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Erfurt: 100 JAHRE 8-STUNDEN-TAG

27.10.2018

Zeit ist das mit Abstand am häufigsten gebrauchte Substantiv der deutschen Sprache, Ausdruck der Dynamik, mit der Zeitthemen für uns existenziell wichtig geworden sind. Für uns als lohnabhängig arbeitende Menschen geht es um Lebenszeit, für die Eigentümer der Fabriken, die von der Ausbeutung der menschlichen Arbeitskraft leben, um Arbeitszeit: je länger die Arbeitszeit, desto höher der Profit.

Vor 100 Jahren wurde im Ergebnis der unvollendeten Novemberrevolution der 8-Stunden-Tag zum allgemeinen gesetzlichen Standard erhoben. Neben anderen Zugeständnissen an die Arbeiterbewegung wie der Anerkennung von gewählten Betriebsräten, machten Arbeitgeber und konservative Politiker von Kirche und Kapital dieses eine „Zugeständnis“, um – aus ihrer Sicht – Schlimmeres, nämlich sozialistische Bestrebungen, zu unterbinden. Schon wenige Jahre später fühlten die reaktionären Kräfte sich so stark, den 8-Stunden-Tag wieder anzugreifen und eine Verlängerung der üblichen Arbeitszeiten durchzusetzen. Vollends gelang das jedoch erst nach der Machtübergabe an die Faschisten. Nach 1945 folgten in den 1960er Jahren die 40-Stunden-Woche beziehungsweise die 5-Tage-Woche und in den 1990er Jahren für einige Wirtschaftsbereiche die 35-Stunden-Woche. Anders als der 8-Stunden-Tag wurden die weiteren Verkürzungen der regelmäßigen Arbeitszeit aber nicht als Gesetze verabschiedet, sondern „nur“ tariflich erkämpft. Nun leben wir in einer Zeit, in der wieder heftig um die Dauer der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeit wie um die Lebensarbeitszeit gekämpft wird, gekämpft werden muss! Wer diesem Kampf ausweichen will, hat ihn schon verloren.

Die Arbeitgeber und ihre politischen Vollstrecker haben zum Generalangriff geblasen: Der 8-Stunden-Tag muss weg! Die 40-Stunden-Woche muss weg! Und die Lebensarbeitszeit muss verlängert werden – so die Lautsprecher der Unternehmer in Wissenschaft und Politik einhellig. Als Arbeitsministerin hat Andrea Nahles in der Großen Koalition den Plan von „Experimentier-Räumen“ mit der Möglichkeit der Verlängerung der täglichen Arbeitszeit und der Verkürzung von Pausen und der Zeit zwischen zwei Arbeitstagen auf den Weg gebracht. Die dünne Argumentation, „die Digitalisierung erfordere dies“, hat als Begründung ausgereicht. Die schwarz-braune Koalition in Österreich hat beschlossen, die gesetzliche Höchstarbeitszeit auf 12 Stunden täglich und 60 Stunden wöchentlich anzuheben. „Flexibilisierung und Entkriminalisierung der täglichen Arbeitszeithöchstgrenze bei freiwilliger Gleitzeit auf 12 Stunden“, lautet die Begründung. ...

In dieser Gemengelage findet am 27. Oktober in Erfurt eine Feier zum 100. Geburtstag des 8-Stunden-Tages statt – ausgerichtet von der attac AG ArbeitFairTeilen. Dabei wird es nicht nur um die Abwehr von Angriffen auf den 8-Stunden-Tag gehen, sondern um den längst fälligen nächsten Schritt der Arbeitszeitverkürzung: Der 6-Stunden-Tag beziehungsweise die 4-Tage-Woche für alle steht auf der Tagesordnung. Angesichts der Produktivitätsentwicklung einerseits, des geringeren Wachstums andererseits ist eine solche Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit möglich und erforderlich – mit vollem Lohnausgleich selbstverständlich, leben wir doch in einem der reichsten Länder der Welt.

Wer an der Festveranstaltung zum 100. Jahrestag des 8-Stunden-Tages in Erfurt teilnehmen möchte, wendet sich an den Autor dieses Textes: Stephan(at)krullonline.de

Mehr beim attac-netzwerk unter: Link/startseite/