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Sachsen: 10 Forderungen an neuen Kultusminister Frank Haubitz

Foto: H.S.

21.10.2017 - von GEW Sachsen

Nach dem Rücktritt der sächsischen Kultusministerin erklärt die Landesvorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft in Sachsen, Uschi Kruse: Wir erleben gerade eines der schwierigsten Schuljahre seit 1990. Inzwischen sind alle Schularten, alle Regionen und alle Beschäftigtengruppen an den Schulen mehr oder weniger von den Personalproblemen betroffen. Das Kultusministerium hat diese inzwischen zwar eingeräumt und versucht, sie möglichst geräuschlos zu verwalten, allerdings fehlte es an entschlossenen Schritten, die sich verschärfende Misere wenigstens abzumildern.

Weil wir nicht bereit sind hinzunehmen, in welchem Maße sich die Arbeits- und Lernbedingungen in den Schulen verschlechtern, hatte die GEW Sachsen vor und in den Herbstferien eine Protestaktion für den 26. Oktober 2017 in Dresden vorbereitet.

Vorsitzender des Philologenverbandes wird neuer Kultusminister in Sachsen
Infolge des Rücktritts von Frau Kurth als Kultusministerin, der zu erwartenden Neubenennung und den zahlreichen Äußerungen zur Regierungsumbildung in Sachsen hat der Geschäftsführende Vorstand nach einer kontroversen Debatte mehrheitlich entschieden, diese Kundgebung zu vertagen.

Uns war dabei bewusst, dass mit einem neuen Kultusminister die großen Schwierigkeiten keineswegs automatisch gelöst sind. Wir wollten ihn vor einem Antrittsbesuch allerdings nicht mit einer Kundgebung begrüßen, bei der unsicher ist, ob sie angesichts der sonstigen politischen Wirrungen in Sachsen überhaupt öffentlich wahrgenommen wird.

Ob es nach der Benennung des ehemaligen Vorsitzenden des Philologenverbandes, Frank Haubitz, nötig sein wird, sich in nächster Zeit in Dresden zu versammeln, lässt sich heute noch nicht beurteilen.

Unklar ist, ob ihm die Dimension und die Komplexität der Probleme an allen Schularten bewusst sind und welche Vorstellungen er zu deren Beseitigung hat. Unklar ist, ob er die Forderungen, die er als Interessenvertreter erhoben hat, durchsetzen wird und ob es zu substanziellen Verbesserungen der Arbeitsbedingungen aller Lehrkräfte kommen wird. Unklar ist, ob er die finanziellen Spielräume durchsetzen kann, die nötig sind, um grundsätzliche Änderungen herbeizuführen.

Alle Vorurteile beiseite schiebend, hoffen wir, dass der scheidende Ministerpräsident seiner Verantwortung mit der Benennung von Herrn Haubitz für einen der schwierigsten Ministerposten in der Bundesrepublik gerecht geworden ist.

Fakt ist: wenn es nicht gelingt, die zahlreichen Probleme im Schulbereich zu lösen, serviert man den Populisten die Themen für die nächste Landtagswahl auf dem sprichwörtlichen Silbertablett.

Die Themen, denen sich der neuen Kultusminister sofort zuwenden muss, haben wir in 10 Forderungen zusammengefasst. Was er in der Vergangenheit gesagt oder geschrieben hat, mag interessant in Hinblick auf seine persönliche Glaubwürdigkeit sein. Messen werden wir Herrn Haubitz daran, was er jetzt und in der kommenden Zeit tut.

Zehn Forderungen an den neuen sächsischen Kultusminister
1. Der Schulbereich muss mit ausreichend Lehrerstellen ausgestattet werden. Dazu gehört u.a. auch, dass außerunterrichtliche Angebote abgesichert und personelle Reserven vorgehalten werden, die dem zu erwartenden Krankenstand tatsächlich entsprechen.

