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Wien: Uns reichts: Erhöhung des Arbeitslosengeldes und ökosoziale Wende!

19.09.2020

Demonstration "Uns reicht´s: für eine gerechte Verteilung der öffentlichen Gelder!"
Samstag, 19. September 2020
Treffpunkt: 14 Uhr, Christian Broda Platz (Westbahnhof Wien), anschließend Demonstration zum Heldenplatz

Die Regierung will die Arbeitslosen mit einer einmaligen Zahlung von 450 Euro abspeisen. Wir fordern dagegen eine dauerhafte Anhebung des Arbeitslosengeldes auf 80% und der Notstandshilfe auf 75% des Letzteinkommens. Die Erhöhung des Arbeitslosengeldes und der Einstieg in eine ökosoziale Wende sind wichtige Forderungen, für die ein breites Bündnis aufruft, am 19. September in Wien auf die Straße zu gehen (Treffpunkt 14h, Chr. Broda-Platz, Westbahnhof).

Fast sieben Arbeitslose stellen sich um eine offene Stelle an

„Wer arbeiten will, bekommt eine Arbeit“, dieser Spruch war schon immer falsch. Jetzt mitten in der Pandemie der Arbeitslosigkeit ist er besonders absurd und zynisch. Auch vier Monate nach Beendigung des Lockdowns haben wir immer noch eine historisch hohe Arbeitslosigkeit: Ende August 2020 waren rd. 423.000 Menschen arbeitslos, rund 28% mehr als im August des Vorjahres. Fast sieben Arbeitslose stellen sich derzeit um eine offene Stelle an. Gleichzeitig sind noch immer über 452.000 Menschen in Kurzarbeit. Viele Betriebe werden im Herbst wohl nicht mehr öffnen, sodass bald mit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit zu rechnen ist.

Höheres Arbeitslosengeld gegen Massenarmut

In Österreich ist das Arbeitslosengeld mit 55% Nettoersatzrate auch im internationalen Vergleich sehr niedrig. Die Menschen verlieren in der Arbeitslosigkeit fast die Hälfte ihres Einkommens, Fixkosten für Wohnen, Lebensmittel usw. laufen aber unvermindert weiter. Schon 2017/2018, als die Arbeitslosigkeit deutlich niedriger war, gaben in einer Umfrage der Arbeiterkammer fast die Hälfte der ArbeitnehmerInnen an, dass sie „mit ihrem Einkommen kaum zurecht kommen.“ (1). Jetzt droht vielen der Absturz in die Armut. Selbst AMS-Vorstand Dr. Herbert Buchinger spricht sich für eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes aus: „Die niedrige Rate von 55 Prozent in Österreich stammt aus einer Zeit der Vollbeschäftigung, als Menschen nur sehr kurz arbeitslos waren. Für längere Phasen der Arbeitslosigkeit ist der Satz zu niedrig.“ (2)

Dazu kommt: Viele, die jetzt arbeitslos geworden sind, haben in Branchen gearbeitet, in denen die Menschen für harte Arbeit wenig verdienen: Tourismus, Gastronomie usw. 55% von ohnehin wenig ist dann viel zu wenig, um über die Runden zu kommen. Frauen trifft es besonders hart: 85% der „Corona-Arbeitslosen“ sind weiblich.

Rund 42 % jener Menschen, die die Sozialhilfe als Ergänzung zu anderen Einkommen beziehen, sogenannte AufstockerInnen, erhalten eine Leistung des AMS. Der Sozialhilfebezug ist jedoch an sehr strenge Vorgaben geknüpft. Vermögen und Erspartes sind bis zu einem geringen Grenzbetrag zu verwerten, bevor Leistungen bezogen werden können. Gerade das bewirkt vielfach eine Abwärtsspirale und ein Abgleiten in eine sich nachhaltig verfestigende Armut – auch später im Alter, weil dadurch der Pensionsanspruch gesenkt wird. Das Leistungsniveau der Sozialhilfe, das für Einzelpersonen ca. 917 Euro beträgt, liegt zudem deutlich unter der für Österreich gelten Armutsschwelle von 1.259 Euro.

