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Erfolgreiche Geschäftsfrau: Zu alt um Ladenlokal anzumieten

Foto: H.S.

17.06.2018 - von Hanne Schweitzer

An sechs Tagen in der Woche steht Elke Krimme in ihrem florierenden Laden für Damenmode in Hagen. Es ist Samstagnachmittag, 14.00 Uhr, draussen gefühlte 40 Grad, aber die Kundinnen kommen und kaufen. Wenn etwas fehlt, fährt die gestandene Geschäftsfrau auch am Sonntag nach Düsseldorf, um neue Ware einzukaufen: „Seit 55 Jahren gehe ich arbeiten, ich war noch nie krank. Meine Beratung ist so gut, dass ich in all den Jahren erst drei Rückläufe hatte. Ich produziere meine eigene Kollektion für Patienten mit Lymphödemen, und ich ändere den Kunden die Ware - kostenlos.“

Vor zwei Monaten geht Frau Krimme ins Volme-Centrum in der Fußgängerzone von Hagen, um ihren Lottoschein abzugeben. Sie wundert sich. Der zunehmende Leerstand im Einkaufszentraum ist nicht zu übersehen. Was, wenn sie hier einen Laden anmieten würde? Noch mal so richtig durchstarten! mit 3 D-Animationen, Modenschauen, einem größeren Angebot, das würde ihr gefallen.

Sie kommt mit dem Center-Manager, Thomas Eggert, ins Gespräch. Am 9. April erhält sie ein detailliertes Angebot für ein Ladenlokal von 81 Quadratmetern im 1. Stock. Die Miete von 2.110 Euro plus Mehrwertsteuer ist bezahlbar, über den Fußbodenbelag wird man sich einigen, der Vertrag soll über fünf Jahre laufen und im Juni kann sie rein. Sie kündigt ihren Laden in der Hochstraße .

Doch es zieht sich mit dem Vertrag. Frau Krimme hat das unbestimmte Gefühl, dass ihre 71 Jahre bei der Anmietung des Ladenlokals eine Rolle spielen könnten. Sie bringt ihr Alter selbst ins Gespräch. „Was ist, wenn ich den Löffel abgebe?“, fragt sie. „Dann haben wir Pech gehabt. Aber das ist unser Risiko als Vermieter. Wir werden das schon durchboxen bei unserer Zentrale in Frankfurt, das sind die Besitzer", beruhigt man sie, „wir können sie uns gut als Mieterin vorstellen.“

Zwei Monate lang wird sie hingehalten. Das Management der Savills Fundmanagement GmbH* in Frankfurt vereinbart zwei Termine mit Frau Krimme. Aber keiner lässt sich blicken, niemand sagt die Termine ab. Schweigen auf der höchsten Ebene. Bekanntlich spielen Vorurteile und negative Einstellungen gegenüber älteren Menschen eine wichtige Rolle für eine Diskriminierung Lebensalters. „Ich war es, die hinter denen her sein musste", empört sich Frau Krimme. "Ich saß auf heißen Kohlen, ich wollte doch umziehen. Als ich in Frankfurt angerufen und gefragt habe, was denn nun mit dem Vertrag ist, wurde mir gesagt: „Wir rufen in 5 Minuten zurück.“ Dabei ist es dann geblieben. Es gab keinen Rückruf. „Schließlich hat meine Tochter zu mir gesagt: ich rufe jetzt den Centrums-Manager an.“ Dieser erklärt der Tochter (!): „Es hat leider nicht geklappt mit dem Vertrag. Intervention aus Frankfurt.“

„Und dafür brauchen die zwei Monate?“ Frau Krimme ist noch immer fassungslos. „Mein Alter muss der Grund gewesen sein. Welchen gibt es sonst? Diese Herren in Frankfurt, die wollen sich als Manager darstellen. Dann sollen sie aber vor dem Beginn von Verhandlungen genau sagen, was sie möchten! Mit solchen Vollpfosten möchte ich nichts zu tun haben. Die Läden im Volme-Centrum knappsen alle an ihrer Existenz. Dort gibt es kein einziges Geschäft für den Geschmack und die Bedürfnisse meiner Kunden. Da muss doch Vielfalt rein. Und ich hätte viele Kunden gezogen. Alles, was ich bisher gemacht habe, war ein Erfolg. Mein Konzept hätte das Centrum belebt.

