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BSG entscheidet bei Direktversicherung zugunsten von Betriebsrentnern

30.03.2011

Kassel, den 31. März 2011. Der 12. Senat des Bundessozialgerichts berichtet über seine Sitzung vom 30. März 2011.

4) und 6)

In beiden Fällen sind die Revisionen im Sinne der Zurückverweisung der Sachen an das LSG begründet. Der Senat konnte auf der Grundlage der von den Vorinstanzen getroffenen Feststellungen nicht abschließend selbst entscheiden, bis zu welcher Höhe aus den Kapitalleistungen der Lebensversicherungen Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung zu entrichten sind. Allerdings waren die Beklagten (nur) berechtigt, Beiträge aus den einmaligen Zahlungen aus Direktversicherungen zu verlangen, soweit die Zahlungen auf Prämien beruhen, die auf den Versicherungsvertrag für Zeiträume eingezahlt wurden, in denen der Arbeitgeber Versicherungsnehmer war. Es ist dafür unerheblich, ob zunächst eine Versicherung mit dem Arbeitgeber als Versicherungsnehmer im Rahmen einer betrieblichen Altersversorgung bestand, die dann nach einem Versicherungsnehmerwechsel auf den Arbeitnehmer in einen privaten Lebensversicherungsvertrag überging, oder ob dies - wie im Fall 4) - in umgekehrter Reihenfolge stattfand oder ob und in welcher Reihenfolge weitere Wechsel eingetreten sind.

Grundsätzlich besteht die Beitragspflicht laufender und einmaliger Versorgungsbezüge nach § 226 Abs 1 Satz 1 Nr 3 und Abs 2 bzw § 237 Satz 1 Nr 2 jeweils iVm § 229 Abs 1 Satz 1 Nr 5 und Satz 3 SGB V auch für Leistungen einer Direktversicherung. Der Umstand, dass - wie im Fall 6) von Klägerseite geltend gemacht - möglicherweise tatsächlich gar kein wirksames Arbeitsverhältnis bestand, ist dafür nicht entscheidend, wenn ausdrücklich eine "Direktversicherung" (hier unter Nutzung einer bestehenden Gruppenversicherung und mit einem versorgungstypischen Endalter) abgeschlossen wurde; die Betroffenen müssen sich insoweit an der vertraglich gewollten und praktizierten institutionellen Einbindung der Leistung festhalten lassen. Der Charakter als beitragspflichtige Leistung aus der betrieblichen Altersversorgung geht auch nicht dadurch verloren, dass - wie im Fall 6) - Versorgungsbezüge nicht dem Arbeitnehmer selbst, sondern einem versicherungspflichtigen Hinterbliebenen zufließen; Wortlaut des § 229 Abs 1 Satz 1 SGB V, Gesetzgebungsgeschichte und die Vorgaben des BetrAVG ergeben zwanglos, dass dies auch bei zugesagten Versorgungsleistungen an Hinterbliebene der Fall ist. Für die Beitragspflicht ist es ebenso unschädlich, dass der Versicherungsvertrag bereits vor dem 1.1.2004 abgeschlossen wurde. Auch ist es ohne Belang, dass Prämien vom Arbeitnehmer gezahlt wurden, solange der Arbeitgeber Versicherungsnehmer ist. Die Abgrenzung von beitragspflichtigen Leistungen ist allein nach der Institution vorzunehmen, die sie zahlt, bzw nach dem Versicherungstypus. All dies ergibt sich schon aus der bisherigen Rechtsprechung des 12. Senats des BSG und ist vom BVerfG als verfassungskonform bestätigt worden. Eine Neuausrichtung der Rechtsprechung ist nach dem Kammerbeschluss des BVerfG vom 28.9.2010 (1 BvR 1660/08) nur insoweit geboten, als keine Beitragspflicht besteht, weil die Versicherung aus dem betrieblichen Bezug dadurch gelöst wird, dass ein Versicherungsnehmerwechsel vom Arbeitgeber zum Arbeitnehmer erfolgt.

Für die damit nur noch offene zentrale Frage, wie die Kapitalleistungen bei einem Versicherungsnehmerwechsel konkret in einen beitragspflichtigen betriebsbezogenen Teil und einen nicht beitragspflichtigen privaten Teil aufzuteilen sind, gilt Folgendes: Es ist eine qualifizierte Bescheinigung des Versicherungsunternehmens als "Zahlstelle" iS von § 202 SGB V einzuholen, die nachvollziehbare, überprüfbare Angaben zum beitragspflichtigen Betrag und zu dessen Ermittlung enthält. Die Aufteilung muss ausgehen von der regelmäßig feststehenden Gesamtablaufleistung einschließlich aller Erträge und in rückschauender Betrachtung vorgenommen werden. Der beitragspflichtige Teil ist grundsätzlich in typisierender Weise prämienratierlich zu errechnen, dh danach, in welchem Umfang während der Zeit der Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitgebers und der Zeit der Versicherungsnehmereigenschaft des Arbeitnehmers Prämien gezahlt wurden; nur hilfsweise kommt eine zeitratierliche Berechnung in Betracht. Die Prämienleistungen einerseits und die darauf beruhenden Ablaufleistungen andererseits müssen auf diese Weise ins Verhältnis zueinander gesetzt werden. Die unüberschaubare Vielfalt der Ausgestaltungsmöglichkeiten für Kapitalversicherungen erschwert eine Festlegung allgemeingültiger Berechnungsmodelle für die punktgenaue Zuordnung von Kapitalerträgen in jedem Einzelfall oder macht sie sogar unmöglich. Das regelmäßig fortgeschrittene Lebensalter der Begünstigten erfordert eine einfache Handhabbarkeit der Beitragsberechnung durch die Sozialversicherungsträger. Berechnungsmodelle aus anderen Regelungsbereichen (zB VVG, BetrAVG, Scheidungsfolgenrecht) sind insoweit nicht sachgerecht und nicht übertragbar. Daher ist die Heranziehung eines eigenen beitragsrechtlichen Maßstabs geboten.

Zu den erforderlichen Daten für die prämienratierliche Berechnung, die die vor dem Versicherungsnehmerwechsel gezahlten Prämien und die nach dem Versicherungsnehmerwechsel gezahlten Prämien zueinander ins Verhältnis setzt, müssen beide Berufungsgerichte noch Feststellungen treffen.

4) SG Stuttgart - S 15 KR 1579/05 -
LSG Baden-Württemberg - L 4 KR 2262/08 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 24/09 R -

6) SG Speyer - S 13 KR 258/08 -
LSG Rheinland Pfalz - L 5 KR 28/10 -
Bundessozialgericht - B 12 KR 16/10 R -

Quelle: Pressestelle Bundessozialgericht Terminbericht Nr. 13/11