachtet hat.
Seit 15 Jahren weiß ich, dass viele Menschen sich in ihrem Vertrauen getäuscht sehen. Um diese Ungerechtigkeit abzumildern, haben neben meiner Partei, der SPD, auch engagierte Politikerinnen und Politiker aus der CDU/CSU ihre Stimme erhoben, weil sie diese soziale Ungerechtigkeit erkannten und abmildern wollen. Wir sollten daher Emmi Zeulner (CSU) und Carsten Linnemann (CDU) sowie ihren Mitstreitern für ihre Courage dankbar sein und politischen Querköpfen die Stirn bieten.
Herr Straubinger vertritt weiterhin die Rechtsauffassung, dass der Beschluss des BVerfG aus dem September 2010 unumkehrbar ist. Durch dieses, am 01.01.2004 in Kraft getretene Gesetz („GKV Modernisierungsgesetz“) erhielt § 229 Abs.1 Satz 3 SGB V folgende Fassung: „ Tritt an der Stelle der Versorgungsbezüge eine nicht wiederkehrende Leistung oder ist eine solche Leistung vor Eintritt des Versicherungsfalles vereinbart oder zugesagt worden, gilt ein Einhundertzwanzigstel der Leistung als monatlicher Zahlbetrag der Versorgungsbezüge, längstens jedoch für einhundertzwanzig Monate.“
Wenn sich Max Staubinger aber jetzt - in einer Art „Franz-Josef Strauß“ Politik - gegen Beschlüsse seiner eigenen Partei stellt, läuft er Gefahr, dass er isoliert wird. Bekanntlich kümmerte sich der langjährige Chef der CSU, F.J. Strauss, seinerzeit nicht um Parteitagsbeschlüsse. Heute macht das Max Straubinger, wenn er mir gegenüber erklärt, dass es in allen Parteien "Gang und Gäbe" wäre, dass es keinen Zwang gibt, sich an Parteitagsbeschlüsse halten zu müssen. Nur m Rande sei bemerkt, dass er Gesundheitsminister Jens Spahn bei der Vorlegung des Gesetzesentwurfes brüskierte. Für Straubinger ist nur der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts maßgebend. Alles andere, so sagt er, würde gegen geltendes Recht verstoßen. Diese Auffassung ist aber falsch!!! Auch stellt er sich damit gegen den Antrag des Freistaat Bayern vom 18.12.2018 zur Halbierung der Doppelverbeitragung.
Natürlich hatte ich gegenüber Emmi Zeulner und ihren Mitarbeitern eine andere Vorstellung über die Gegenfinanzierung der Kosten von ca. 3 Milliarden Euro pro Jahr, wenn die Doppelverbeitragung abgeschafft wird. Ich finde es nur gerecht, wenn die Finanzierung der Abschaffung der Doppelverbeitragung in der Hauptsache von den Krankenkassen bezahlt wird und nicht vom Steuerzahler. Auch hat der Finanzminister dem Ziel der Abschaffung an keiner Stelle widersprochen, wie Frau Zeulner es glaubte darstellen zu müssen. Des Weiteren vertrat die Union die Auffassung, dass der Fehlbetrag vom Finanzminister beigesteuert werden sollte. Dann hätte ggf. die GKV ihren Beitragssatz um 0,3 Prozent anheben müssen.
Trotz dieser Differenzen haben wir den gegenseitigen Respekt bei unseren Gesprächen nicht außer Acht gelassen. Ja, ich muss den Damen Respekt zollen, dass sie sich in eine Materie eingearbeitet haben, die viele Tücken aufweist. Das gleiche gilt für die Mitarbeiter-/Innen von Sabine Dittmar, Ralf Kapschack, Carsten Linnemann und den anderen Mitglieder der am Projekt beteiligten Fachausschüsse. Ihnen drücke ich meine Hochachtung aus.
Wer aber gefällte Urteile ignoriert, die einen sehr spezifischen Sachverhalt betreffen, und durchaus Brisanz bergen, – und das nicht zu knapp, ist fehl am Platz. Ich denke nur an die ungeklärten Fragen der Entgeltumwandlung, der Aufklärungspflicht, des Schadenersatz und vor allem an das leidige Thema Beitragspflicht.
Und dass der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts keine Einbahnstraße ist, dürfte auch langjährigen Parlamentariern bekannt sein. In der Rechtsprechung gibt es viele Stellschrauben.
Auch wenn von Max Straubinger dieses leidige Thema als erledigt betrachtet wird, sollte er folgendes zur Kenntnis nehmen: „ Um das Vertrauen der Betroffenen in das System der Altersversorgung aus gesetzlicher, betrieblicher und privater Vorsorge zurückzugewinnen, bedarf es einer politischen Lösung.“ Die Betroffenen haben seinerzeit im Vertrauen auf die damalige Rechtslage dem Abschluss von Lebens-Versicherungsbeiträgen zugestimmt, sowie dem Abzug der entsprechenden Prämien von ihrem Bruttoentgelt.
Aus sozialrechtlicher Sicht bin ich der Meinung, dass der Gesetzgeber aufgrund der weiten Gestaltungsfreiheiten im Sozialrecht Möglichkeiten hat, eine Rechtsposition, die sich zum Nachteil der Versicherten auswirkt, zu ändern. Ob und im welchem Umfang Übergangsregeln notwendig sind, ergibt sich aus einer Abwägung des gesetzlichen Zwecks mit der Beeinträchtigung der Betroffenen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass dem Gesetzgeber ein erheblicher Spielraum zur Verfügung steht.