Als ich dann endlich Bescheid wusste, habe ich beim Oberbürgermeister angerufen, der OB ist doch für die Bürger da. Der hätte sich doch mit den Frankfurtern auseinandersetzen können. Keine Antwort. Von der IHK hat sich auch keiner gemeldet, nachdem in der Westfalenpost ein Bericht über mich gestanden hat. Aber wenn denen das alles so egal ist, müssen sie sich nicht wundern, wenn bald überhaupt niemand mehr nach Hagen zum Einkaufen kommt. Alles nur noch Polyester. Aber es ist doch eine Binsenweisheit, dass in jeder Stadt das gemacht werden muss, was zu den Leuten passt. Und Hagen ist eben nicht Frankfurt. Da kann man mal sehen, wieviel Dummheit in den Chefetagen sitzt!

Und dass es um mein Alter ging, das ist sicher. Die Centrums-Manager haben mir doch gesagt: Hätten wir das alles vorher gewusst, hätten wir den Vertrag mit dem Namen und Geburtsdatum ihrer Tochter gemacht.

Ich wollte in diesem Monat den neuen Laden aufmachen. Das zehrt an den Nerven. Inzwischen habe ich aber viele Angebote von anderen Läden bekommen - es stehen ja genug leer, und mein jetziger Vermieter hat gesagt, dass ich nicht unbedingt nächsten Monat raus muss. Mir kann keiner das Wasser abgraben. Ich lasse mich von solchen Vollpfosten nicht unterkriegen.“

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Wie viel Altersdiskriminierung verträgt der Mensch?
Seit 20 Jahren bearbeite ich das Thema Altersdiskriminierung. Ein Fall wie der von Frau Krimme ist mir noch nicht untergekommen! Das bedeutet: es wird nicht besser, sondern immer schlimmer mit der Altersdiskriminierung!

Dazu muss man wissen: Was Frau Krimme in Hagen passiert ist, könnte ihr in Kalifornien*, in Australien oder Kanada nicht passieren. Wer es sich dort einfallen lassen würde, jemanden wegen des Lebensalters kein Ladenlokal zu vermieten, müsste mit einem Prozess rechnen und eine hohe Entschädigung bezahlen.

Hierzulande ist das anders. Im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) gilt ein Verbot der Altersdiskriminierung ausdrücklich nicht für den Zugang zu Waren und Dienstleistungen. Aber es gibt eine Ausnahme. Das sind die Massengeschäfte. Und das sind solche, die typischerweise ohne Ansehen der Person zu vergleichbaren Bedingungen in einer Vielzahl von Fällen zustande kommen, oder bei denen das Ansehen der Person nach der Art des Schuldverhältnisses eine nachrangige Bedeutung hat.

Da bräuchte man einen sehr sehr guten Anwalt. Der kostet. Und was bekäme man im Erfolgsfall? Nix. Solche Gesetze braucht kein Mensch.

* Der Unruh Civil Rights Act verbietet seit dem Jahr 1959 !!!!. jede Diskriminierung jenseits des Arbeitslebens in so gut wie allen Bereichen des täglichen Lebens wegen des Geschlechts, der Rasse, der Hautfarbe, der Religion, der Abstammung,der nationalen Herkunft, einer Behinderung, des Gesundheitszustands, wegen des genetischen Status und der sexuellen Orientierung. Obwohl im Unruh Act nur die erwähnten Merkmale aufgelistet sind, hat das Oberste Kalifornische Gericht entschieden, dass sich das Gesetz nicht notwendigerweise nur auf diese Merkmale beschränkt. Der Unruh Civil Rights Act sei so gemeint, dass alle willkürlichen und absichtlichen Diskriminierungen erfasst sind, die sich auf der Grundlage von persönlichen Eigenschaften ereignen, die den Genannten ähnlich sind.
Und dazu gehört auch das Lebensalter!

*Unternehmensstruktur Savills:Link/unternehmensstruktur.aspx

Zuerst erschienen am 13.6.2018 auf Altersdiskriminierung.de

WDR-Bereicht vom 5.10.2018: hLink

Quelle: Frau Krimme

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