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EUGH: Sex ist wichtig auch für Frauen über 50

21.08.2017 - von EuGH

Die Versagung einer Entschädigung für eine fehlerhafte gynäkologische Operation verstößt im Falle einer 50-jährigen Portugiesin gegen das europäische Diskriminierungsverbot. Das stellte der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in einem Urteil fest (v. 25.07.2017, Az. 17484/15).

Volltext des Urteils: Link
Nach einer fehlerhaften gynäkologischen Operation (OP) im Mai 1995 litt eine Frau aus Portugal unter starken Schmerzen und klagte über Gefühlsverlust in der Vagina, Inkontinenz, Schwierigkeiten beim Stehen und Sitzen sowie beim Geschlechtsverkehr. Dies war auf eine Nervenverletzung durch die OP zurückzuführen. Aus diesem Grund verlangte sie vom Krankenhaus, in dem sie behandelt worden war, eine finanzielle Entschädigung.

In der ersten Instanz wurden ihr in Portugal 96.000 Euro zugesprochen, in der letzten Instanz wurde die Entschädigungvom Gericht auf 56.000 Euro reduziert. Als einen Grund dafür führte das Gericht an, die Einschränkung im Sexualleben durch die OP-Folgen sei nicht so gravierend. Die Klägerin sei bei der OP bereits 50 Jahre alt gewesen und sei ausserdem Mutter zweier Kinder. In ihrem Alter sei Sexualität nicht mehr so wichtig.

Die Frau klagte vor dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg wegen Diskriminierung wegen ihres Alters und ihres Geschlechts.

Der Gerichtshof in Straßburg entschied: Die portugiesischen Urteile sind eine Verletzung des Diskriminierungsverbotes aus Art. 14 und sie verstossen gegen den Schutz des Privat- und Familienlebens aus Art. 8 der EU-Grundrechte-Charta.

Das Alter und das Geschlecht der Klägerin hätten für die Entscheidung des portugiesischen Gerichts zu UNRECHT eine entscheidende Rolle gespielt. Die Entscheidung sei von der generellen Überzeugung getragen gewesen, dass Sexualität für eine Frau dieses Alters nicht so wichtig sei wie für eine jüngere Frau. Die portugiesischen Gerichte hätten damit die physische und psychische Wichtigkeit des Sexuallebens für eine Frau ab 50 ignoriert. Ausserdem: In zwei vergleichbaren Fällen aus 2008 und 2014, die aber portugiesische Männer betrafen, habe die portugiesische Justiz anders entschieden.

Der EGMR sprach der Klägerin für die doppelte Diskriminierung eine Entschädigung zu. 3.250 Euro muss der Staat Portugal an sie als Ersatz für nicht-monetäre Schäden zahlen, dazu kommen 2.460 Euro für Prozesskosten.