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Altersdiskriminierung an der Universität Bremen

Foto: H.S.

30.12.2018 - von S.V.

An der Uni Bremen hatte ich mich (57 Jahre) zum Wintersemester 2018/19 für die zulassungsfreien Fächer Releigionswissenschaften und Geschichte eingeschrieben. Nachdem mir der Platz zugesichert wurde und ich fristgerecht alle erforderlichen Unterlagen sowie - ganz wichtig - den Semesterbeitrag in Höhe von bummelig 350 Euro überwiesen hatte, hörte ich bis zum Studienbeginn am 15. Oktober 2018 nichts. Als ich am 15.10.2018 telefonisch im Studentensekretariat nachhakte, erfuhr ich, dass ich noch eine "Strafgebühr" (meine Worte) in Höhe von 500 Euro pro Semester zu zahlen habe. Das gelte kategorisch für alle Personen,die das 55. Lebensjahr vollendet haben. Nix mit Semesterkontingent von 14 Semestern für Langzeitstudierende. (Ich hatte bereits von 1983 bis 1986 sechs Semster an der Uni Hamburg studiert. Mein Studium aber wg. Schwangerschaft bzw. fehlender Professoren, die meine Magisterarbeit hätten betreuen müssen, abgebrochen.)

Als ich aktuell an der Uni Bremen Widerspruch wg. Verstoß gegen das AGG einlegen wollte, bekam ich von Dr. Heide Ahrens, Senatsdirektorin Freie Hansestadt Bremen für den Bereich Wissenschaft folgende Antwort:

Nach § 5 Satz 1 in Verbindung mit § 2 Absatz 5 Studienkontengesetz erheben die Hochschulen in Bremen Studiengebühren für ordentliche Studierende, die das 55. Lebensjahr überschritten haben, Studiengebühren in Höhe von 500 € pro Semester. Dies stellt aus unserer Sicht jedoch keinen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz dar. Eine Ungleichbehandlung liegt nur vor, wenn Gleiches willkürlich ungleich und Ungleiches willkürlich gleich behandelt wird.
Die vorgenommene Unterscheidung zwischen der Gruppe der Studierenden im Erst- oder Aufbaustudium, deren Ziel der Erwerb eines ersten berufsqualifizierenden Abschlusses ist, und der Gruppe der „Seniorenstudierenden“ ist jedoch durch sachliche Gründe gerechtfertigt. Denn mit den im Studienkontengesetz vorgesehenen Gebührenregelungen werden legitime Ziele des Gemeinwohls verfolgt. Das Land Bremen hat ein Interesse daran, die Bildung und Ausbildung junger Menschen bis zu einem ersten berufsqualifizierenden Abschluss zu unterstützen. Es ist daher erklärtes sozial- und bildungspolitisches Ziel, ein gebührenfreies Erststudium für junge Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten zu ermöglichen. Der Zugang zu einem Hochschulstudium soll nicht durch Studiengebühren erschwert werden. Man hat sich daher mit den Regelungen des Studienkontengesetzes bewusst dafür entschieden, Studiengebühren, deren grundsätzliche Erhebung nicht verfassungswidrig ist (BVerfG-Beschluss v. 08.05.2013), für diese Gruppe der Studierenden in einem bestimmten zeitlichen Rahmen nicht zu erheben. Der gesellschaftliche Nutzen des Studiums besteht darin, dass die durch ein Studium erworbene wissenschaftliche Qualifikation im anschließenden Berufsleben eine wichtige Rolle spielt und damit der Allgemeinheit zugutekommt. Wo dieser gesellschaftliche Nutzen aber nicht oder nur in geringerem Umfang besteht, entfällt die Rechtfertigung, von der Erhebung einer Gebühr für die Inanspruchnahme einer staatlichen Hochschule abzusehen.
Damit wird freilich nicht in Abrede gestellt, dass Studierende auch nach dem 55.Lebensjahr durch den erfolgreichem Abschluss des Studiums eine zusätzliche Qualifikation erhalten. Der Unterschied ist jedoch, dass die nach Beendigung eines solchen Studiums zu erwartende Berufsphase im Vergleich zur voraussichtlichen Dauer des Berufslebens junger Absolvent(inn)en deutlich kürzer ausfällt. Demzufolge wird die Gebührenfreiheit unter Berücksichtigung der nur begrenzten finanziellen Mittel in den öffentlichen Haushalten nur für Studierende im Erst-oder Aufbaustudium als gerechtfertigt angesehen.
Ich bedauere, Ihnen keine günstigeren Bescheid geben zu können.
Mit freundlichen Grüßen
Heide Ahrens


Ich würde gerne dagegen klagen. Doch drei Anwälte, die ich diesbezüglich kontaktiert hatte, haben mir wenig Hoffnung auf Erfolg gemacht. Ich sagte, ich würde gerne einen Präzedenzfall daraus machen - aber, so der O-Ton des Anwalts: Kann man versuchen, Erfolsgaussichten gering und die Kosten wären nicht über den Streitwert von 500 Euro gedeckt. ich müsste dann mit normalen Rechtsanwaltskosten von 200 Euro pro Stunde rechnen.
Ich scheue tatsächlich die Kosten. Ich bin freiberufliche Journalistin und gehöre damit zu den Tagelöhnern in diesem Land. Übrigens: Das Arbeitsamt wird auch nicht mehr in mich bezüglich Umschulung, Weiterbildung etc. investieren wollen. Das haben sie mir durch die Blume zu verstehen gegeben. Mich würden dann sinnentleerte "Beschäftigungsmaßnahmen" wie Bewerbungstraining, Social media Kurse u.ä. erwarten und anschließend dasselbe nochmal, sollte ich in ALG II landen. Aber das ist ein anderes Kapitel...

Quelle: Mail an die Redaktion