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Berufseinstieg als LEHRER: Einst war das so ...

Dresden. Foto: H. Jeromin

08.08.2017 - von Hartmut Jeromin

Zünftig verabschiedeten wir unseren zeitweiligen Jugendsekretär der GEW in Dresden, B.N., in das „Referendariat“, was immer das ist. Er ging sicher mit großen Erwartungen da hin! Wenn ich an meinen Berufseinstieg denke, oh weh!

In der Schule war ich ja schon: Es folgten diverse Pädagogisch-Psychologische Praktika während des Studiums, schön nach Zehner, Erlebach und Rubinstein. Schon vergessen? Rubinstein: Psychisches äußert sich in der Tätigkeit …

Dann die beiden Fachpraktika in den Schulen, na ja. Aber die Mentoren ließen uns wenigstens allein mit den Schülern. Und Ehrgeiz hatten wir jede Menge. Schulersatz waren wohl auch die didaktisch-methodischen Übungen in den jeweiligen Fach-Methodiken.

Und nun sollte es losgehen. Staatsexamenszeugnisse waren überreicht, das letzte Stipendium bezogen, Bücher verpackt, die Einsatzschule schon mal aufgesucht, vorher in einer „Abteilung Volksbildung“ den Arbeitsvertrag unterschrieben, ja die künftige Schule schickte schon immer die entsprechende Kreiszeitung zu. Das war auch nötig, denn es ging ins unbekannte Land! Für mich nach Mecklenburg ( der Bezirk mit dem höchsten Alkoholverbrauch je Einwohner) und dort in der Kreis T. ( wiederum der Kreis mit dem höchsten…) und da nach D.-R., ungefähr 300 wahlberechtigte Einwohner und drei Gaststätten und ein Konsum im Ort.

Die Schule, eine ehemalige Zuckerfabrik, eingerichtet als Internatsoberschule, weil nicht in allen Regionen des Kreises sich eine Oberschule lohnte … natürlich einzügig. Die Schüler kamen Montags früh mit dem Schulbus, z.T. aus sehr kleinen Orten und fuhren Sonnabends nach der Schule wieder in ihre Dörfer. Dazu dann die Schüler aus D.-R.

Nach der Vorsprache in der Schule wurde mir mein zu bewohnendes Zimmer (Untermiete, 9 MDN Miete) gezeigt. Und mir fiel ein, dass man da wohl auch ein Bett, einen Tisch, einen Schrank und einen Stuhl brauchte. Ofen war vorhanden.

Also in der Kreisstadt G. beim Trödler sowas ausgesucht, mit geborgtem Geld bezahlt und in einer Nacht- und Nebelaktion mit einem Betriebsfahrzeug da hingebracht und eingestellt. Irgendwann musste auch bei der Sparkasse ein Konto eingerichtet werden für die erste Gehaltszahlung.

Dann kam die Vorbereitungswoche, Schulbus fuhr noch nicht. Also weite Wege übers Land. Es begann mit der sog. Runderneuerung, also Polit-Unterricht für Erwachsene, die Genossen immer vorneweg. Ansonsten: Stundenplan, Klassenleiterplan und so. Und Unterrichtsvorbereitung. Da außer dem Hauptfach z.B. auch Deutsch in Klasse 5 zu „geben“ war, dafür Bücher beschafft, auch Werken war zu "geben" und Sport und natürlich mein zweites Fach –Polytechnischer Unterricht -. Gerade da wurde ein neuer Lehrplan eingeführt in dem Fach - also lieber Lehrer, kümmere dich.

Und dann kam der 01.09.1966: der Schulhof voller Kinder und Jugendlicher in Festkleidung, auch die Lehrer. Vor der versammelten Schule wurde auch der neue Lehrer vorgestellt als Klassenleiter der 7. Klasse. Großes Hallo!

Und die Mühle geriet in Gang: Pausenaufsichten, Essenaufsichten, Frühaufsicht, Spätaufsicht. Hausaufgabenkontrolle, Dienstberatung, FDGB-Versammlung, Fachzirkel, P.-Lehrjahr, Elternbesuche, Elternabend, Pioniernachmittag, Kollegiumsfeier, Erntefest der LPG, Wahleinsätze bei Kommunalwahlen (ich sollte zu Onkel Emil gehen, der sich krank stellte), Wandertage, Sportwettkämpfe und Ferienfahrt.

