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KFZ-Versicherungen: Die Abzocke geht weiter

Westwood, Caifornien 1974 Foto: H.S.

29.09.2015 - von Hanne Schweitzer

Versicherungen gehören zu den größten Altersdiskriminierern im Lande. Verwunderlich ist das nicht. Zum einen gibt es rund 44 Millionen Pkw die versichert werden MÜSSEN, zum anderen geben 110 Abgeordnete des Bundestags an, unselbstständig für Versicherungen, Sparkassen oder Freie Dienstleister gearbeitet zu haben. 47 Abgeordnete sagen, ihre Tätigkeit für Versicherungen, Sparkassen oder Freie Dienstleister hätten sie als Selbstständige ausgeübt. Macht zusammen 157 Abgeordnete, die wohl mehr die Interessen der Assekuranz im Blick haben, als die Interessen der Versicherten. An einer Verbesserung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes im Sinne der KFZ-Versicherten dürften sie deshalb auch eher nicht interessiert sein.

Das Lebensalter der Versicherten spielt bei der Prämienberechnung eine große Rolle. Wer die Älteren zur Kasse bittet macht Gewinn. Immerhin sind zur Zeit 14 Millionen AutofahrerInnen über 65. Das Tarifmerkmal Alter macht es möglich. Wer das falsche Alter hat, zahlt mehr. Begründet werden die höheren Prämien für Ältere von den Versicherungen damit, dass das ältere Menschen ein höheres Risiko darstellen.

Was zu beweisen wäre. Wird es aber nicht. Risikoadäquate Kalkulationen der Unternehmen fehlen, versicherungsmathematisch ermittelte Risikobewertungen werden nicht veröffentlicht und die statistischen Erhebungen der Aufsichtsbehörde Bafin sind ein undurchsichtig. Die „Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (Bafin)“ veröffentlicht alle drei Jahre die „Jahresgemeinschaftsstatistik über den Schadenverlauf in der KFZ-Haftpflichtversicherung“. Zur Lieferung der dafür erforderlichen Daten sind alle KFZ-Versicherungen mit Sitz im Inland verpflichtet. Bemerkenswert ist, dass die Auswertung der Datensätze nicht von der Bafin, sondern vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft höchstpersönlich durchgeführt wird. Das ist so, als ob das Gesundheitsamt als Aufsichtsbehörde den Gaststättenverband damit beauftragt, die Reinlichkeit von Restaurants zu überprüfen.

Junge und Alte gelten als schlechtes Risiko
Junge Leute bis 25 gelten, so wie die über 60Jährigen bei den KFZ-Versicherungen als schlechtes Risiko. Mitunter wird das sogar in den Tarifbestimmungen oder Kundeninformationen begründet, aber weder einleuchtend noch überzeugend.

Bei der „HUK“ heißt es: „Wir wenden die allgemeinen Bedingungen der Versicherungsmathematik und Versicherungstechnik an.“ Welche das sind, erfährt man nicht. Bei der R+V Versicherung fühlt man sich „berechtigt und verpflichtet, einmal jährlich die Tarifbeiträge für bestehende Verträge unter Beachtung der anerkannten Grundsätze der Versicherungsmathematik und der Versicherungstechnik neu zu kalkulieren". Bei der DEVK formuliert man so: „Der Beitrag wird (…) während der Vertragslaufzeit an das veränderte Lebensalter gemäß der im Beitragsteil enthaltenen Altersstaffel angepasst.“ In den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung ist dazu nichts Konkretes zu finden. Dafür aber das Angebot, sich für 10 €uro den gesamten Tarif zusenden zu lassen!

In der Begründung des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes wird der Sachverhalt so erklärt: ´Alter` könne bei der Prämienhöhe oder bei der Entscheidung über einen Vertragsabschluss durchaus als Risikomerkmal berücksichtigt werden. Es gehe darum, die Kunden - auch in ihrem eigenen Interesse - vor Willkür zu schützen und nicht etwa darum, eine Differenzierung der Kunden nach ´Alter´ unmöglich zu machen".