Ich empfehle auch den MdBs einen Blick auf das Urteil 4 Sa 852/17 des LAG – Hamm vom 06.12.2017 zu werfen. Selbst wenn hier noch eine Revision beim BAG unter dem Aktenzeichen 3 AZR 206/18 anhängig ist.
Man kann über die Förderung der kapitalgedeckten, freiwilligen Altersvorsorge unterschiedlicher Auffassung sein und über die Vor- und Nachteile von arbeitnehmerfinanzierter Entgeltumwandlung, Riester- oder Rürup Rente diskutieren. Grundsätzlich sollte der Staat aber die Anreize, die er zum Vertragsabschluss anbietet, im Sinne eines Bestands- und Vertrauensschutzes beibehalten, denn ansonsten fühlen sich die Vorsorgenden betrogen.
Angesichts des demografischen Wandels und des anhaltend niedrigen Zinsniveaus muss die Ausgestaltung der Altersvorsorge ohnehin auf eine zukunftssichere Basis gestellt werden. Dieser Punkt wurde auch im Koalitionsvertrag auf Bundesebene aufgegriffen. Im Rahmen der Reformbemühungen sollte eine einheitliche Ausgestaltung der betrieblichen Altersversorgung deshalb dringend herbeigeführt werden.
Wenn aber Max Straubinger mir mitteilt, dass ihn Parteitagsbeschlüsse, Ministervorlagen und ein Antrag des Freistaates Bayern nicht interessieren, muss er sich fragen lassen, ob er den letzten Schuss gehört hat? So ein Verhalten empört nicht nur die Betroffenen, es schadet auch der Union in ihrer Gesamtheit. Die Politik ist dabei, ihre Legitimation zu verlieren. Schlimmer noch, das Fundament unserer Demokratie hat nicht mehr zu übersehende Risse.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Gehring
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per E-Mail zugesandt
Mitglieder des Gesundheitsausschusses
Im Deutschen Bundestag 01. Juli 2019
Sehr geehrte Damen,
sehr geehrte Herren,
die Arroganz und die Kaltblütigkeit, wie der Abgeordnete Max Straubinger (CSU) die Betroffenen des Gesundheitsmodernisierungsgesetzes erneut abzuwaschen versucht, sehe ich mit großen Unverständnis. So wurden in jüngster Vergangenheit Urteile auch der Arbeitsgerichtsbarkeit gefällt, die bisher fachöffentlich kaum diskutiert worden sind, einen sehr spezifischen Sachverhalt betrifft, aber durchaus Brisanz birgt – und das nicht zu knapp. Seine Aussagen stellen auch die Glaubwürdigkeit der Schwesterpartei (CDU) in Frage, wenn ich mich an den Parteitagsbeschluss vom 08. Dezember 2018 erinnere.
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Es mag wie Hohn klingen, wenn der Ministerpräsident von Bayern, Dr. Marcus Söder, mit der Drucksache 645/18 am 18.12.2018 eine Entschließung des Bundesrates zur Änderung der Verbeitragung von Betriebsrenten in der GKV zur Steigerung der Attraktivität der betrieblichen Altersversorgung gefordert hat. Mit der in einer Sitzung am 12. April 2019 gefassten Entschließung der Bundesrats wurde die Bundesregierung aufgefordert, zu prüfen, wie die bisherige Praxis der Beitragserhebung in der Krankenversicherung beendet werden kann. Auch hier habe ich das Engagement von Herrn Straubinger vermisst. Wenn ich dann noch die „Schweigende Mehrheit“ in der CDU betrachte, muss ich mir die Frage stellen, wie verlässlich ist der Koalitionspartner?
Schon jetzt kann ich Herrn Straubinger versichern, dass das ein Thema für das sogenannte „Sommerloch“ sein wird. Schon jetzt arbeiten Experten an einer wirkungsvollen Veröffentlichung in den sozialen Medien. Es sei auch an die Aussage des FDP Parlamentariers Carl Ludwig Thiele vom 11. März 2004 erinnert, der einen Großteil der MdBs Unkenntnis zum Sachthema attestiert hat. Offenbar ist das bei Herrn Straubinger in Vergessenheit geraten. Heutzutage lassen sich die Rentner nicht mehr für dumm verkaufen.
Es ist sicherlich richtig, dass MdBs keine Rechtsauskünfte geben dürfen, aber das verlangt man auch nicht von Herren Straubinger. Er ist aus fachlicher Sicht ganz einfach eine Fehlbesetzung, wenn es um die Rechtsauslegung des § 229 Abs.1 SGB V geht.
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Angesichts der aktuell besseren Finanzlage gesetzlicher Krankenkassen und der demografischen Entwicklung kann ich die Argumente von Frau Emmi Zeulner nur unterstützen. Sie hat auf jeden Fall das Ziel des Gesetzgebers erkannt, Bürgerinnen und Bürger bei der privaten Altersvorsorge zu unterstützen und nicht übermäßig zu belasten.
Ich kann nur hoffen, dass Herr Brinkhaus seine Fraktion im Griff hat, wenn es um entscheidende Abstimmungen bei der Halbierung der Doppelverbeitragung geht. Eine zweite Fehlentscheidung kann sich diese Bundesregierung kein zweites Mal erlauben.
Mit freundlichen Grüßen
Horst Gehring
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