Natürlich jeden Tag Unterricht mit Fachberatung, Hospitationen und Kontakthalten zu den verschiedenen Einsatzstellen der Schüler im polytechnischen Unterricht/ produktive Arbeit. Also auch Kontakte halten zur örtlichen LPG. Auch Unterrichtsvertretung kam vor. Eine richtige Wohnung gab es nicht, keine Toilette, kein Bad, nur Pumpe im Dorf und einen Wassereimer nebst Schüssel. An der Pumpe traf man sich früh mit den Dorfbewohnern, die Männer rissen noch die Mütze vom Kopf und grüßten; „Guten Morgen, Herr Lehrer“. Jeden früh! Arztsprechstunde war einmal die Woche. Die Postfrau fragte mich, ob ich welche Zeitung beziehen wollte. Ich wollte u.a. den „Eulenspiegel, den ich auch bis heute abonniert habe. Der LPG-Vorsitzende fragte mich, ob ich Kohlen brauche für den Winter? Das war mir neu. Er aber ließ anfahren vor einen Schuppen, ich brauchte nur rein zu schaffen.

Langweilig wurde es nicht, da ich noch keine Familie hatte, war zunächst die Schule meine Familie. Aber dann wurde doch geheiratet und so wurde ich der einzige „verheiratete Junggeselle“ im Dorf. Die Abstimmung der „Besuche“ bei meiner Frau war sehr schwierig, sie hatte das gleiche zu leisten, nur in einer anderen Landschaft der DDR, dazwischen so ungefähr 500 km. Einmal fuhr ich in den kurzen Ferien zu ihr, sie aber machte sich auf den Weg zu mir…Handy gabs noch nicht. Ostern 1968 war ich auf dem Weg zu ihr und erfuhr an der Strassenbahnhaltestelle in der Dresdener Neustadt, dass ich gerade Vater geworden sei und da das Diakonissenkrankenhaus nicht weit war, konnte ich stehenden Fußes sofort meine erste Tochter betrachten gehen. Wurde mir auch prompt gezeigt. Unwahrscheinliches Gefühl!

Zurück zur Schule: Es sollten Lehrproben gehalten werden, in beiden Fächern. Im 2. Fach (Polytechnik) überraschte mich der Vorsitzende mit einer perfekten Organisation: es waren Rüben zu ernten und es flutschte nur so, die Schüler schafften wie die Wiesel, der Fachberater staunte und ich bekam eine gute Beurteilung … ich staunte auch.

Dem Sohn vom Vorsitzenden habe ich einmal seine „bunte Zeitschrift“ um die Ohren gehauen im Unterricht. Großer Rat und Palaver und so und so: Ich sollte vorbeugend mit dem Vater reden. Also angemeldet, nachmittags um 17°° Uhr sollte ich da erscheinen: Na, sag mal, was ist los? Ja, der Arno wollte nicht so, wie er sollte und da…wart einen Augenblick…Griff zur Kredenz, Flasche, 2 Gläser…Prost: das hast du ganz richtig gemacht mit dem Bengel, Prost!

Direktor: Kollege, ich las in ihrer Akte, sie sind gar nicht in der DSF. Ne, ich bin doch im FDGB und der hat doch sicher auch die Freundschaft auf seine Fahnen geschrieben … warum also doppelt, ich will doch nicht vermassen, mich nicht verzetteln …- Fortan hörte ich überall im Bezirk, von wo bist du, was, von D.-R. da soll doch einer gesagt haben, er wolle nicht vermassen …sowas zog also Kreise. Es gab noch mehr solche Spielchen und auch ich lernte das Spiel.

Gelegenheit, meine eigenen Fehler zu machen und damit leben zu lernen, hatte ich also genügend und wenn es nicht um eine Wohnung für meine Familie gegangen wäre, ich wäre in Mecklenburg geblieben. Aber wir mussten bei Schwiegereltern unterkriechen und so wurde die „Versetzung“ nach Sachsen betrieben und nach 2 Jahren waren diese „Lehrjahre“ für mich vorbei! Direkt geschadet haben sie mir nicht, ja ich möchte sie in meinem Lebenslauf nicht missen. Also, auf geht’s, lieber B.N., es wird nicht den Kopf kosten und Hartmut J. hat es auch geschafft, damals.-

Link: Dem Arbeiter ein sorgenfreies, heiteres Alter oder: Arbeitslohn=Wurzel aus a mal p
Quelle: Hartmut Jeromin