Die „Jahresgemeinschaftsstatistik über den Schadenverlauf in der KFZ-Haftpflichtversicherung“
Die von der Bafin veröffentlichten Datensätze lassen sich kaum miteinander vergleichen. Das liegt an der willkürlichen Einteilung der Altersgruppen.
Die erste Altersgruppe – man glaubt es kaum, heißt „unbekannt“. Unrichtige Altersangaben, o.k., darüber gibt es im Versicherungsvertragsgesetz sogar einen eigenen Paragrafen, aber überhaupt keine Altersangabe? Wer hätte gedacht, dass so etwas beim Abschluss einer KFZ-Versicherung möglich ist!
Auf die Altersgruppe ´unbekannt` folgt die Altersgruppe 17 bis 18 Jahre. Danach werden die Jahrgänge der 19- und der 20Jährigen aufgeführt. Es folgen die Altersgruppen 21 bis 22 Jahre, 23 bis 24 Jahre und 25 bis 26 Jahre. In der nächsten Gruppe sind die Schäden von gleich 14 Jahrgängen zusammengefasst, sie reicht vom 27. bis zum 41. Lebensjahr.
Gleich 20 Jahrgänge werden in der nächsten Rubrik, der Altersgruppe der 42- bis 62Jährigen in einen Topf geworfen. Ab dem 62. Lebensjahr nimmt die Differenzierung wieder zu. Gebündelt werden die Jahrgänge der 63- bis 67.Jährigen, der 68- bis 70.Jährigen, der 71- bis 72.Jährigen, der 73- bis 74 Jährigen, der 75- bis 76 Jährigen, der 77- bis 78Jährigen und der 79- bis 81Jährigen. Die letzte Gruppe in der Altersstatistik heißt „82 Jahre und mehr“.
Was die Altersgruppeneinteilung suggerieren soll, ist klar: Die unter 26Jährigen und die über 62Jährigen sind ein großes Risiko, sie verursachen viele Schäden, und müssen deshalb mehr bezahlen.

Lebensalter und Schadenhäufigkeit
Laut Jahresgemeinschaftsstatistik 2012 verhält es sich mit der Schadenhäufigkeit auf 1.000 KFZ wie folgt:
unbekannt: 86 Schäden
17-18 Jahre: 127 Schäden
19 Jahre: 118 Schäden
20 Jahre: 105 Schäden
21 - 22 Jahre 92 Schäden
23 - 24 Jahre 75 Schäden
25 - 26 Jahre 79 Schäden
27 - 41 Jahre 61 Schäden
42 - 62 Jahre 52 Schäden
63 - 67 Jahre 54 Schäden
68 - 70 Jahre 59 Schäden
71 - 72 Jahre 62 Schäden
73 - 74 Jahre 67 Schäden
75 - 76 Jahre 73 Schäden
77 - 78 Jahre 79 Schäden
79 - 81 Jahre 84 Schäden
82 Jahre und mehr 98 Schäden

Die Altersgruppe "unbekannt" verursacht also mehr Schäden als die 79 - 81 Jährigen. Die 42 - 62 Jährigen, immerhin 20 Jahrgänge, verursachen die wenigsten Schäden von allen Altersgruppen und ALLE über 62Jährigen haben eine niedrigere Schadenanzahl pro 1.000 KFZ als die die 17 - 20 Jährigen.

Lebensalter und Schadenaufwand
Mehr als eine Milliarde Euro an Schadenaufwand sollen im Jahr 2012 die Altersgruppen "unbekannt", die 27 - 41Jährigen und die 42 - 62Jährigen verursacht haben.
Bei den 63 - 67Jährigen weist die Statistik einen Schadenaufwand von 377 Millionen aus, bei den 68 - 70Jährigen einen von 250 Millionen, bei den 71 bis 72Jährigen einen von 201 Millionen, bei den 73 -74Jährigen einen von 177 Millionen, bei den 75 -76Jährigen einen von 158 Millionen.
Für die KFZ der über 82 Jährigen wird ein Schadenaufwand von 187 Millionen angegeben und damit weniger, als für die 19Jährigen, deren Schadenaufwand bei 188 Millionen liegen soll. Verblüffend. Und unvergleichbar. Denn die Anzahl der in der jeweiligen Altersgruppe vorhandenden Fahrzeuge unterscheidet sich selbstverständlich auch.

Laut Bafin-Statistik verursachen AutofahrerInnen im Alter zwischen 27 und 76 Jahren von allen Altersgruppen die wenigsten Unfälle. Und der Schadenaufwand bei allen über 77Jährigen ist sogar niedriger als bei den FahrerInnen, deren Alter von "unbekannt" bis 62 Jahre reicht.

Warum also zahlen ältere AutofahrerInnen fast jedes Jahr mehr für ihre KFZ-Versicherungen? Und warum gibt es der ADAC auf Anfrage sogar schriftlich, dass auch er leider den "Alterszuschlag" erheben muss?

Die Assekuranz benutzt das Lebensalter ungeniert als zusätzliche Einnahemquelle. Daran wird sich solange nichts ändern, bis den Versicherungen ein Verbot der Altersdiskriminerung auferlegt wird oder bis die Versicherten jedes Jahr auf`s Neue konsewuent bereit sind, sich eine preiswertere Versicherung zu suchen..

Link: ADAC: Altersgrenze für KFZ-Versicherungstarif
Quelle: Mail an die Redaktion