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BMJ erklärt Altersdiskriminierung

26.03.2004

Das Ministerium Zypries schreibt an: Bürgerin X: "Sehr geehrte Frau X, zunächst einmal hoffe ich, dass die Anrede richtig ist: Da Sie leider keinen eigenen Absender mitgeschickt haben, Sie aber - wie Sie schreiben - Rentnerin sind und deshalb natürlich nicht Inhaberin der e-mail Adresse "H.W." sein können (hä?), hoffe ich, dass ich die korrekte Anrede gefunden habe. Wenn nicht, sehen Sie es mir bitte nach.

Frau Bundesjustizministerin Brigitte Zypries bedankt sich für Ihr E-mail vom 6. März 2004 und hat mich gebeten, Ihnen zu antworten.

Die europäische Union hat in den letzten Jahren mehrere Rahmengesetze (Richtlinien) beschlossen, die sich mit der Bekämpfung von Diskriminierungen beschäftigen. Eine Richtlinie sieht einen Diskriminierungsschutz auch wegen des Alters vor, und zwar die sogenannte Rahmenrichtlinie Beschäftigung (2000/78/EG vom 27. November 2000). Dieses europäische Rahmengesetz gilt allerdings nur für das Arbeitsrecht und verbietet - aus gutem Grund - auch dort nicht jede Unterscheidung wegen des Alters. Das hängt damit zusammen, dass es viele durchaus wünschenswerte Differenzierungen nach dem Lebensalter gibt. Die Bestimmungen dieser Richtlinie sind bis Ende 2006 in das deutsche Recht umzusetzen. Zuständig innerhalb der Bundesregierung für dieses Vorhaben ist das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend.

Das Bundesministerium der Justiz erarbeitet gegenwärtig das zivilrechtliche Antidiskriminierungsgesetz. Es geht hierbei in erster Linie um einen Diskriminierungsschutz im Vertragsrecht, also etwa bei der Versorgung mit Gütern und Dienstleistungen, bei der Anmietung von Wohnungen oder bei Verträgen mit Banken und Versicherungen.

So wünschenswert es wäre - „Altersdiskriminierung” lässt sich gerade auch im Privatrecht nicht durch ein pauschales Verbot abstellen. Das hat mehrere Gründe: Zum einen bedeutet „Alter” nicht gleich „alt”. Ein Verbot der Alterdiskriminierung beträfe nämlich jedes vertragliche Angebot, das in irgendeiner Weise an das Lebensalter anknüpft. Viele Vergünstigungen wie verbilligte Eintrittspreise, Rabatte etc., die älteren Menschen auf vertraglicher Basis eingeräumt werden, wären damit in Frage gestellt. Sie „diskriminieren” nämlich jüngere Menschen. Auch Vertragsgestaltungen, die sich mittelbar auf das Lebensalter beziehen, wie beispielsweise Versicherungsrabatte für langjähriges unfallfreies Autofahren oder ein verbilligter Kinoeintritt für Studierende, bedürften dann der besonderen Rechtfertigung. Schadenfreiheitsrabatte könnten nämlich junge Autofahrer „diskriminieren”, weil diese gar nicht die Chance haben, sich diese Rabatte zu erwerben. Und weil Studierende meist im jüngeren Alter sind,
„diskriminieren” diese Vergünstigungen mittelbar ältere Menschen.

Eine ganz andere Frage ist, wie wir für die Wertschätzung von Menschen jeden Lebensalters und für Gerechtigkeit zwischen den Generationen sorgen können. Und da haben Sie völlig recht, dass kein Mensch wegen seines Alters (oder im übrigen aus sonst irgendeinem Grund) als „Müll” behandelt werden darf. Das ist eine zentrale Debatte für die Zukunft unserer Gesellschaft, die ja unbestritten immer älter wird. Diese Tatsache wird ebenso von älteren wie von jüngeren Menschen auch als bedrohlich empfunden: Die älteren Menschen fürchten um ihre Teilhaberechte und die Sicherheit im Alter, die jüngeren um ihre Zukunftschancen. Das gilt um so mehr, als derzeit die sozialen Sicherungssysteme auf dem Prüfstand stehen. Der Vorschlag, pauschal die „Altersdiskriminierung” (oder aber die „Jugenddiskriminierung”) zu verbieten, scheint auf den ersten Blick verlockend, gibt jedoch keine ausreichende Antwort auf diese Fragen. In diese Richtung ging auch das Motto der Arbeitsgemeinschaft SPD 60 plus für den Tag der älteren Generation vom 7. April 2004: „Ein Europa für alle Lebensalter - stark und solidarisch”.

Natürlich bleibt es die Aufgabe des Rechts, konkrete Diskriminierungen - also sozial unerwünschte Benachteiligungen - auch im Privatrecht zu bekämpfen. Das setzt voraus, dass wir uns zunächst die entsprechenden Fälle ansehen und prüfen, ob es sich tatsächlich um unerwünschte Diskriminierungen oder aber um notwendige, vielleicht sogar wünschenswerte Unterscheidungen handelt. Dann müssen wir überlegen, ob und wie wir mit den Mitteln des Rechts reagieren können. Auf konkrete Probleme können wir nämlich nur mit konkreten Vorschriften antworten.

Mit freundlichen Grüßen,
Stefanie Hubig

Quelle: Bundesministerium der Justiz