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Sparkassen + Bankfilialen verschwinden aus den Wohnquartieren

08.02.2017 - von Gerd Feller

Was Gert Feller in der neuen Ausgabe der Zeitschrift "Durchblick", die von der Bremer Landesseniorenvertretung in deutscher und türkischer Sprache herausgegeben wird, für die Stadt Bremen beschreibt, läßt sich mühelos auf andere städtische Quartiere übertragen.

"Seit Mitte Januar 2017 ist die Filiale der Sparkasse an der Kopernikusstraße im Leherfeld geschlossen. Damit verliert das
dortige ehemalige kleine Einkaufszentrum für die Menschen dieses Ortsteils ein weiteres Versorgungsglied für den wöchentlichen
und täglichen Bedarf. Vielleicht nimmt die jüngere Bevölkerung diesen Schritt der Sparkassenleitung gelassen hin. Für die
Älteren sind aber damit erhebliche zusätzliche Mühen verbunden.
Bisher betrug die äußerste Reichweite ca. 500 m. Jetzt verlängert sich für viele Kunden die durchschnittliche Wegstrecke, man muss die Noch-Filialen in Borgfeld, (ca. 2 km), an der Wilhelm-Röntgen-
Straße (1,5 km), an der Apfelallee (1,5 km), in Oberneuland (ca.3,5 km) oder an der Horner Kirche (ca. 3 km) aufsuchen. Wem im
Alter das Gehen schwer fällt, wer auf Gehhilfen (Stock oder Rollator) und Rollstuhl angewiesen ist, kein Fahrrad oder Auto mehr fahren kann und wegen geringen Haushaltsgeldes auf das Taxifahren und möglichst auch auf die Nutzung des ÖPNV verzichten muss, für den wird der Weg zur nächsten Sparkassenfiliale eine ziemliche Belastung. Eine etwas erträglichere Lösung wäre wohl gewesen, eine der beiden dicht beieinander liegenden Filialen Wilhelm-Röntgen-Straße oder Apfelallee zu schließen.

Nun hat man sich zwar entschlossen, den Automatenraum an der Kopernikusstraße zu erhalten, aber damit ist vielen Älteren wenig gedient. Naturgemäß wächst im Alter die Skepsis gegenüber der Technik, vor allem, wenn sich Neuerungen anbieten. Wie oft muss man erleben, dass ältere Bankkunden das Personal bitten, Ihnen an
den Automaten zu helfen! Aber diese Hilfe fehlt in Zukunft. Und wenn in Automatenräumen auch keine Sitzmöglichkeiten vorhanden sind und es zusätzlich noch übel riecht, dann wird die Lage ziemlich prekär, besonders während der ersten und letzten
Monatstage mit dem üblich größeren Andrang der Automatennutzer. Das sind leider keine Horrorvisionen, sondern häufige Erlebnisse bei Bankbesuchen, u.a. auch bei der Sparkasse.

Man sollte auch nicht vergessen, dass man bestimmte alltägliche
Aktionen bei der Sparkasse nicht am Automaten erledigen kann, z.B. Einzahlungen aufs Sparbuch, Überweisungen vom Sparbuch aufs Girokonto oder Barabhebungen vom Sparbuch. Der Hinweis auf online-banking nützt älteren Menschen wenig. Viele meiden diese moderne Selbstbedienung per Internet, weil sie aufgrund vieler Pressemeldungen sehr misstrauisch sind aus Sorge um die Sicherheit ihrer Bankdaten oder weil sie mit dem Gedächtnis Schwierigkeiten haben und das Programm nicht sicher beherrschen.

Ebenso nützt der Hinweis wenig, dass die Sparkasse großzügigerweise Finanzbetreuer in die Altenheime schickt, die den
Bewohnern bei Abwicklung von Geldgeschäften helfen. Wer dem politischen Aufruf folgt, im Alter möglichst lange in den eigenen
vier Wänden zu verweilen, hat von diesem Angebot gar nichts.

Man sollte eigentlich auf den Abbau der Dienstleistungen der Bremer Sparkasse mit einem Bankwechsel reagieren. Aber
wohin? Kundenfreundlichkeit ist anscheinend allen Banken verloren gegangen. Im Umkreis des Stadtteils Horn-Lehe gibt es kaum noch Konkurrenten, zu denen man aus Standortgründen wechseln könnte. Alle Geldinstitute schließen nach und nach Filialen aus ökonomischen Überlegungen und muten den betroffenen Kunden zusätzliche Mühen zu. Die Sparkasse gehörte bisher zu den Wenigen, die vorsichtiger damit umgingen. Das scheint vorbei zu sein. Man
arbeitet zwar gewinnträchtig mit dem Geld der Sparer, die jedoch mit Billigung der Politik nur lächerlich geringe Zinsen erhalten
und mit hohen Gebühren und eventuell auch noch mit Negativzinsen eingedeckt werden.

Das ist aber noch nicht genug. Kundenfreundliche Standortwahlen fallen anscheinend dem blinden Vertrauen auf moderne Informations- und Kommunikationssysteme zum Opfer. Ich denke allein mal daran, was sich in den Automatenräumen abspielen könnte, wenn technisches Versagen der Geräte eintritt. Ich habe das bereits mehrmals in einer Bankfiliale erlebt. Loriot hätte seine Freude daran, die betroffenen Bankkunden sicher nicht. Mit einem sozialen Engagement, das die Sparkasse immer noch werbend für sich in Anspruch nimmt, hat das alles wenig zu tun.

Die Bremer Seniorenvertretung hat bereits 2009 über Filialschließungen mit der Sparkasse verhandelt, zuletzt vor etwa
einem Jahr. Da deutete sich schon die Schließung des Standorts Kopernikusstraße an. Es wurde angekündigt, man treffe sich am 6.Dezember 2016 zu einem weiteren Austausch mit der Seniorenvertretung. Dieser Termin wurde von der Sparkasse
ausgesetzt, weil man „zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nichts substanziell Neues zur Weiterentwicklung unserer Filialen berichten“ (Schreiben v. 24.11.2016) könnte. Da stand jedoch die Schließung der Filiale Kopernikusstraße schon endgültig fest.
Kunden, die dort noch ein Leistungsangebot nutzen wollten (z.B. Einrichtung eines Schließfaches), wurden bereits auf die Schließung der Filiale hingewiesen.

Die Sparkasse verweist in ihrem o.a. Schreiben darauf, dass sie gemeinwohlorientiert arbeite. Eine gewisse Rücksichtnahme auf die wachsende Zahl älterer Menschen in den Wohnquartieren gehört anscheinend nicht dazu. Wenn die Sparkasse davon spricht, es gehe ihr um ein profundes, nachhaltiges und zukunftsorientiertes Filialkonzept, dann sollte sie nicht übersehen, dass 2030 bereits 34,6% der Bevölkerung älter als 60 Jahre sind. Diese werden gewiss nicht überwiegend in Alten- und Pflegeheimen wohnen, sondern in ihren Wohnquartieren, und sie haben einen Anspruch darauf, dort mit den wöchentlichen und alltäglichen Bedarfsgütern und Dienstleistungen versorgt zu werden. Die Sparkasse bezeichnet sich als „die beste Bank“, aber die beste Bank ist dann diejenige, die hinsichtlich der Kundschaft eine altersorientierte Standortwahl trifft.

Quelle: Dirchblick, Februar 2017