… für die Stärkung der wirtschaftlichen Nachfrage

Nach dem Angebotsschock des Lockdowns droht nun eine langanhaltende Nachfragekrise. Eine deutliche Anhebung von Arbeitslosengeld und Notstandshilfe hilft daher auch den Unternehmen, denn gerade Menschen mit geringem Einkommen geben jeden zusätzlichen Euro sofort wieder aus. Das stabilisiert die Nachfrage, unterstützt die Konjunktur und wirkt damit einem weiteren Anstieg der Arbeitslosigkeit entgegen.

… für die Bekämpfung von Billiglohnsektoren

Je höher die Arbeitslosigkeit und je niedriger das Arbeitslosengeld, desto mehr sind die Menschen gezwungen, auch miserabel bezahlte Jobs anzunehmen. Eine Erhöhung des Arbeitslosengeldes hilft daher nicht nur den unmittelbar Betroffenen, es schützt auch die Beschäftigten vor weiterem Lohndumping. Bundeskanzler Kurz – ganz seinen Spendern im Wort – will die Krise offensichtlich nutzen, um den Niedriglohnsektor auszuweiten: „Es muss nach wie vor attraktiv sein, arbeiten zu gehen, gerade in niedrig qualifizierten Bereichen – von den Erntehelfern bis zu gewissen Jobs im Tourismus.“ (3) Erntehelfer verdienen etwa 3,80 Euro in der Stunde. Der Kanzler weiß sich damit eines Sinnes mit Industriellenvereinigung und EU-Kommission, denen die in Österreich nach wie vor hohe Kollektivvertragsabdeckung ein Dorn im Auge ist.

Einmalzahlung ist Augenauswischerei

Die Einmalzahlung von 450 Euro ist eine Augenauswischerei. Sie ist unzureichend und hilft nicht nachhaltig. Dazu kommt: Anspruchsberechtigt sind nur jene, die zwischen Mai und August zumindest 60 Tage lang arbeitslos waren. Wer also am 1. August seinen Job verloren hat, schaut durch die Finger. Personen, die im Mai arbeitslos geworden sind und z.B. über die Sommermonate gearbeitet haben und nun wieder auf Arbeitssuche sind, bekommen auch nichts. Alle, die erst jetzt im Zuge der Wirtschaftskrise ihren Job verlieren, gehen leer aus, wie zum Beispiel die 350 ATB-MitarbeiterInnen.
Degressives Arbeitslosengeld – eine gefährliche Idee

Gefährlich ist auch die von Vizekanzler Kogler in Umlauf gebrachte Idee eines degressiven Arbeitslosengeldes, das zwar zunächst höher ist, aber mit der Länge der Arbeitslosigkeit immer weniger wird. Diese Idee stammt aus der Giftküche des türkis-blauen Regierungsprogramms, um Hartz 4-Verhältnisse auch in Österreich einzuführen. Langzeitarbeitslose sollen besonders unter Druck gesetzt, um sie zur Annahme von Billiglohnjobs zu zwingen. Zu Recht sind auch die grün-alternativen GewerkschafterInnen diesem unsozialen Vorstoß des grünen Vizekanzlers entschieden entgegengetreten.
Soforthilfe für die Betroffenen – Einstieg in ökosoziale Wende!

Statt Arbeitslose zu bekämpfen, muss die Arbeitslosigkeit bekämpft werden. Dafür brauchen wir Soforthilfe für diejenigen, die derzeit am meisten betroffen sind, und den Einstieg in eine ökosoziale Wende. Dafür müssen wir aus dem durch EU-Verträge und -Verordnungen geschnürten Austeritätskorsett ausbrechen. Gehen wir dafür am 19. September in Wien lautstark auf die Straße! Und beraten wir am 17. Oktober darüber, welche Schritte wir als nächstes setzen, um den Druck auf die Regierung zu erhöhen.

Anmerkungen:
(1) Österreichischer Arbeitklimaindex der AK OÖ, 2017
(2) Quelle: Link
(3) Bundeskanzler Sebastian Kurz, in: ZIB 2, 15.6.2020

Quelle: Werkstatt Solidarität