2. Die Arbeitsbedingungen der Beschäftigten an den Schulen sind deutlich zu verbessern und die Belastungen spürbar zu reduzieren. Überlastungen der Lehrkräfte sind keine Lösung der personellen Krise an den sächsischen Schulen, sondern verschärfen den Lehrermangel. Die Anstrengungen des SMK zur Gesundheitsförderung an den Schulen sind insbesondere in den Bereichen Gesundheits-management und betriebliches Eingliederungsmanagement zu erhöhen.

3. Es ist zwingend erforderlich, ernsthafte Gespräche mit den Tarifvertragsparteien aufzunehmen, in denen tatsächliche Lösungen zur Bekämpfung des Lehrermangels gefunden werden. Ziel dieser Gespräche muss auch eine Personalpolitik sein, die Ältere und Jüngere nicht gegeneinander ausspielt.

4. Die Einkommen der Beschäftigten sind durch Anwendung von § 16 TV-L so zu erhöhen, dass die Benachteiligung der sächsischen Lehrkräfte beim verfügbaren Einkommen gegenüber ihren Kolleg*innen in anderen Ländern endlich beendet und gleichzeitig die Attraktivität des Schuldienstes in Sachsen für junge Lehrer*innen erhöht wird.

5. Die Eingruppierung von Lehrkräften an Grundschulen darf nicht länger hinter der in anderen Schularten zurückbleiben und hat künftig in der Entgeltgruppe 13 zu erfolgen. Nur so wird es gelingen, Wertschätzung für die Leistung der Beschäftigten an dieser Schulart zu verdeutlichen, Lehrkräfte mit einem anderen Lehramt zu gewinnen, ohne die Gerechtigkeitslücken zu vergrößern und im bundesweiten Wettbewerb um
Grundschullehrkräfte zu bestehen.

6. Benachteiligungen beim Einkommen bestimmter Lehrergruppen (z.B. Einfachlehrer*innen, Pionierleiter*innen bzw. Erzieher*innen mit Lehrbefähigung, Lehrkräfte in der Lehrerausbildung, Lehrkräfte, die eine höherwertige Tätigkeit ausüben, Fachlehrer*innen) sind durch geeignete Maßnahmen sofort zu beenden. Dabei ist auch die in der Tätigkeit erworbene Qualifikation zu berücksichtigen.

7. Um Bildungsgerechtigkeit in stärkerem Maße zu gewährleisten, sind angemessene Rahmenbedingungen, notwendige Voraussetzungen und verlässliche Hilfssysteme zu garantieren. Bei der Unterstützung von Kindern aus bildungsfernen Elternhäusern, bei der Integration von geflüchteten Kindern oder bei der gemeinsamen Beschulung von Kindern mit und ohne Förderbedarf dürfen die Schulen und Lehrkräfte nicht länger alleingelassen werden.

8. Der Personalschlüssel in den Kindertagesstätten muss entscheidend verbessert werden. Die mittelbare und unmittelbare pädagogische Arbeit, die steigenden qualitativen und quantitativen Ansprüche, die Freistellung der Kita-Leitung für administrative Aufgaben und zusätzliches Verwaltungspersonal sind als notwendig anzuerkennen und dementsprechend einzuberechnen.

9. Der Personalentwicklung im Bereich Sozial- und Erziehungsdienst ist auch vor dem Hintergrund des großen bundesweiten Bedarfes an Erzieher*innen viel größere Aufmerksamkeit zu widmen. Ziel muss es dabei sein, gemeinsam mit den Trägern dem bereits bestehenden Mangel an ausgebildeten Erzieher*innen entgegenzuwirken.

10. Gut unterrichtete und aktiv mitwirkende Bürger*innen sind Voraussetzung für einen funktionierenden demokratischen Staat. Deshalb ist der politischen Bildung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen in Sachsen größere Bedeutung zuzumessen. Dazu ist es auch notwendig, die verschiedenen Träger der politischen Bildung in Sachsen zu stärken und finanziell besser auszustatten.

DIE BILDUNGSGEWERKSCHAFT www.gew-sachsen.de, 20. Oktober 2017

Link: Rentnerinnen in Sachsen: Viele am Existenzminimum
Quelle: Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft, Sachsen